Dies & Das: Wo kommt in Zukunft das Wasser her?

WASSERVERTEILUNG

Ob Trinkwasser aus Abwasser, Meerwasser oder Wasser, das durch die Kraft der Sonne gereinigt wurde: Wie sich der Wassermangel lösen lässt

Philip Pramer, Olivera Stajić 

24. März 2019

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Wo kommt in Zukunft das Wasser her?

Wenn Sie im Urlaub außerhalb Europas eine Dose Limonade öffnen, finden Sie darin neben Zucker und Aromen ziemlich sicher auch aufgearbeitetes Regen-, Meer- oder sogar gereinigtes Abwasser. In vielen Teilen der Welt ist es nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass Wasser in Trinkqualität immer und überall verfügbar ist.

Der Trinkwassermangel wird uns in den nächsten Jahrzehnten intensiv beschäftigen – so weit herrscht Einigkeit in der Wissenschaftsgemeinde. Der weltweite Wasserbedarf dürfte nämlich zwischen den Jahren 2000 und 2050 um mehr als die Hälfte steigen. 70 Prozent des globalen Süßwassers verbraucht derzeit allein die Landwirtschaft – und deren Bedarf wächst rasant. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: Um ein Kilo Getreide in Marokko anzubauen, braucht man 2700 Liter Wasser, in Mitteleuropa bedarf es dafür weniger als eines Fünftels davon. Dazu kommt, dass die Nahrungsmittelproduktion bis 2035 um 69 Prozent wachsen muss, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren.

Auch die Kühlung von Kraftwerken erfordert immer mehr Wasser. In den nächsten 15 Jahren wird der Verbrauch allein in diesem Bereich voraussichtlich um mehr als 20 Prozent steigen. Mit anderen Worten: In naher Zukunft wird die Welt wesentlich mehr Süßwasser als heute benötigen. Dazu kommt der Klimawandel inklusive Temperaturanstiegs, was auch im an sich wasserreichen Europa perspektivisch zu Wasserknappheit führen könnte.

„Wenn Sie in Wien leben, ist drastisches Wassersparen nicht sinnvoll.“
Foto: APA/HANS PUNZ

Muss man Wasser sparen?

Heißt das, dass wir ab sofort beim Händewaschen oder Trinken im Alltag Wasser sparen sollten? Nein, denn in Österreich ist Wasser keine Mangelware. Radikales Wassersparen kann derzeit sogar Nachteile bringen, sagt Thomas Ertl, Leiter des Instituts für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz an der Wiener Boku. „Wenn Sie in Wien leben, ist drastisches Wassersparen nicht sinnvoll.“ Die Bundeshauptstadt hat nämlich ein sehr langes Leitungsnetz; eine radikale Umstellung auf weniger Verbrauch würde bedeuten, dass das Wasser wesentlich länger in den Leitungen verbleibt. Das birgt die Gefahr einer Verkeimung des Wassers, so Ertl. Aus diesem Grund spülen wir auch unsere Toiletten mit Trinkwasser: Es gibt derzeit einfach genug sauberes Wasser. Tatsächlich nutzen wir momentan gerade einmal drei Prozent der österreichischen Wasservorkommen.

Etwas anders sieht es aus, wenn Warmwasser durch den Hahn rinnt. Hier ist Sparen sinnvoll „Immer wenn Wasserverbrauch mit hohem Energieaufwand verbunden ist, sollte man
Wasser sparen“, so Ertl. Beim Duschen, Wäschewaschen oder Geschirrspülen heißt es also sehr wohl: Bitte auf den Verbrauch achten!

Swimmingpool macht Speicher leer

Wie man mit Wasser umgehen sollte, ist generell davon abhängig, wo man sich befindet. Da zählen auch regionale Details: Wasserspeicher kleinerer Gemeinden decken beispielsweise oft nur den Wasserbedarf eines Tages. Werden an einem heißen Sommertag drei Swimmingpools gleichzeitig befüllt, ist der Speicher leer. Also müsste man das Wassermanagement optimieren, indem man beobachtet, wo es viele Swimmingpools gibt und wie man deren Befüllung besser regulieren kann, sagt Thomas Ertl. Tu felix Austria: Hier mangelt es im Extremfall höchstens am Poolwasser.

