Dies & Das: Initiativen gegen den Klimawandel(Audio) – IV von IV

AUS DER REIHE: KLIMAHELDEN (4/4)

Wälder für die schottischen Highlands

Von Thomas Kruchem

Wilde, baumlose Highlands und Hochmoore – dafür ist Schottland bekannt. Doch damit könnte bald Schluss sein: Bis 2050 sollen auf etwa einem Drittel der Fläche Wälder stehen. Für die Landschaft wäre das nichts Neues.

Tal des Dee River auf Mar Lodge Estate

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Nach dem Ende der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren war Schottland von einem unwegsamen, kühl-gemäßigten Regenwald, bedeckt – den Caledonian Forest.

Dann kam der Mensch und mit ihm der wachsende Verbrauch von Holz, der einen großen Teil der schottischen Wälder zum Verschwinden brachte. Engagierte Bürger und Bürgerinnen und die schottische Regierung begannen daraufhin mit einer für Europa beispiellosen Wiederaufforstungskampagne. Sie läuft bis heute und wird, vor dem Hintergrund der Klimazerstörung, immer wichtiger.

Im Urwald-Schutzgebiet am Loch Arkaig untersuchen Forstarbeiter Bäume auf Fledermaushöhlen, bevor sie in die Zugangsstraße ragende Äste absägen.

Regenwald und Moore

Schottland hat rund 15.000 Quadratkilometer Moore mit bis zu fünf Meter tiefen Torfschichten, die über Jahrtausende gewachsen sind. Diese Moore sind hocheffiziente Kohlenstoffsenken: Sie speichern rund eine Milliarde Tonnen Kohlenstoff – weit mehr als sämtliche Wälder Schottlands. Sie anzutasten gilt mittlerweile als schwere Klimasünde.

Inzwischen geben die Forstindustrie und Schottlands Regierung Millionen Pfund aus, um die früher angelegten Wald-Monokulturen in den Mooren wieder zu roden, Entwässerungskanäle zu verstopfen und die schwer geschädigten Torfmoore so einigermaßen wiederherzustellen.

Bei den Chia-aig-Wasserfällen am Südufer des 20 Kilometer langen und bis zu 800 Meter breiten Loch Arkaig erwarb der Woodland Trust 2016 einen Wald von rund zehn Quadratkilometern Fläche – gemeinsam mit einem lokalen Naturschutzverein. Es ist einer der wenigen Reste von Kiefer-Urwald in Schottland – durchsetzt mit Eichen, Erlen, Birken und Hasel.

Vorfrühlingsmorgen am Loch Arkaig.

Fichten sind im Urwald nicht erwünscht

Ein Wald, in dem sich seit Jahrzehnten allerdings importierte Fichten und Rhododendren vermehren. Der Woodland Trust will es diesem Urwald ermöglichen, sich auf natürliche Art zu regenerieren. Er will die ökologische Vielfalt wiederherstellen – ohne selbst Bäume zu pflanzen, wie andere Organisationen das in Schottland tun. Dazu muss zum Beispiel die Zugangsstraße verbreitert werden, um gerodete, nicht zum Ökosystem gehörende Bäume abtransportieren zu können.

Doch mehr als die Hälfte des Landes in Schottland gehört bis heute 500 reichen Adelsfamilien. Die Erben einstiger Feudalherren besitzen bis heute den größeren Teil Schottlands und allein sie entscheiden, ob dort Wald wachsen darf oder nicht.

Der Woodland Trust ist dagegen eine von vielen Initiativen schottischer Bürger, die sich der Wiederbewaldung Schottlands widmen. Die vor über 30 Jahren gegründete private Organisation Trees for Life hat sich ausdrücklich der Vision neuen kaledonischen Urwalds in Schottland verschrieben.

Wegen des vielen Rotwilds in den Highlands müssen junge Bäume aufwendig vor Verbiss geschützt werden.

Jagd oder Klimaschutz

1,5 Millionen Bäume hat Trees for Life bereits gepflanzt – allein 200.000 auf dem früheren Jagdgut Dundreggan Estate im Westen des Landes, das inzwischen als Musterprojekt für erfolgreichen Naturschutz gilt. Auch der National Trust for Scotland, eine in Edinburgh ansässige Stiftung für den Erhalt von Kultur- und Naturdenkmälern, schafft auf ihren Ländereien Bedingungen, dass sich Wälder aus heimischen Arten ausbreiten können.

Viele Schotten halten die kahlen Hänge der Highlands immer noch für naturgegeben. Doch Kiefern wachsen inzwischen weit die Hügel hinauf – zumindest bis auf 700 Meter Meereshöhe. Einzelne Bäume finden sich sogar in Höhen bis zu 900 Metern, und in deren Gesellschaft Sträucher wie Wacholder. Das ist schon fast wie in Skandinavien, wo in den Höhenlagen Krüppelkiefern mit Wacholder, Zwergbirken und Kriechweiden ein Gebüsch bilden. So entsteht ein neuer Lebensraum, der nach oben hin immer lichter wird.

Jo O‘Hara, die Chefin der Forstbehörde in Edinburgh, ist voll des Lobes für private Initiativen wie den National Trust for Scotland. Sie seien wichtige Partner bei der Umsetzung ihrer Aufforstungsstrategie. Bis 2050 sollen 25 Prozent Schottlands mit Wald bedeckt sein. In England und Wales sind es heute erst zehn Prozent, auf dem europäischen Festland 37 Prozent.

Jo O’Hara, Chefin der schottischen Forstbehörde.

Muss Wald Geld erwirtschaften?

Die Forstbehörde habe heute, sagt Jo O’Hara, keineswegs nur die Produktion von Nutzholz im Auge, sondern auch den Erholungswert der Biodiversität als Schutz gegen Baumkrankheiten und Schädlinge – und den Klimaschutz. Wer heute Wälder pflanze, müsse neben wirtschaftlichen auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen, sagt die Leiterin der Forstbehörde, die jährlich 40 Millionen Pfund an Baumpflanzprämien ausschüttet.

Jo O‘Hara spricht von multifunktionalen Wäldern. Holz verkörpere, in Zeiten der Klimazerstörung, die Zukunft – vor allem auch im Bauwesen, meint Jo O’Hara. Die Menschheit könne nicht länger immer mehr Zement und Stahl produzieren und so immer mehr klimaschädliche Gase in die Atmosphäre blasen.

„Wood that pays is wood that stays“, zitiert die Leiterin der Forstbehörde den Cambridger Forstwissenschaftler Professor Oliver Rackham: Wald muss Geld erwirtschaften.

Die drastische Reduzierung des Rotwilds auf dem Mar Lodge Estate in den Cairngorms ermöglicht das lange unterdrückte Wachstum neuen Kiefernwaldes.

 

AUTOR/IN Thomas Kruchem für SWR2 Wissen

Online: U. Barwanietz & R. Kölbel

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