Dies & Das: Die wichtigsten Fakten zur Mindestsicherung

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Österreich armutssicher machen

Die Mindestsicherung hilft uns allen, in einem sozialen und sicheren Land zu leben. Sie sichert ein Mindestmaß an Selbstbestimmung und hilft Not abzuwenden.

Auf Menschen in Not aufmerksam machen

Auf Menschen in Not aufmerksam machen

Seit 2010 gibt es in Österreich die „bedarfsorientierte Mindestsicherung“.

Die Mindestsicherung sichert das Mindeste, das Menschen zum Leben brauchen. Das ist eine Frage der Menschenwürde und eine Frage der Gerechtigkeit.

Und zwar unabhängig davon, wie viel und wie lange jemand „ins System“ eingezahlt hat oder woher er/sie kommt. Denn Gerechtigkeit verlangt, die materiellen und immateriellen Grundbedürfnisse von Menschen sicherzustellen. Grundbedürfnisse sind für alle Menschen gleich.

Doch gerade in den letzten Monaten hat sich die Debatte um Kürzungen und Reformen der Mindestsicherung zugespitzt. Mit der „neuen Mindestsicherung“ soll die alte Sozialhilfe zurück kommen. Dabei wäre jetzt – gerade angesichts der guten wirtschaftlichen und budgetären Entwicklung – die Zeit, Österreich armutssicherer und gerechter zu machen.

Es macht uns alle stark, wenn wir anderen aufhelfen und niemandem ein Bein stellen. Zusammenhalt heißt auch, niemanden als AlmosenempfängerIn zu sehen, sondern alle als Menschen mit gleicher Würde und sozialen Rechten. Nur das schafft Sicherheit.

Österreich hat ein Versicherungsprinzip, das all jene unterstützt, die Beiträge leisten. Und Österreich hat ein Fürsorgeprinzip, das jenen hilft, die zu alt, zu krank oder zu jung sind. Die Leistungen für Mindestsicherung machen derzeit nur 0,9% der Gesamt-Sozialausgaben aus. Trotzdem plant die österreichische Bundesregierung Änderungen, die dazu führen, dass Menschen in Not ins soziale Nichts fallen. Damit stellt sie unseren Sozialstaat in Österreich in Frage und gefährdet den sozialen Frieden im Land.



Deshalb haben wir uns das Thema genauer angesehen und die wichtigsten Fakten zur Mindestsicherung zusammengetragen.

  • Zusammensetzung: Wer wirklich in der Mindestsicherung ist

Es sind Leute wie du und ich. Junge und Alte, Mütter und Väter, Familien

Über zwei Drittel der MindestsicherungsbezieherInnen sind Pensionisten, Kranke, Behinderte und Erwerbstätige (Aufstocker): 25% Pensionisten, 21% erwerbstätig, 21% im Haushalt (oftmals krank oder beindert), 6% in Ausbildung/ Weiterbildung , 28% arbeitslos (stehen also dem Arbeitsmarkt zur Verfügung).

Die Grafik (klickt auf das Bild für Vergrößerung) zeigt die Verteilung.

Gemessen an den Gesamt-Sozialausgaben entsprachen die Ausgaben für die BMS einem Anteil von 0,9%. Gemessen am Gesamtbudget nur 0,4%. Das wird den Sozialstaat nicht zusammenbrechen lassen.

Insgesamt kommt die Mindestsicherung den ärmsten 3% der Bevölkerung zu Gute.

  • Die Hauptbetroffenen einer Kürzung der Mindestsicherung werden die Kinder sein

83.818 minderjährige Kinder leben in Haushalten mit Mindestsicherung. Von den Frauen als Betroffenengruppe abgesehen, bildeten die Alleinstehenden die größte Unterstütztengruppe (37% der Personen), gefolgt von den Paaren mit Kindern (32%) und den Alleinerziehenden (15%).

Ein Drittel der mit Mindestsicherung unterstützten Menschen sind also minderjährig. Die Hauptbetroffenen einer Kürzung der Mindestsicherung werden die Kinder sein.

