Kommentar der anderen-Helga Schwarzwald, 6. März 2019
Was Medien zum Wertewandel beitragen könnten
Um den 8. März tauchen Frauen plötzlich verstärkt in den Medien auf. In Talkshows wird die Lohnschere beklagt: Laut Statistik Austria beträgt der Unterschied im Bruttojahreseinkommen zwischen Frauen und Männern beachtliche 37,3 Prozent. Frauen haben dementsprechend geringere Pensionen als Männer. Sie arbeiten ja kostenlos für und in ihren Familien. Im Kampf für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung wurde in den letzten 100 Jahren dennoch viel erreicht. Am Ziel sind wir noch lange nicht. Was zunehmend irritiert: Wir bewegen uns gerade in den vergangenen Jahren in großen Schritten rückwärts.
Unbezahlte Arbeit
Wohin die Reise geht, steht auch im Regierungsprogramm. Für eine neoliberal-kapitalistische Wirtschaftsordnung ist es unerlässlich, dass Frauen überproportional unbezahlt arbeiten und ebenso unbezahlt Care-Arbeit übernehmen. Vor allem dann, wenn die Regierung einen schlanken Staat will und diejenigen, die Unterstützung brauchen, im Stich lässt. Die unbezahlte Arbeit wird deshalb als Teil der Natur der Frau und als Teil der Menschenwürde definiert und als unveränderlich behauptet. Es werden Standpunkte abgelehnt, die aufzeigen, dass wir vieles, von dem, was Frau- oder Mannsein in unserer Gesellschaft ausmacht, genau so gut verändern können und müssen.
Den antifeministischen Behauptungen folgen Taten: Einige der ersten Einsparungen waren Kürzungen der ohnehin geringen Förderungen für die Arbeit von feministischen Frauenorganisationen. Allen voran wurde gemeinnützigen feministischen Medienprojekten das Geld entzogen, und dies, obwohl sie mehr zur qualitätsvollen Vielfalt des Medienangebots beitragen als manche besonders geförderte profitorientierte Medienbetreiber. Die Regierung scheint den Feminismus zu fürchten. Kein Wunder: „The future is not just female but feminist.“
Beitrag zum Wertewandel
Wenn sich Vertreter einer rückwärts gewandten Frauenpolitik in Verbindung mit fremdenfeindlichen Stereotypen zu „Beschützern“ aufschwingen, dann ist klar, dass es für die Rechte von Frauen wirklich gefährlich wird. Dabei ist nachgewiesen, dass die realen Gefahren für Frauen in Österreich nicht erst von außen durch „den Fremden“ in das Land hereingetragen werden, sondern dass diese Gefahren seit langem verlässlich im österreichischen Zuhause sowie im Freundes- und Bekanntenkreis warten. Wenn wir als Gesellschaft diese schreckliche Realität zum Besseren verändern wollen, haben nicht zuletzt die Medien in ihrer Berichterstattung über diese Gewalttaten viel zu verändern, um ihren Beitrag zu einem Wertewandel zu leisten. Ein durchgängiger Bestandteil von sexistischen Gewaltverhältnissen in Partnerschaften, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit ist die Täter-Opfer-Umkehr. Medien tragen auch hier Mitverantwortung an der Aufrechterhaltung und täglichen Erneuerung dieser folgenschweren Scheinheiligkeit, indem sie diese Ausrede verbreiten und multiplizieren. Sensations- und Click-Geilheit tun das Ihrige.
Wie sieht es mit einer Selbstregulierung der Medien hinsichtlich Berichterstattung und Weiterbildung in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und sexualisierte Gewalt aus? Die Erarbeitung von Guidelines – etwa nach spanischem Vorbild – und das Commitment zur spezifischen Qualifizierung wären ein tolles medienübergreifendes Vorhaben, dessen Ergebnisse wir am 8. März 2020 präsentieren könnten. (Helga Schwarzwald, 6.3.2019)
Helga Schwarzwald ist Geschäftsführerin
des Verbands Freier Radios Österreich.
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