So kämpfen Bauern für gesunde Böden in Haiti
Von Thomas Kruchem: Klimahelden (3/4)
30.000 haitianische Bauern bieten dem Elend und dem Klimawandel die Stirn. Sie haben ihren Ackerbau dem zunehmend unberechenbaren Klima angepasst und ermöglichen ihren Familien so ein Leben in Würde. 30.000 unbekannte Klimahelden, für die Aufgeben keine Alternative ist – obwohl sie sich oft wie Sisyphos fühlen.
Haiti im Westen der Karibikinsel Hispaniola ist ganz anders als die Dominikanische Republik im Osten. Dort ein dicht bewaldetes Urlaubsparadies mit Traumstränden, besucht von jährlich fünf Millionen Touristen. Hier abgeholzte und erodierte Bergzüge und eine Hauptstadt wie eine Müllhalde.
Elf Millionen Nachkommen aus Westafrika verschleppter Sklaven leben in Haiti auf weniger als der Fläche Belgiens. Das ärmste Land der westlichen Hemisphäre wird seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich vor mehr als zweihundert Jahren von Diktatoren und Kleptokraten beherrscht. Hunderttausende Bauernfamilien überleben auf winzigen Parzellen an Steilhängen, geplagt von Wirbelstürmen, die an Wucht zunehmen; von Starkregen, Dürren und Bodenerosion.
Blanker, ausgedörrter Boden
Um 1900 war Haiti, mit einer Million Einwohnern, noch zur Hälfte mit Wald bedeckt; heute ist es zu kaum noch zwei Prozent bewaldet. Wälder wurden abgeholzt für den Anbau von Zucker, Kaffee und den Holzverkauf. Wiederaufforstung kam niemandem in den Sinn.
Haitis Kleinbauern produzieren fast die Hälfte der im Lande verbrauchten Nahrungsmittel – und dies überwiegend an kahlgeschlagenen Steilhängen, die schutzlos Sonne und Regen ausgesetzt sind. Es regnet genug in der Karibik; aber das Wasser trifft oft auf blanken, ausgedörrten Boden; es hat keine Chance einzusickern und schwemmt stattdessen immer mehr wertvollen Humus in die Flüsse.
Überschwemmungen und Bodenerosion sind die Folge, verschärft durch den Klimawandel, der die Karibik besonders hart trifft: kürzere, heftigere Regenzeiten; längere Dürrephasen, verheerendere Hurricanes – tropische Wirbelstürme. Die Luft nehme über dem immer wärmeren Meerwasser mehr Energie auf als früher, sagen Experten – in Form von Wasserdampf.
Gesunde Böden für Haiti
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Zehntausende unbekannte Klimahelden
Das Hauptquartier der Organisation ACAPE wirkt wie eine Gärtnerei: In der angeschlossenen Baumschule stehen Tausende Setzlinge von Obstbäumen und Akazien in schwarzen Töpfen. ACAPE arbeite derzeit in zehn Dörfern, sagt der Chef Raymond Delinois. 300.000 Bäume habe die Organisation in den letzten zehn Jahren gepflanzt; und 60 Prozent davon hätten überlebt, obwohl Hurrikan Matthew große Schneisen gerissen habe.
ACAPE ist Teil eines Netzwerks von 40 Organisationen in Haiti, die agrarökologische Klimaanpassung betreiben – mit insgesamt 30.000 Familien. Zusammen haben sie mehrere Millionen Bäume gepflanzt und die Landwirtschaft der Familien dauerhaft dem Klimawandel angepasst. Organisationen wie ACAPE helfen den Bauern auch, Verluste nach der Ernte gering zu halten.
In den Nachbardörfern bauen Bauern weiterhin nur wenige Feldfrüchte an ungesicherten Hängen an, berichtet Delinois. Bei starkem Regen werde dort die Krume mitsamt den Pflanzen oft fortgespült. Mit der Unterstützung durch ACAPE legen Kleinbauern Terrassen an, die sie mit Ananas und Elefantengras befestigen. Diese Pflanzen speichern Regenwasser und das hilft den Pflanzen beim Wachsen. So haben die Bauern das ganze Jahr über Früchte, die sie auf dem Markt verkaufen können: Papayas, Mangos und Zitronen; Kartoffeln und Maniok.
Ländliche Armut bekämpfen
Viele Bauern aus den Nachbarndörfern ahmen inzwischen nach, was sie in ACAPE-Projekten sehen. Fast täglich bekommt ACAPE-Chef Raymond Delinois Besuch von Bürgermeistern – mit der Bitte, dass ihre Dörfer auch ins Programm aufgenommen werden. Das aber kostet Geld, das ACAPE nicht hat. Denn nur wenige internationale Hilfswerke greifen der agrarökologischen Klimaschutzbewegung Haitis unter die Arme. Der größte Förderer ist seit 20 Jahren das deutsche Hilfswerk Misereor.
Thomas Kruchem für SWR2 Wissen.
Online: U. Barwanietz & R. Kölbel
Stand: 2.4.2019