Davon können andere Regionen der Welt nur träumen, in denen es schon an kleinsten Mengen sauberen Wassers mangelt. Um dem globalen Trinkwassermangel zu beheben, werden längst hochtechnologisierte Methoden entwickelt und stetig verbessert. Wie die Gewinnung von Süßwasser aus Meerwasser. In Ländern, in denen thermische Energie verfügbar ist, könnte die Entsalzung Zukunft haben. Wenn man Abwärme aus Kraftwerken nutzen kann, kann man Wasserentsalzung „extrem günstig betreiben“, sagt etwa Roman Neunteufel, Wasserversorgungsexperte von der Boku Wien. Doch die Wasserentsalzung ist noch immer sehr teuer und energieaufwendig. „Entsalzen wird man auch in Zukunft nicht für landwirtschaftliche Zwecke – sehr wohl aber, um Trinkwasser zu gewinnen, denn hier sind die Kosten tragbar“, sagt Neunteufel.

Erklärvideo für Kinder, gemacht von der Regierung Singapurs. sgPUB

Erfolgsgeschichte „Newater“

Welche Methoden zur Trinkwassergewinnung zukünftig eingesetzt werden, hängt von den Ressourcen vor Ort und von den Kosten ab. Ein Beispiel für zukunftsorientiertes Wassermanagement ist Singapur: Derzeit versorgt sich der Stadtstaat mit Wasser aus vier verschiedenen Quellen. Da ist zunächst importiertes Wasser aus Malaysia, Wasser aus Entsalzungsanlagen, Wasser aus Reservoirs und gereinigtes Abwasser. Letzteres, genannt „Newater“, wird seit 15 Jahren mit staatlichen PR-Aktionen promotet. Nach anfänglicher Skepsis hat die Bevölkerung das aus Abwässern gewonnene Trinkwasser akzeptiert. Heute stammen 40 Prozent des trinkbaren Wassers aus hochmodernen Kläranlagen. Im Jahr 2060 sollen es 55 Prozent sein, weitere 30 Prozent dann aus Entsalzungsanlagen kommen. Singapurs Ziel ist es, von Malaysia unabhängig zu werden, denn das Wasserabkommen mit dem Nachbarland endet 2061.

Was ist Newater? Ein PR-Video der Regierung Singapurs. sgPUB

Aus der Luft gegriffen

Viele Weltgegenden sind aber nicht an moderne, industrielle Aufbereitungsanlagen angeschlossen. Vor allem in der Start-up-Szene arbeitet man deshalb intensiv an autonom funktionierenden Lösungen. Das Projekt „Waterseer“ nutzt Wasser aus der Luft, das sich im Sommer als feuchte, drückende Hitze bemerkbar macht. Aus Luft könnte überall Wasser gewonnen werden, so das Versprechen von Waterseer. Wind treibt eine Turbine an, die die feuchte Luft in ein etwa zwei Meter unter die Erde reichendes Rohr befördert. Dort ist es kühler, die Luft kondensiert in einem Tank. Bis zu 37 Liter Wasser sollen so pro Tag gewonnen werden, glauben die US-Studenten, die das Gerät entwickelt haben. Auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo haben sie dafür fast 300.000 Euro eingesammelt.

Aus Luft könnte überall Wasser gewonnen werden, so das Versprechen von Waterseer.
Foto: APA/DAPD/Winfried Rothermel

Danach hagelte es allerdings Kritik: Die 37 Liter gelten nur unter idealen Bedingungen, die selten gegeben sind. Je trockener die Luft, desto geringer der Taupunkt. In den meisten Fällen ist es zwei Meter unter der Oberfläche schlicht zu heiß. Es werden keine großen Mengen sein, die man aus Luftfeuchtigkeit gewinnen kann, sagt auch Roman Neunteufel, und die Methode funktioniere nur, wo die Luftfeuchtigkeit regelmäßig hoch ist. „Das würde ich als Nischenprodukt sehen.“

Effizienter ist es, bereits verfügbares Wasser aufzubereiten. In vielen Haushalten wird das Wasser deshalb nachbehandelt – mit meist sehr einfachen Mitteln. Fast 600 Millionen Menschen kochen ihr Wasser ab, bevor sie es trinken, ergab eine in 67 Ländern durchgeführte Studie. Damit ist Abkochen die mit Abstand am häufigsten eingesetzte Aufbereitungsart, Chemikalien oder Filter sind kaum verbreitet.

Von der Sonne gereinigt

„Diese Desinfektionsmethoden haben alle einen großen Nachteil – sie machen die Menschen abhängig“, sagt Start-up-Gründer Martin Wesian. Filtergeräte seien wie Kapsel-Espressomaschinen, das Gerät koste wenig, die Filter aber verhältnismäßig viel.

Für das Abkochen würden jeden Tag „hunderte Millionen Feuer angezündet, nur um Wasser zu desinfizieren“, oft mit klimaschädlichen Kerosin oder Gas, kritisiert Wesian. Der Vorarlberger gründete deshalb 2009 das Start-up Helioz. Wadi nennt sich sein Gerät, das nichts anderes macht, als die UV-Strahlung der Sonne zu messen. Legt man Wadi neben mit Wasser gefüllte Plastikflaschen, zeigt das Gerät mittels Smiley an, wann die Sonne genügend Bakterien, Keime und Viren abgetötet hat und das Wasser trinkbar geworden ist. Eine Batterie braucht das Gerät nicht, betrieben wird es per Solarzelle von der Sonne.

