Dies & Das: Wie Wald auf unsere Gesundheit wirkt

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THERAPIE IM GRÜNEN
Alois Pumhösel
14. April 2020
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Wie Wald auf unsere Gesundheit wirkt

Das aus Japan kommende „Waldbaden“ und der Trend zur Nutzung der Wälder für Therapien sind in Europa bereits vielfach etabliert

Ein Spaziergang im Wald kann eine erholsame Abwechslung zur Corona-Isolation sein – ob er tatsächlich gesünder macht, wollen Forscher noch herausfinden.
Foto: Imago Images / Andreas Vitting

Wer in einer sehr urbanen Umgebung lebt, entwickelt auch eigene Zugänge zur Natur. „Waldbaden“, das sich auch in Europa als Trend etabliert, ist ein gutes Beispiel dafür. Der Ansatz resultiert aus der von großen Städten geprägten Kultur Japans.

Shinrin-yoku, wie es dort genannt wird, soll mit Meditation und Achtsamkeitsübungen in der Waldumgebung Stress und Depressionen lindern. In den USA hat sich dagegen „Green Exercise“ als Schlagwort für spezielle gesundheitliche Effekte von Bewegung im Grünen etabliert.

Die Ansätze haben gemein, dass die Wirkungen der Naturerfahrung auch wissenschaftlich geerdet werden sollen. Evidenzbasierte Naturzugänge sollen helfen, jene Zivilisationskrankheiten, die auf das Leben in der Stadt zurückzuführen sind, wieder zu tilgen. Die Forschung soll einerseits herausfinden, welche Wirkung die Natur genau auf den Menschen hat, andererseits, wie ein möglichst effektiver Aufenthalt in der Natur auszusehen hat.

„Gesundheitswege“

In Europa wurde in EU-geförderter Koordinationsarbeit der Begriff „Green Care“ für Naturaktivitäten zum Wohl der menschlichen Gesundheit, Psyche und Entwicklung etabliert. Die Bandbreite reicht vom Waldkindergarten bis zur tiergestützten Therapie.

An den vielfältigen Aktivitäten in diesem Bereich in Österreich ist auch das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) beteiligt. Mit der Initiative „Green Care Wald“ ist man dort seit 2014 bemüht, Waldbesitzer mit pädagogischen, sozialen und therapeutischen Organisationen zusammenzubringen.

Gleichzeitig kooperiert man mit Einrichtungen, die sich stärker im Bereich des Gesundheitstourismus positionieren wollen. Das ist etwa in Geras im Waldviertel der Fall. Gemeinde, Stift und Naturpark arbeiten in einem Projekt mit der Boku Wien, den Bundesforsten und dem BFW zusammen, um „Gesundheitswege“ zu gestalten, die die „maximale Wirkung für unterschiedliche Klientengruppen“ entfalten, wie es Dominik Mühlberger vom BFW formuliert.

Ein ganzes Wegenetz soll hier nach wissenschaftlichen Kriterien auf verschiedene Aktivitäten, die auf die physische oder psychische Gesundheit abzielen, abgestimmt werden. Dabei geht es um die Abfolge von Lichtungen, Wasserstellen, verschiedenen Bewuchsformen, Ausblick oder Sitzgelegenheiten: „Es könnten etwa Orte entstehen, wo man in der Arbeit mit Suchtkranken gut Gemeinschaft erleben kann oder wo Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, Ruhe finden können“, gibt Mühlberger Beispiele.

Klinische Studien gefordert

Gemeinsam mit der Wiener Boku sollen Daten gewonnen werden, die die Entscheidungen stützen – etwa indem bei Probanden bei ihren Waldaktivitäten Messungen von Blutdruck oder Cortisolspiegel durchgeführt werden. In einem weiteren Projekt gemeinsam mit dem Anton-Proksch-Institut soll der Wald als therapiestützendes Element in der Behandlung von Süchten dienen und sollen Ergebnisse in einem eigenen Handbuch veröffentlicht werden.