Kinder und Jugendliche, die in Haushalten mit niedrigem Einkommen aufwachsen, werden in mehreren Bereichen benachteiligt:

  • Die Gefahr des sozialen Ausschlusses: beispielsweise Teilnahme an kostenpflichtigen Schulaktivitäten nicht möglich
  • Mindetsicherungs-BezieherInnen mit Kindern leben noch häufiger in schlechten Wohnsituationen. Desolates Wohnen wirkt sich besonders hemmend auf Bildungschancen und die Gesundheit der Kinder aus: Feuchtigkeit, Fäulnis, Überbelag, dunkle Räume.

Angesichts der Tatsache, dass die Mindestsicherung schon jetzt nur zur Deckung des unmittelbaren Bedarfes reichen, entziehen die Kürzungen Familien mit mehreren Kindern die Existenzgrundlage. Sie bringen damit  die Zukunftsperspektiven der Kinder ernstlich in Gefahr. Dies steht dem Ziel Armut und sozialer Ausgrenzung nachhaltig entgegenzuwirken und folglich auch eine „Vererbung“ von Armut über Generationen zu vermeiden, diametral entgegen.

All das hat Folgen: Die armen Kinder von heute sind die chronisch kranken Erwachsenen von morgen.

  • Die Mindestsicherung ist für die große Mehrheit eine kurzfristige Überbrückungshilfe

Die Daten zeigen, dass die Mindestsicherung für die große Mehrheit eine kurzfristige Überbrückungshilfe darstellt.

Die durchschnittliche Bezugsdauer in diesem Jahr lag bei 8,1 Monaten und reichte von 6 Monaten in Tirol bis 8,8 Monaten in Wien. Im Jahr 2016 hatten 65% (der Bedarfsgemeinschaften) eine Bezugsdauer von 7 bis 12 Monaten, knapp 20% erhielten maximal 3 Monate lang eine Geldleistung, bei den restlichen 16% waren es 4 bis 6 Monate.

  • Unter welchen Lebensbedingungen leben Menschen in Mindestsicherung?

Eine aktuelle Studie der Statistik Austria gibt ein realistisches Bild über die Lebensbedingungen von Menschen in Mindestsicherung.

Sehr hohe Raten zeigen sich bei gesundheitlichen Einschränkungen, chronischer Krankheit und Behinderung.Doppelt so viele in Mindestsicherung sind chronisch krank, viermal so hoch die Zahl der Behinderten, dreimal so hoch Menschen mit Pflegegeldbezug.

Starke negative Effekte werden bei der Wohnsituation sichtbar. Viele können ihre Wohnung nicht im Winter heizen, müssen unter desolaten Wohnbedingungen leben (doppelt so oft von feuchter Wohnung betroffen, fünfmal öfter Überbelag, dreimal öfter dunkle Räume).

Massiv sind die Auswirkungen auf Gesundheit, Chancen und Teilhabe bei Kindern. Die Gefahr des sozialen Ausschlusses bei Kinder zeigt sich in den geringeren Möglichkeiten Freunde einzuladen (10mal weniger als andere Kinder), Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen (20mal weniger).“

  • Der Bezug der Mindestsicherung wird umfangreich überprüft

Die Behörden haben sich einiges einfallen lassen, um Missbrauch zu verhindern. Nicht bloß, dass Antragsteller/innen ihre Lebensverhältnisse völlig offen legen müssen. Die Behörde weiß durch umfangreiche Amtshilfeverpflichtungen auch ohne Information durch die Hilfesuchenden, ob z.B. eine Beschäftigung oder eine AMS-Sperre vorliegt, ob ein KFZ auf ihren Namen läuft, oder wer sonst noch an ihrer Wohnadresse gemeldet ist. Ein Blick in den Computer genügt.

Auch während des laufenden Bezugs sind jederzeit Kontrollen möglich, z.B. mittels unangemeldeter Hausbesuche. Sollte sich herausstellen, dass Leistungen zu Unrecht bezogen wurden, sind sie zurück zu zahlen. Verwaltungsstrafen bis zu 4.000 € und auch Ersatzfreiheitsstrafen sind möglich. Anzeigen wegen des „Erschleichens“ von Leistungen mit bewusst falschen Angaben sind aber sehr selten.

So wurden beispielsweise im Jahr 2013 in Niederösterreich 330 Haushalte mittels Hausbesuch überprüft. In nur 2 Fällen lag ein widerrechtlicher Bezug vor.

