Dies & Das: Macht Bildung zum Megathema!

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KOMMENTAR Lisa Nimmervoll 

3. Dezember 2019

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Macht Bildung zum Megathema!

Die neue Pisa-Studie zeigt, dass der bildungspolitische Stillstand Österreich lähmt

Puh! Mittelfeld. Alles gut. Also mittelmäßig gut. Hätte auch schlimmer kommen können. Aber zum Glück ist kein Pisa-Absturz zu vermelden. Das ist doch was! Ja, das ist eine seit fast 20 Jahren gepflogene Reaktion in Österreich auf eine neue Pisa-Studie. Das Mittelfeld ist seit dem ersten Durchgang im Jahr 2000 quasi zum angestammten Habitat der österreichischen Schülerschaft mutiert.

Damit kann man sich zufriedengeben. Muss man aber nicht. Soll man vor allem nicht. Die als kollektives Sedativum verordnete Mittelfeldgenügsamkeit ist genauso wenig eine angemessene Form des Umgangs mit dieser weltweiten Schülervergleichsstudie wie ritualhafte Relativierungen, pingeliger Punktefetischismus und kulturhegemoniale Abwertungen der Spitzenreiter in Fernost (Stichwort: asiatische Drill-Camps zur Menschenmaterialoptimierung). Das Mittelfeld mag zwar besser sein als das Schlussfeld, aber es steht viel zu oft für bloß saturierte Selbstzufriedenheit, die in einer rasend schnell globalisierten und digitalisierten Welt als Zukunftsoption schlicht verantwortungslos ist.

Die Pisa-Studie hat es in Österreich traditionell schwer. Pisa misst falsch. Pisa misst das Falsche. Pisa misst, also ist es falsch, sagen die einen. Für die anderen ist sie des Teufels, weil sie von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kommt. Wirtschaft ist böse. Na ja. Den nur für ökonomische Verwertbarkeit zugerichteten Menschen will ohnehin niemand.

Das Mittelfeld ist seit dem ersten Durchgang im Jahr 2000 zum angestammten Habitat der österreichischen Schülerschaft mutiert.
Foto: imago/Steinach

Aber man sollte sich vielleicht doch einmal von der romantischen – und üblicherweise aus einer ökonomisch und kulturell privilegierten Position mit großer Geste leicht ausgesprochenen – Vorstellung verabschieden, dass jede Bildung, an die die solcherart Gebildeten oder sich Bildenden auch den Anspruch auf Ausbildung stellen, die ihnen später ein Auskommen mit einem inspirierenden Arbeitsplatz ermöglichen soll, ein vermeintlich unedles Bildungsziel wäre.

Pisa-Momentaufnahme

Natürlich ist es ein relevantes und vor allem legitimes Bildungsziel, jungen Menschen beizubringen, dass sie richtig lesen können, etwas von Mathematik verstehen und in Naturwissenschaften nicht völlig blank durch die Welt irren. Das muss Schule leisten. Nur tut sie das offenkundig nicht. Nicht für alle. Darum muss es endlich ein Recht auf Vermittlung der grundlegenden Kulturtechniken und Kompetenzen, die man für ein selbstbestimmtes Leben braucht, geben. Für alle Kinder – besonders auch für die aus sozial benachteiligten Familien oder mit Migrationshintergrund.

Die Pisa-Studie ist nicht die Bibel für Bildungspolitiken in aller Welt. Diesen Anspruch erhebt sie auch gar nicht. Sie liefert wichtige Daten, Vergleiche und Wegweiser, die die Staaten sehr wohl produktiv machen können, wenn sie das denn wollen.

Dazu reicht mitunter ein kleiner Blick über die Pisa-Momentaufnahme hinaus. Der Trend zeigt das vielleicht drastischste Ergebnis: Österreich hat sich – im Gegensatz zu einer Reihe anderer Länder – seit 2000 de facto nicht verändert, nicht verbessert, auch (noch) nicht verschlechtert (in Naturwissenschaften geht der Trend schon klar bergab). Nicht bewegt. Und bildungspolitischer Stillstand ist so ungefähr das Schlimmste, was man der jungen Generation antun kann. Das ist Zukunftsraub. Mögen die türkisen und grünen Koalitionsverhandler also Pisa 2018 als Signal verstehen, dass sie Bildung endlich zum Megathema der nächsten Regierung machen müssen. (Lisa Nimmervoll, 3.12.2019)

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