Dies & Das: Die Ozeane heizen sich schneller auf als gedacht

  THOMAS BERGMAYR                       10. Jänner 2019

 

Eine Analyse beseitigt Widersprüche und Datenlücken zur Erwärmung der Weltmeere und lässt Schlimmes für die Zukunft befürchten.

Bis vor kurzem waren einige Forscher davon überzeugt, dass die Erderwärmung zwischen 1998 und 2013 eine Pause eingelegt hat, was Klimawandelleugnern willkommene Munition für ihre Kampagnen lieferte. Mitte Dezember bestätigte allerdings die jüngste einer ganzen Reihe aktueller Studien, dass an der vermeintlichen Verlangsamung in Wahrheit nichts dran ist – im Gegenteil: Der rätselhafte „global warming hiatus“ wird mittlerweile zu einem Gutteil darauf zurückgeführt, dass die Ozeane die zusätzliche Wärme aufgenommen haben, der Gesamttendenz der klimatischen Erwärmung widersprechen die modernen atmosphärischen Daten jedenfalls nicht.


Lücken in der Fieberkurve

Allerdings konnte man diese Auffassung anhand der „Fieberkurve“ der Meere bislang nicht einwandfrei dokumentieren. So ganz wollten Messwerte nicht zu den etablierten Modellen passen. Das hat sich nun geändert, denn eine aktuelle Analyse auf Basis von vier umfangreichen Datensätzen aus unterschiedlichen Perioden der letzten Jahrzehnte zeigt tatsächlich, was die Berechnungen schon befürchten ließen: Die Temperaturen der Ozeane stiegen auch in der Tiefe deutlich an – und zwar sogar schneller als gedacht.

„Wenn man feststellen will, wo der Klimawandel stattfindet, muss man nur einen Blick auf die Ozeane werfen“, sagt Zeke Hausfather von der University of California, Berkeley, Co-Autor der im Fachjournal Science erschienenen Studie. „Die Meereserwärmung ist ein wichtiger Indikator für die derzeitigen Klimaveränderungen, und wir haben jetzt robuste Beweise dafür, dass sie sich sogar beschleunigt hat.“


Potenter Wärmespeicher

Als kritische Marker gelten die Ozeane vor allem deshalb, weil sie 93 Prozent der Treibhauseffekt-bedingten Wärme speichern. Darüber hinaus spielen kurzfristige Klimavariationen in den Weltmeeren praktisch keine Rolle: Der Temperaturanstieg zeichnet sich dort wesentlich deutlicher ab, ein Trend, den die nun vorgelegten Daten bestätigen.

Als Datenquellen für die Studie dienten einerseits annähernd 4000 autonome Tauchroboter des Argo-Netzwerks, die seit fast 20 Jahren rund um den Globus regelmäßig in Tiefen von bis zu 2000 Metern geschickt werden, wo sie nicht nur die Meerestemperaturen messen, sondern auch den Salzgehalt, pH-Werte und zahlreiche andere Faktoren ermitteln. Darüber hinaus berücksichtigten die Wissenschafter Messungen, die bis in die 1970er-Jahre zurückreichen, sowie jüngere Veränderungen im Sauerstoffgehalt der Atmosphäre, die direkt mit der Erwärmung der Ozeane in Zusammenhang gebracht werden.


Düstere Prognose

Die Resultate zeichnen ein düsteres Bild der kommenden Jahrzehnte: Geht man von einem Business-as-usual-Szenario aus, bei dem die Reduktion der Treibhausgase nicht im notwendigen Ausmaß gelingt, prognostiziert das sogenannte Coupled Model Intercomparison Project 5 (CMIP5), dass sich die oberen 2000 Meter der Ozeane bis zum Ende des Jahrhunderts im Durchschnitt um 0,78 Kelvin erwärmen werden. Allein die thermische Expansion würde dadurch einen Anstieg des Meeresspiegels von 30 Zentimetern bewirken – wohlgemerkt zusätzlich zu dem Süßwasserzuwachs, der auf das Abschmelzen der arktischen und antarktischen Eismassen zurückgeht. Abgesehen davon steigern wärmere Meere langfristig die Häufigkeit von extremen Wetterereignissen wie Wirbelstürmen.

„Während 2018 an der Oberfläche ’nur‘ das viertwärmste Jahr seit Messbeginn repräsentiert, ist es mit Sicherheit mindestens das dritte jeweils wärmste Jahr in Folge, wenn man sich die Ozeane ansieht“, sagt Hausfather. Durch die Zusammenführung der vier der aktuellen Arbeit zugrunde liegenden Datensätze sei nun eine wesentlich genauere Aufschlüsselung dieser beunruhigenden Entwicklungen möglich, erklärt das Team um Hauptautor Lijing Cheng von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.


Keine Widersprüche

Lücken und Unklarheiten bei früheren Messdaten, die letztlich zu den schwer erklärbaren Widersprüchen zwischen Modellberechnungen und Observationen führten, ließen sich zur Erleichterung der Klimaforscher mithilfe der aktuellen Resultate ausräumen. „Die Tatsache, dass diese korrigierten Temperaturwerte mit den bisherigen Modellen tatsächlich übereinstimmen, beseitigt eine lange bestehende Ungewissheit“, so Hausfather. (Thomas Bergmayr, 10.1.2019)


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