Theodor Fontane (1819 – 1898), dt. Schriftsteller, Journalist, Erzähler und Theaterkritiker
Alter
Man wird nicht besser mit den Jahren –
wie sollt es auch? Man wird bequem
und bringt, um sich die Reu‘ zu sparen,
die Fehler all in ein System.
Das gibt dann eine glatte Fläche,
Es rutscht sich unbehindert fort
Und »allgemeine Menschenschwäche«
Wird unser Trost- und Losungswort.
Die Fragen alle sind erledigt,
Das eine geht, das andre nicht, –
Nur manchmal eine stumme Predigt
Hält uns der Kinder Angesicht.
***
Bekenntnis
Ich bin ein unglückselig Rohr:
Gefühle und Gedanken
Seh‘ rechts und links, zurück und vor,
In jedem Wind, ich schwanken.
Da liegt nichts zwischen Sein und Tod,
Was ich nicht schon erflehte:
Heut bitt‘ ich um des Glaubens Brot,
Daß morgen ich’s zertrete.
Bald ist’s im Herzen kirchenstill,
Bald schäumt’s wie Saft der Reben,
Ich weiß nicht, was ich soll und will, –
Es ist ein kläglich Leben!
Dich ruf‘ ich, der das Kleinste du
In deinen Schutz genommen,
Gönn meinem Herzen Halt und Ruh,
Gott, laß mich nicht verkommen;
Leih mir die Kraft, die mir gebricht,
Nimm weg, was mich verwirret,
Sonst lösch es aus, dies Flackerlicht,
Das über Sümpfe irret!
***
Ja, ja, Geliebte, man wird alt,
Trotz Filz und Wolle hat man kalt
An Sohlen und an Füßen,
Und ißt am Schlusse des Soupers
Man gar noch etwas Schweizerkäs‘,
so muß man dafür büßen.
Die Nerven – ach du lieber Gott!
Die Leber wird zum Kinderspott,
Die Leber und der Magen;
Und würd‘ auch alles weh und wund,
Eh bien, bleibt nur das Herz gesund,
So wollen wir’s ertragen.
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