  • Die Mindestsicherung ist nicht leicht zu bekommen

Für viele sind die Barrieren sehr hoch, um die notwendige Hilfe zu bekommen. Eine große Zahl von Bezugsberechtigten nimmt keine Leistungen in Anspruch. Diese „Non-Take-Up“ Quote ist am Land noch wesentlich höher als in den Städten.

Die Zahl der Einkommensarmen in Österreich, die trotz Anspruch keine Mindestsicherung erhalten, ist enorm. Die großen Probleme in der Mindestsicherung lauten also nicht soziale Hängematte sondern Nichtinanspruchnahme und Sozialbürokratie.

Zehntausende Menschen in Österreich erhalten offensichtlich nicht, was ihnen zusteht und helfen würde. Die Gründe:

  • Uninformiertheit,
  • bürokratische Hürden,
  • willkürlicher und bürgerunfreundlicher Vollzug
  • Angst vor Stigmatisierung

Auffallend ist, dass es gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt. In den Städten ist die Inanspruchnahme prinzipiell höher,

  • weil eine große Zahl Einkommensarmer vom Land in die anonymere Stadt zieht oder geschickt wird,
  • weil es am Land weniger Mietwohnungen und mehr Hausbesitz gibt
  • weil manche Bundesländer einen besonders willkürlichen und bürgerunfreundlichen Vollzug aufweisen,
  • weil die Inanspruchnahme in Großstädten in ganz Europa um ein vielfaches höher ist.
  • Wissen: Was ist die bedarfsorientierte Mindestsicherung?

Die Sozialhilfe wurde 2010 in die „Bedarfsorientierte Mindestsicherung“ (kurz: BMS) umgewandelt.

Wer hat Anspruch auf die bedarfsorientierte Mindestsicherung?
Anspruch haben Österreichische StaatsbürgerInnen oder gleichgestellte Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt, deren Haushaltseinkommen unter den Mindeststandards der „bedarfsorientierten Mindestsicherung“ (kurz: BMS) liegen und die ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben.

Bevor man die Mindestsicherung bekommt, muss das eigene Vermögen aufgebraucht werden, bis nur mehr 4.188,80 € (2016) übrig sind. Außerdem ist Voraussetzung, dass die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft besteht.

Wie wird die bedarfsorientierte Mindestsicherung berechnet?
In welcher Höhe die Mindestsicherung ausbezahlt wird, wird auf Basis des Haushaltseinkommens berechnet. Die BMS setzt sich für eine alleinstehende Person aus maximal 628,32 € Grundbetrag und 209,44 € Wohnkostenanteil zusammen. Personen, die in Lebensgemeinschaften leben, bekommen den 1,5-fachen Betrag, für Kinder gibt es jeweils 150,80 €. Die BMS wird 12 Mal pro Jahr ausbezahlt.

Warum steigt die Anzahl der BezieherInnen?

Bereits in der alten Sozialhilfe seit Mitte der 2000er Jahre haben sich die Betroffenenzahlen stark erhöht (1999: 71000, 2007: 152000, 2011: 193000, 2014: 256000). Gründe dafür sind:

  • prekäre Jobs,
  • nicht-existenzsichernde Notstandshilfeleistungen,
  • Arbeitslosigkeit,
  • psychische Erkrankungen und
  • hohe Lebenshaltungskosten beim Wohnen.

Prekäre Jobs mit daraus folgendem nicht existenzsichernden Arbeitslosengeld nehmen zu. Die neuen „working poor“ erhalten von der Mindestsicherung „Richtsatzergänzungen“, um zu überleben. Weiters haben Personen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen am Arbeitsmarkt schlechte Chancen. Besonders nehmen depressive Erschöpfungszustände zu. Und die steigenden Lebenshaltungskosten beim Wohnen wirken sich bei geringem Einkommen überproportional stark aus.


Mindestsicherung heißt, ein Leben in Würde für alle sicher zu stellen

Sie sichert die Existenz von Alleinerziehenden und deren Kindern, ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung und verhindert ein Abrutschen in absolute Armut.

Die Mindstsicherung sichert das Mindeste – nicht mehr und nicht weniger. Sie ermöglicht ein Minimum an menschenwürdigen Leben.