Julya Rabinowich
1. Juli 2019
Seenotrettung: Es ist nicht immer populär, seinem Gewissen zu folgen
Tun oder opportun, das ist hier die Frage
Carola Rackete, Kapitänin der Sea-Watch 3, entschied sich, ohne Erlaubnis in Lampedusa anzulegen, nachdem ihr Schiff zwei Wochen auf See hatte kreuzen müssen. Weil sie, wie sie sagte, Verantwortung für die vor dem Ertrinken geretteten Passagiere und ihre Crew trage.
Das Schiff wurde beschlagnahmt, Rackete verhaftet und unter Hausarrest auf Lampedusa gestellt. Ihr drohen bis zu fünfzehn Jahre Haft. Sie ging mit stoischer Ruhe von Bord. Sie handelte nach ihrem Gewissen.
Es ist nicht immer populär, seinem Gewissen zu folgen. Tun oder opportun, das ist hier die Frage. Oft. Und es ist gar nicht so lange her, da erklärte der Altkanzler Sebastian Kurz in einem Interview, Seenotrettungsorganisationen wie Sea-Watch würden Gesetze brechen. Wie er denn selbst handeln würde, wenn neben ihm jemand Fliehender unterzugehen drohte – das blieb leider offen.
Die Haltungen zu Seenotrettungen gehen stark auseinander. Die Rettung von Menschenleben sei kein Verbrechen, sondern Pflicht, die Organisationen dürften nicht kriminalisiert werden, sagte beispielsweise Heiko Maas.
Es wäre auch schön, wenn jemand Sebastian Kurz darauf hinweisen könnte, dass man Gesetze brechen und gleichzeitig Menschenleben retten kann. Das schließt einander nicht aus. Zum Beispiel damals, als Österreicher Juden vor den Nazis versteckten. Es gibt sehr gute Literatur dazu und für Kurz viel nachzulesen. (Julya Rabinowich, 1.7.2019)