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KOMMENTAR DER ANDEREN 

Werner Zinkl, 15. Februar 2020

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Justiz-Streit: Wehret den Anfänge(r)n!

Das Vertrauen in die Justiz muss nicht wiederhergestellt werden, es ist gegeben

Im Gastkommentar verwehrt sich der ehemalige Präsident der Richtervereinigung Werner Zinkl gegen das Anschwärzen der österreichischen Justiz.

Die jüngsten Angriffe des Bundeskanzlers auf die österreichische Justiz, insbesondere die WKStA, zeigen einmal mehr, wie wichtig Politiker ihren Einfluss auf die Justiz nehmen, besser gesagt, wie gern sie mehr Einfluss auf sie hätten. Diese Begehrlichkeiten gab es in mehr oder weniger ähnlicher Form schon immer. Geändert haben sich die Methoden – was wohl auch der Erfolglosigkeit bisheriger Versuche geschuldet ist.

Die Strategie ist folgende: Nutze die Medien – üblicherweise mit Fake-News –, um diejenigen anzupatzen, die den eigenen Interessen entgegenstehen; manipuliere so die öffentliche Stimmung dahingehend, dass dringender Änderungsbedarf bestehe, und fordere dann Maßnahmen, die die herbeigeredete Gefahr beseitigen, indem sie deinen Einfluss verstärken.

Ungarn, Polen – Justiz unter Druck


So geschehen in Ungarn, wo zunächst die Aufsicht über die Medien und sodann der Einfluss der Politik auf die Richterbestellungen verstärkt wurden. Letzteres mit der Argumentation, dass eine nicht funktionierende Justizverwaltung verbessert werden solle.

Protest gegen die Disziplinierung polnischer Richterinnen und Richter im im Dezember in Poznan. Foto: EPA / Jakub Jaczmarczyk

So geschehen in Polen, wo im Staatsfernsehen und in den regierungsnahen Print- und sozialen Medien eine Hetzkampagne nicht nur gegen missliebige Richterinnen und Richter, sondern sogar gegen ganze Gerichte wegen angeblicher Fehlleistungen geführt wurde. Das Disziplinarverfahren wurde umgestaltet und der Ausschluss von Richtern erleichtert. Auch damit, dass damit der Einfluss ehemaliger kommunistischer Richter zu reduziert werde, die es in Wahrheit gar nicht mehr gibt, wurden Maßnahmen begründet.

Herbe Kritik

Wie schaut es nun aber mit den Einflussmöglichkeiten politischer Parteien auf die Gerichtsbarkeit in Österreich aus?

Bewerberinnen und Bewerber für die Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst haben sich im Auswahlverfahren psychologischen Tests, schriftlichen und mündlichen Fachprüfungen, Hearings sowie den Beurteilungen ihrer Ausbildungsrichter zu unterziehen. Eine Einflussnahme von außen ist schon aufgrund der hohen Zahl der Beteiligten an diesem Prozess nicht möglich.

Bei der Ernennung von Richterinnen und Richtern erstatten Personalsenate, die mehrheitlich aus gewählten Mitgliedern bestehen, Besetzungsvorschläge, die für die Justizministerin / den Justizminister die Entscheidungsgrundlage bilden. Das äußerst selten vorkommende Abweichen von zwei gleichlautenden Besetzungsvorschlägen hat den Ministerinnen und Ministern in der Vergangenheit immer schon herbe Kritik der Standesvertretungen beschert – die im Regierungsprogramm für solche Fälle vorgesehene besondere Begründungspflicht ist daher ausdrücklich zu begrüßen.

Grobe Beleidigung

Wir Richterinnen und Richter sind uns aber auch sehr wohl dessen bewusst, dass die Begehrlichkeiten der Politik hinsichtlich einer Einflussnahme auf die Justiz schon immer vorlagen und auch durch gesetzliche Rahmenbedingungen nicht ganz ausgeschlossen wer-den können. Die Richtervereinigung hat daher bereits 1982 in den „Salzburger Beschlüssen“ die Wahrung eines Abstands zu politischen Parteien und ähnlichen Gruppierungen als eine Anforderung an den Richter zur Wahrung der Glaubwürdigkeit seiner Unabhängigkeit empfohlen. Die Inanspruchnahme parteipolitischer Interventionen für die Karriere wurde als sittenwidrig betrachtet. Diese Gedanken wurden 2007 in noch deutlicherer Form in die „Welser Erklärung“ übernommen. Diese ist seither fester Bestandteil im Ausbildungsprogramm des richterlichen und staatsanwaltlichen Nachwuchses.

Wir Richterinnen und Richter sind als unabhängige Organe der Rechtsprechung nur dem Gesetz verpflichtet. Diese Unabhängigkeit ist Garant für einen funktionierenden Rechtsstaat. Das gilt in gleichem Maß für die Staatsanwaltschaften. Jede Behauptung, es gäbe irgendwelche parteipolitische Netzwerke, die Einfluss auf richterliche Entscheidungen und auf Ernennungen hätten, widerspricht unserer inneren Haltung und wird als grobe Beleidigung empfunden.

Im Spitzenfeld

Das Vertrauen in die österreichische Justiz muss nicht, wie behauptet, wiederhergestellt werden, es ist in sehr hohem Maß gegeben. Auch in internationalen Vergleichen liegt die österreichische Gerichtsbarkeit sowohl hinsichtlich der Qualität ihrer Arbeit als auch hinsichtlich der Verfahrensdauer im Spitzenfeld. Die immer wieder thematisierten tatsächlich lange anhängigen Verfahren stellen die seltenen Ausnahmen und nicht die Regel dar. Die Gründe dafür sind oft sehr vielschichtig.

Sicher ist jedoch, dass die Personaleinsparungen der letzten Jahre die Gerichte und Staatsanwaltschaften arg in Bedrängnis gebracht haben und hauptverantwortlich für lange Verfahren sind. Da vermisse ich von der Politik die Übernahme der Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, der man sich nicht durch Anschwärzen und das Aufstellen falscher Behauptungen, die immerhin von Justizunkundigen für wahr gehalten werden könnten, entziehen kann. (Werner Zinkl, 15.2.2020)

Werner Zinkl ist ehemaliger Präsident der Richtervereinigung und Vorsitzender des Ethikrates.

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