Dies & Das: Schmutzspuren der industriellen Revolution im Himalaya entdeckt

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ANTHROPOZÄN

David Rennert 

11. Februar 2020

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Schmutzspuren der industriellen Revolution im Himalaya entdeckt

In Eisproben eines der höchsten Berge der Welt stießen Wissenschafter auf Metallrückstände aus dem 18. Jahrhundert. Sie stammen aus Europa

Der 8.027 Meter hohe Shishapangma in Tibet wurde 1964 erstmals bestiegen. Durch die Industrialisierung kontaminiert wurde er viel früher. Foto: Picturedesk

Die Spuren menschlicher Aktivitäten prägen das Erdsystem enorm. Von der Tiefsee bis in die Atmosphäre ist der Einfluss von Homo sapiens schon nahezu überall nachweisbar. Längst diskutieren Forscher über die Einführung eines neuen Erdzeitalters, das den Menschen als maßgeblichen geologischen Faktor benennt: das Anthropozän. Ab wann dieses Erdzeitalter anzusetzen wäre, ist aber Gegenstand heftiger Kontroversen. Manche Experten sehen im Beginn der Industrialisierung einen geeigneten Referenzpunkt, andere im Anfang des Atomzeitalters.

Wie auch immer die Diskussion ausgehen mag, der Einfluss des Menschen auf die Umwelt lässt sich weit in die Vergangenheit und bis in die entlegensten Winkel zurückverfolgen. Ein internationales Forscherteam ist nun auf einem der höchsten Gipfel der Erde auf Rückstände von Emissionen gestoßen, die 240 Jahre alt sind. Die Schwermetalle, die im Eis eines Gletschers im Himalaja nachgewiesen werden konnten, entstanden beim Verbrennen von Kohle in einem anderen Teil der Erde: Sie markieren den Beginn der industriellen Revolution in Europa, wie die Forscher um Paolo Gabrielli von der Ohio State University in „PNAS“ berichtet.

„Die industrielle Revolution veränderte die Nutzung von Energieträgern grundlegend“, schreibt Gabrielli. „Die massenhafte Verbrennung von Kohle verursachte Emissionen, die offenbar durch Winde bis in die Höhen des Himalajas gelangten.“ Für ihre Studie analysierten die Wissenschafter Eisbohrkerne, die im Rahmen einer aufwendigen Expedition vor mehr als 20 Jahren dem tibetischen Dasuopu-Gletscher entnommen wurden. Der Gletscher liegt in 7200 Meter Seehöhe auf dem Shishapangma, dem vierzehnthöchsten Berg der Erde.

Eisige Archive

Eisbohrkerne sind wichtige Archive, Forscher können aus dem Eis erstaunlich detaillierte Informationen über vergangene Verhältnisse gewinnen: Jedes Jahr lagert sich eine neue Schicht gefrorenen Niederschlags auf einem Gletscher ab, in der auch Staubteilchen aus der Luft eingeschlossen werden. Wissenschafter können nicht nur sehr genau einzelne Jahresschichten bestimmen und aus deren Beschaffenheit auf die jeweilige Niederschlagsmenge schließen. Die Analyse von Schmelzwasser bringt auch Ablagerungen ans Licht, die in den einzelnen Jahren ins Gletschereis eingetragen wurden.

Für ihre Studie untersuchten Gabrielli und Kollegen Eisschichten, die sich zwischen 1499 und 1992 gebildet hatten. Ihr Fokus lag auf Rückständen, die auf menschliche Aktivitäten hinweisen. Das Ergebnis fiel recht eindeutig aus: Ab dem späten 18. Jahrhundert stiegen die Mengen an Schwermetallen wie Kadmium, Chrom, Nickel und Zink deutlich und übertrafen das natürliche Niveau. Diese Metalle werden unter anderem beim Verbrennen von Kohle freigesetzt, einem der zentralen Rohstoffe der Industrialisierung.

Brandrodungen für Ackerflächen

Den Forschern zufolge lässt sich dieser Emissionsanstieg im Himalaja-Eis ziemlich genau ab dem Jahr 1780 feststellen – und fällt also mit dem Beginn der industriellen Revolution in Großbritannien zusammen. Sie vermuten, dass die Schadstoffe durch winterliche Luftströme nach Osten gelangten, ehe sie sich im Eis des Dasuopu-Gletschers ablagerten.

Die stärkste Kontaminationswerte waren für die Jahre 1810 bis 1880 feststellbar. Zu dieser Zeit könnten auch massive Waldbrände zu den abgelagerten Emissionen beigetragen haben, so die Forscher: Durch die rasant wachsende Bevölkerung stieg der Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen – und der wurde vor allem durch Brandrodungen gedeckt. (David Rennert, 11.2.2020)

Studie:

PNAS: „Early atmospheric contamination on the top of the Himalayas since the onset of the European Industrial Revolution“

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