Neben Wasserflaschen gelegt zeigt das Gerät an, wann die Sonne das Wasser mit UV-Licht desinfiziert hat.
Foto: helioz

Dass UV-Licht antibakteriell wirkt und im Sonnenlicht steckt, weiß man schon lange. Bereits seit den 1980er-Jahren wird die SODIS-Methode, kurz für Solar Desinfection, erforscht und angewandt. Hilfsorganisationen arbeiteten mit Richtwerten: Bei sonnigem Wetter müssen die Plastikflaschen sechs Stunden in der Sonne liegen, bei bewölktem Himmel zwei Tage. Aber was gilt als sonnig, was als bewölkt? „Das hat zu sehr viel Unsicherheit geführt, die Menschen haben das nicht richtig gemacht“, erzählt Wesian. Als er mit der Idee für Wadi auf die ETH Zürich zuging, wollte das dortige Wasserforschungsinstitut ihr SODIS-Projekt gerade aufgeben.

Ein Gerät für eine Muschel

Die Universität untersuchte, ob sich das Wasser beim Sonnenbad mit Giften aus der Plastikflasche anreichert. Wenn die Temperatur nicht zu hoch werde, seien Weichmacher und Schwermetalle kein Thema, so das Ergebnis, das Wesian noch einmal von der Wiener Universität für Bodenkultur nachprüfen ließ.

Zwar arbeitet Helioz mit NGOs und Regierungen zusammen, gratis verteilt werden die Geräte aber nicht, der „Ownership-Gedanke“ ist dem Gründer wichtig. Als Richtwert dient ein Preis von 15 Euro, auch wenn erst einmal „pay as you can“ gilt, oft bezahlt die lokale Bevölkerung nur Cent-Beträge. „In Äthiopien hat jemand einmal mit einer Muschel bezahlt“, erinnert sich Wesian.

50.000 Geräte hat das Unternehmen bereits unter die Leute gebracht. Oft hat sich rund um die Solardesinfektion ein richtiges Wirtschaftssystem entwickelt. An Straßenständen, die häufig von Frauen betrieben werden, seien die Geräte besonders oft anzutreffen, dort wird laufend Wasser aufbereitet und verkauft. Die Flaschen kommen wiederum von Flaschensammlern, die sich ihre Arbeit ebenfalls bezahlen lassen.

Aber warum eigentlich anderswo aufwendig Wasser reinigen, wenn in Österreich Billionen Liter ungenutztes Trinkwasser tagtäglich die Quellen herabrauschen?
Foto: APA/HARALD SCHNEIDER

Export sinnlos

Gegen chemische Giftstoffe wie Schwermetalle oder Düngemittelrückstände kommt die Solardesinfektion aber nicht an, da hilft nur die sogenannte Umkehrosmose. Bei dieser Methode werden mithilfe von Membranen und Pumpen die Feststoffe aus dem Schmutz- oder Salzwasser herausgelöst. „Dubai und andere Städte in den Vereinigten Arabischen Emiraten gäbe es ohne diese Methode nicht“, sagt Wasserexperte Neunteufel. Für den Heimgebrauch ist diese Methode aber zu teuer.

Aber warum eigentlich anderswo aufwendig Wasser reinigen, wenn in Österreich Billionen Liter ungenutztes Trinkwasser tagtäglich die Quellen herabrauschen? Der Grund ist simpel: Ein Ferntransport von Trinkwasser ist schon ab ein paar Hundert Kilometern nicht mehr wirtschaftlich, bei Wasser, das für den Ackerbau bestimmt ist, ist schon bei einem Drittel Schluss. „Wir werden also auch in Zukunft Wasser nicht irgendwohin verschieben“, sagt Thomas Ertl, „höchstens sehr regional.“ Wasser muss also möglichst dort gefördert werden, wo die Menschen es brauchen.

Wasserversorgung ist momentan also noch eine lokale Frage, eine Aufgabe für Staaten oder Gemeinden. Der sich zuspitzende Klimawandel verschärft aber die weltweite Wasserknappheit und macht Wassermangel zu einem globalen Thema. Langfristig wird es wohl eine weltweite Wasserstrategie brauchen, ähnlich wie Klimaübereinkommen. Und bei dieser wird es dann um mehr gehen als um Pools und Klospülungen. (Philip Pramer, Olivera Stajić, 24.3.2019)

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