Dies & Das: Streiflichter II vom 18.1.2020 – Mit Schikanen für Muslime rettet man die Kirche nicht

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KOLUMNE Hans Rauscher 

18. Jänner 2020

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Mit Schikanen für Muslime rettet man die Kirche nicht

Das Christentum und die katholische Kirche müssen selbst einen Weg finden, wieder relevant zu werden

Der Schrecken beim Brand von Notre Dame hat gezeigt, dass ein Bewusstsein für religiöse Bauten vorherrscht.
Foto: APA/DANIEL HÖGERL

Österreich ist ein sehr katholisches Land. Zumindest, wenn man nach der großen Zahl der Kirchen, Klöster, Kapellen, „Marterln“ am Wegesrand, nach den Kruzifixen in Schulen, bei Gericht und anderswo geht. Österreich, Land der katholischen Symbole.

Das täuscht. In den letzten 20 Jahren ist der Anteil der Katholiken von 74 auf 56 Prozent zurückgegangen. Das ist nicht nur eine relative Veränderung, weil so viele Orthodoxe, Muslime und/oder Religionslose zugewandert sind (beziehungsweise als Kinder von Zugewanderten geboren wurden), sondern weil die Zahl der Kirchenaustritte steigt (2019: 70.000 Personen) und immer mehr Junge keinen Wert darauf legen, katholisch zu sein.

Es gibt ganze AHS-Klassen, in denen nur ein oder zwei Schüler den Religionsunterricht besuchen. Das ist ein (guter) Grund, warum Türkis-Grün jetzt den Ethikunterricht an den AHS für jene verpflichtend macht, die von Religion abgemeldet sind und/oder keiner Konfession angehören. Ethik – und da gehört auch religiöse Ethik dazu – ist ein unerlässlicher Bestandteil der menschlichen Bildung.

Viele Kritiker und Gegner

Die katholische Kirche hat viele Kritiker und auch Gegner – und das mit sehr viel Berechtigung: die Missbrauchsfälle. Die Behandlung der Frauen. Die offen gewordenen Vatikan-Intrigen, zuletzt um den Zölibat.

Was dabei unter den Tisch fällt, ist die kulturelle Bedeutung der Kirche. Das drückt sich nicht nur durch die großartigen Kunstwerke aus, die einfach unser europäisches Erbe ausmachen. Der Schrecken beim Brand von Notre Dame hat gezeigt, dass hier noch ein Bewusstsein vorherrscht.

Aber ebenso wichtig ist die geistig-moralische Kultur. Griechische Philosophie, römisches (Rechts-)Staatsdenken, Christentum, Aufklärung. Das ist das geistige Fundament von Europa. Das Christentum erfüllte eine gewaltige geistige und soziale Funktion. Es ist die Religion der Vergebung und der Nächstenliebe (caritas). Jahrhundertelang war die Kirche so gut wie die einzige Institution, die Hospitäler, Armenhäuser, Schulen et cetera unterhielt.

Diese soziale Funktion erfüllen die Kirchen immer noch und das wird im Fall der „Caritas“ als Institution auch anerkannt. Aber als sinngebende Institution verlieren sie rasant an Relevanz. Die Verzweiflung darüber führt in der katholischen Kirche dann dazu, dass man sich mit fragwürdigen Erweckungspredigern abgibt, die dann Sebastian Kurz in der Stadthalle den Segen erteilen.

Eigenen Weg finden

Kurz und die Türkisen versuchen, mit Schikanen für Muslime die „christliche Identität Österreichs zu erhalten“. Das verrät mangelnde historische und gesellschaftspolitische Bildung. Und ist kontraproduktiv (siehe dazu den Theologen Paul Zulehner im STANDARD vom 16. 1.).

Das Christentum und die katholische Kirche müssen selbst einen Weg finden, wieder relevant zu werden und vor allem dem verbreiteten Wunsch nach Sinn eine adäquate Antwort zu geben – oder wir leben bald in einem Land mit herrlichen religiösen Bauwerken ohne geistigen Inhalt. (Hans Rauscher, 18.1.2020)

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