MUSIKSTÜCK DER WOCHE
JULIA SCHWARZ
Wir bitten zu Tisch:
In dieser Woche servieren die Maîtres de cuisine vom Freiburger Barockorchester ein musikalisches Festmahl mit feuriger Oboen-Galanterie an vollmundigen Trompetenkapriolen, dazu fein karamellisierte Streicherklänge mit einem Hauch von Silberglanz.
Das Musikstück der Woche ist angerichtet.
Musikstück der Woche vom 26.10.2019
Musikstück der Woche vom 26.10.2019
Komponist
Georg Philipp Telemann (1681 – 1767)
Werk
Conclusion für Oboe, Trompete, Streicher und Basso continuo D-Dur TWV 50:9
Sätze
Allegro – Adagio – Allegro
Interpreten
Ann-Kathrin Brüggemann (Oboe)
Jaroslav Roucek (Trompete)
Freiburger Barockorchester
Leitung: Gottfried von der Goltz
Aufnahme
Konzert vom 10.10.2017 im Konzerthaus, Freiburg
Das Ohr isst mit!
Die Hamburger Stadtgesellschaft stand der Bankett- und Festmahls-Freude der Höfe in nichts nach und gierte nach repräsentativer Musik für allerlei Anlässe. Stadtkantor Telemann witterte da ein gutes Geschäft und komponierte mit der Musique de table ein äußerst passendes Werk.
Denn Kenner erkannten sofort, dass es sich bei Folge von abwechselnd groß- und kleinbesetzter Kammermusik um eine Spiegelung der dreigängigen französischen Menüfolge handelt…
Feinste Französische Küche mit viel Butter
So kredenzt das Freiburger Barockorchester mit der Conclusion in D-Dur gewissermaßen ein musikalisches Dessert. Das Ensemble um Gottfried von der Goltz an der Violine spielt packend und spritzig.
Den langsamen Mittelsatz garnieren Oboistin Ann-Kathrin Brüggemann und Trompeter Jaroslav Roucek mit einem genussvollen Wechselspiel im butterweichen Sound der Barockinstrumente.
Mehr zu Telemanns Conclusion D-Dur TWV 50:9
„Ohren-vergnügendes und Gemüth-ergözendes Tafel-Confect“
Ob fromme Lieder bei kleineren privaten Dîners oder orchestrierte Suiten zur Unterhaltung hochwohlgeborener Gäste bei üppigen höfischen Banketten – zu kulinarisch-festlichen Anlässen entstanden im 17. und 18. Jahrhundert die unterschiedlichsten Tafel-Werke. Telemanns Musique de table ist nicht nur wegen ihres außergewöhnlich großen Umfangs und der rein instrumentalen Besetzung eins der Sahnehäubchen dieser Tradition. Die ganze Sammlung unterteilte Telemann in drei „Productions“, die sich im Aufbau gleichen: Großbesetzte Stücke, nämlich am Anfang eine Suite, in der Mitte ein Concert und zum Schluss eine Conclusion repräsentieren die drei Gänge des Menüs. Dazwischen stehen Solo- oder Trio-Stücke als kleine, erlesene Entrements. Je nach Länge des Mahls – üblich waren 1 ½ bis vier Stunden – konnten die abwechslungsreichen musikalischen Gänge beliebig gruppiert werden.
Barockes Musikmarketing
Telemann war nicht nur ein musikalischer Könner, sondern wusste seine Kunst auch zu vermarkten: „AVERTISSEMENT. Die Liebhaber der Music haben im künfftigen 1733. Jahre ein grosses Instrumental-Werck, Tafel-Music genannt, von der Telemannischen Feder zu gewarten…“ so seine selbstbewusste Ankündigung in der Hamburger Presse am 9. Dezember 1732. Dazuhin veröffentlichte er nicht das ganze Werk auf einmal, sondern in wohlverdaulichen Happen: „Die Ausgaben geschehen auf drey mal, als an Himmelfahrt, Michaelis und Weynachten.“ Und er stellte jenen, die alle drei Teile vorbestellten, ein exklusives Add-on in Aussicht: „Die Namen der Praenumerirenden sollen dem Wercke beygedruckt werden.“ Was sich für Telemann als erfolgreiche Marketing-Maßnahme erwies, gibt uns heute darüber Aufschluss, wie weit verbreitet seine Musik war. 206 Namen stehen im abgedruckten Abonnenten-Verzeichnis, darunter zahlreiche Hamburger Bürger, hohe Beamte, Adelige aus ganz Europa von Ludwigsburg bis Paris und nicht zu vergessen angesehene Musikerkollegen, unter ihnen auch ein gewisser „Mr. Hendel, Docteur en Musique, Londres“
Wohlschmeckend im Abgang – bis heute
Dass die Tafel-Music in ihrer musikalischen Vielfalt heute eines seiner bekanntesten und beliebtesten Werke ist, konnte Telemann 1733 lediglich hoffen. Poetisch schrieb er einem befreundeten Kaufmann nach Riga: „Diß Werk wird hoffentlich mir einst zum Ruhm gedeien, Du aber wirst den Wehrt zu keiner Zeit bereuen.“
Auch die Maîtres de cuisine…
…des aktuellen Musikstücks der Woche fanden bei einem Fest zusammen: In einer Silvesternacht vor mehr als 30 Jahren entschlossen sich Freiburger Musikstudenten dazu, ein Orchester zu gründen, das sich ganz der historisch informierten Aufführungspraxis widmet. Als „Freiburger Barockorchester“ konzertierten die Musiker und Musikerinnen erstmals 1987 im Freiburger Umkreis – heute ist der Klangkörper weltberühmt. Neben den eigenen Konzertreihen in Freiburg, Stuttgart und Berlin gastiert das FBO in den bedeutendsten, internationalen Konzertsälen und gilt als eines der profiliertesten Alte-Musik-Ensembles weltweit. Zahlreiche namhafte Solisten arbeiten regelmäßig mit dem Ensemble zusammen, darunter Isabelle Faust, Christian Gerhaher, Kristian Bezuidenhout, Sandrine Piau, Pablo Heras-Casado, Jean-Guihen Queyras oder René Jacobs, mit dem das FBO eine langjährige, bereichernde Freundschaft verbindet.
Mit ausgesuchten Kreationen lockt das FBO nicht nur Feinschmecker. Im 2012 gemeinsam mit dem Ensemble recherche bezogenen Ensemblehaus Freiburg lassen sich die Musikerinnen und Musiker inspirieren von Zutaten der alten und neuen Musik. Ihre Experimentierfreude geben die beiden Institutionen jährlich im Rahmen der Ensemble-Akademie an junge Studierende aus aller Welt weiter.