Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Kinder zweiter Klasse
Wie Österreich mit Flüchtlingskindern umgeht, ist beschämend. Deren systematische Benachteiligung beginnt schon bei dem Wert, den der österreichische Staat unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) in Form von Tagsätzen beimisst, die für ihre Betreuung zur Verfügung gestellt werden. Während für österreichische Kinder, die in einer Wohngemeinschaft der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden, durchschnittlich 150 Euro pro Tag bezahlt werden, liegt die Obergrenze für deren Betreuung bei 95 Euro pro Tag.
Die Geringschätzung zeigt sich auch in Form von weniger Betreuern pro Kind, schlechteren Bildungschancen, eingeschränkten Möglichkeiten in der Freizeitgestaltung und schlechterem Zugang zu Therapieplätzen. Obwohl NGOs versuchen, diesen monetären Unterschied mit eigenen Mitteln, die sie aus Spenden lukrieren, auszugleichen, macht allein diese Differenz Flüchtlingskinder zu Kindern zweiter Klasse.
Ein weiteres erschütterndes Beispiel für die Benachteiligung von minderjährigen Flüchtlingen stellt ihr expliziter Ausschluss aus der seit 2017 geltenden Ausbildungspflicht bis 18 dar. Für sie herrscht ein massiver Mangel an geeigneten Bildungsangeboten. Sie haben meist keinen Zugang zu weiterführenden Schulen, auch das Angebot an Alphabetisierungs- und Deutschkursen reicht nicht aus.
Den Gipfel der Verantwortungslosigkeit bildet jedoch die konsequente Verweigerung sämtlicher Behörden, die Obsorge für unbegleitete Flüchtlingskinder im Zulassungsverfahren zu übernehmen. Solange sie in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen untergebracht sind, gibt es niemanden, der sich für die Wahrung des Kindeswohls zuständig fühlt. Wie eine parlamentarische Anfrage der Neos zeigt, verschwindet die Hälfte der unbegleiteten Kinder, die um Asyl ansuchen, noch bevor sie zum Verfahren zugelassen wurden. Und offenbar kümmert es niemanden.
Jedes Kind hat „Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie Wahrung seiner Interessen“. So steht es in der UN-Kinderrechtskonvention. Im Koalitionsprogramm von Türkis-Grün steht das Ziel, „Schutz und Rechtsstellung von geflüchteten Kindern“ zu verbessern.
Die Regierung sollte ihren Worten rasch Taten folgen lassen. Ein Kind ist ein Kind, unabhängig von seiner Herkunft. (Johannes Pucher, 7.2.2020)
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