Dies & Das: Arm im Alter – wenn die Rente nicht reicht

Altersarmut

Arm im Alter – wenn die Rente nicht reicht

Eine neue Kaffeemaschine oder eine warme Winterjacke: Immer mehr Senioren in Deutschland können sich das von ihrer Rente nicht leisten. Im Freistaat fällt sie in Niederbayern besonders niedrig aus. Ein Verein versucht, Betroffenen zu helfen.

Weihnachtsstimmung in der Deggendorfer Innenstadt. Der Tannenbaum ist geschmückt, die Hütten für den Weihnachtsmarkt sind aufgebaut und in den Läden werden fleißig Weihnachtsgeschenke gekauft. Mitten im Trubel ist Josef Breuherr unterwegs, auf der Suche nach Winterschuhen. Es gibt nur ein Problem: Leisten kann er sich die von seiner Rente nicht.

Vielen ist ihr Leben in Altersarmut peinlich

Josef Breuherr ist 72 Jahre alt und hat den Großteil seines Lebens in Deggendorf verbracht. Seine kleine Rente sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an. Doch die Situation ist ihm unangenehm, jahrelang hat er sie vor seinem Umfeld versteckt. Aber jetzt soll damit Schluss sein. Er öffnet die Tür zu seiner Mietwohnung und zeigt uns, wie sein Leben in Altersarmut aussieht. An den Wänden seiner Wohnung hängen viele Medaillen, Ehrungen für seine ehrenamtliche Arbeit im Sportkegelverein. Dort hat er jahrelang die Jugend trainiert, bis heute ist Josef Breuherr ehrenamtlich aktiv. Nur selbst kegeln, das darf er nicht mehr, seine Gesundheit lässt es nicht zu.

Nach dem Herzinfarkt kam die Rente

Schuld daran ist eine Operation an der Wirbelsäule, dann vor 15 Jahren der Herzinfarkt. Die Folgen sind fatal. Er darf plötzlich nichts Schweres mehr heben und kann seinen Beruf nicht mehr ausüben. 40 Jahre lang hat Josef Breuherr hart gearbeitet, in unterschiedlichen Berufen. Ein paar Jahre lang war er bei der Bundeswehr, bei einer Versicherung, später Verkaufsfahrer bei einer Brauerei und dann Fahrer im Fernverkehr.

Leben von 12 Euro am Tag

Nach dem Herzinfarkt muss er eine Erwerbsunfähigkeits-Rente in Anspruch nehmen. Heute bekommt er deshalb nur 911 Euro im Monat, davon wird noch einiges abgezogen: 500 Euro Miete, 50 Euro Strom, laufende Kosten wie fürs Telefon. Am Ende bleibt nicht viel übrig, nur rund 12 Euro am Tag. Für größere Ausgaben wie Kleidung reicht das nicht. Auch für Lebensmittel gibt er nicht viel aus, denn durch die vielen Medikamente vergeht ihm der Appetit.

Doch die Situation macht ihm zu schaffen. Vor nicht allzu langer Zeit war er so krank, dass er nicht mehr aufstehen konnte. In solchen Momenten wünscht er sich, dass das Leben bald vorbei ist. Aber nur für einen kurzen Moment. Denn es gibt etwas, was das Leben lebenswert macht: seine Enkel.

„Da habe ich mir gedacht, hoffentlich ist es bald so weit, dann habe ich keine Sorgen mehr. Aber dann habe ich gedacht: Nein – meine Enkel.“ Josef Breuherr, 72 Jahre alt

© BR
Josef Breuherr rechnet zusammen, wie viel ihm von der Rente nach Abzug aller Kosten noch zum Leben bleibt.

Sparen für die Enkel

Seiner 12-jährigen Enkelin hat er sogar versprochen, dass er auf ihre Hochzeit gehen wird. Und er hat vor, dieses Versprechen zu halten. Alle zwei Wochen kommen ihn die Enkel besuchen. Dann möchte er ihnen etwas bieten. Mit 12 Euro am Tag ist das schwierig. Deshalb spart Josef Breuherr unter der Woche, dreht jeden Euro zwei Mal um, kauft nur das Notwendigste. Am Wochenende kann er dann unbeschwert Zeit mit seinen Enkelkindern verbringen, sie auch mal auf ein Eis einladen.

Verein „LichtBlick Seniorenhilfe“ hilft

Seit einem Jahr gibt es noch einen weiteren Lichtblick in Josef Breuherrs Leben – die LichtBlick Seniorenhilfe. Der Verein hat seit einem Jahr einen Sitz in Deggendorf. Er unterstützt Senioren, die mit ihrer Rente nicht auskommen. Im ländlichen Niederbayern sind besonders viele betroffen. Bettina Mack arbeitet am Standort Deggendorf und bekommt jeden Tag Anfragen von Senioren und Seniorinnen. Mal fehlt das Geld für größere Ausgaben wie Brillen oder Zahnersatz, mal muss auch eine kaputte Waschmaschine ersetzt werden. Jetzt im Winter sind es auch ganz alltägliche Dinge, wie zum Beispiel Brennholz.

Josef Breuherr besitzt keine Winterschuhe, spätestens wenn Schnee liegt, wird das unangenehm. Von seiner Rente ist eine solche Ausgabe kaum möglich. Aber LichtBlick kann helfen. Josef Breuherr bekommt im Deggendorfer Büro direkt einen Gutschein für einen Schuhladen.

Patenschaften für Senioren

Der Verein LichtBlick finanziert sich über Spenden, außerdem können Patenschaften für Senioren abgeschlossen werden. Mit diesem Geld soll Bedürftigen möglichst unkompliziert und schnell geholfen werden. Häufig bekommt Bettina Mack mit, dass sich ältere Menschen für ihre geringe Rente schämen, dass es sie große Überwindung kostet, nach Hilfe zu fragen. LichtBlick will deshalb noch mehr erreichen. Regelmäßig laden sie zum gemeinsamen Frühstück ein oder veranstalten Ausflüge in ein Konzert oder auf einen Weihnachtsmarkt.

Armut macht einsam

Das Ziel: Menschen aus ihrer Einsamkeit zu locken. Denn Armut, so Bettina Mack, mache oft auch einsam. Dank LichtBlick kann Josef Breuherr doch noch die dringend benötigten Winterschuhe kaufen, ganz ohne Geldsorgen. Diese Art von Unterstützung bewirkt, dass die Senioren selbstständig bleiben und weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Auch das hilft gegen die Einsamkeit. Josef Breuherr geht inzwischen offener mit seiner finanziellen Situation um, das Bitten um Unterstützung fällt ihm aber nach wie vor nicht leicht. Trotzdem ist er sehr dankbar und freut sich riesig über seine neuen Schuhe.

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