Dem Trend, den Naturraum Wald gezielter für therapeutische Ansätze zu nutzen, steht eine Medizinforschung in diesem Bereich gegenüber, deren Evidenz aber noch reichlich dünn ist. Mühlberger: „Die wissenschaftliche Lage ist zum Teil noch dürftig. Durch den Hype rund um das Waldbaden kommt aber immer mehr Forschung zustande.“

Auch Arnulf Hartl, der das Institut für Ökomedizin an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg leitet, bemüht sich, die tatsächliche Gesundheitswirkung des Waldes wissenschaftlich dingfest zu machen. Es gehe darum, keinen „esoterischen Make-belief“ zuzulassen und die tatsächlichen Wirkungen mit „ganz hanebüchener medizinischer Forschung“ abzusichern, betont der Forscher.

Forschung in Asien

„Um Gesundheitsangebote wissenschaftlich zu fundieren, sollten nach Möglichkeit randomisierte und kontrollierte klinische Studien stattfinden.“ In einem EU-Projekt zu Gesundheitstourismus und Wald kooperiert Hartl, dessen Buch „Heilkraft der Alpen“ im Mai erscheint, auch mit dem BFW.

„Ein großer Teil der Studien zur Gesundheitswirkung des Waldes kam bisher aus Asien“, sagt Hartl. Viele davon entsprechen aber nicht internationalen Wissenschaftsstandards und weisen etwa zu wenig Probanden auf. Andere haben mit Europa nicht vergleichbare Tropenwälder zum Gegenstand. Europäische Studien zeigten dagegen bisher kein klares Ergebnis. „In Europa ist noch nicht wissenschaftlich bestätigt worden, dass der Wald eine besondere Gesundheitswirkung hat.“

Naturtherapien im Vergleich

Dabei liegt eine Reihe positiver Aspekte durchaus auf der Hand: die kühlende Wirkung des Waldes, die heißer werdende Sommer erträglicher macht, die mikrobielle Diversität des Naturraums, die das Immunsystem stärkt, oder die Filterwirkung gegen Feinstaub. „Dazu kommt, dass der Wald ein Lebensraum ist, auf den wir evolutionär konditioniert sind – wo unsere Vorfahren Schutz, Nahrung und Holz für Feuer und Behausung fanden“, betont Hartl.

Er und Kollegen arbeiten selbst an einer – im Moment coronabedingt verschobenen – Studie in Südtirol, in der zwei verschiedene Arten der Naturtherapie anhand von psychischen und physischen Messwerten bei 120 Probanden verglichen werden sollen: auf der einen Seite Meditation und Achtsamkeit des aus Japan stammenden Waldbadens, auf der anderen Seite allein die Bewegung im Wald.

Bewegung in der Natur

Dass Bewegung in der Natur jedenfalls besser als jene in geschlossenen Räumen ist, konnten die Forscher bereits in einer Studie belegen, die gemeinsam mit der Uni Innsbruck 2017 im Journal „Plos One“ publiziert wurde und die es damals sogar in die „New York Times“ schaffte.

„Wir haben drei Stunden Bergwanderung mit drei Stunden auf dem Laufband verglichen“, blickt Hartl zurück. Obwohl die Wanderung laut objektiven Körperdaten wie der Herzrate für die Probanden mühsamer war, wurde sie als weniger anstrengend als die Indoor-Aktivität empfunden. Die eigene Stimmung wurde nach der Bergwanderung ebenfalls viel besser bewertet. In Hartls Worten: „Outdoor wurden eindeutig mehr positive psychologische Affekte induziert.“ (Alois Pumhösel, 8.4.2020)

Aktuelle Bücher zum Thema Waldgesundheit:

Arnulf Hartl, Christina Geyer: „Heilkraft der Alpen“. 224 Seiten. Bergwelten, 2020 (erscheint am 20. Mai)

bei heyn.at

Karin Greiner, Martin Kiem, „Wald tut gut“. 264 Seiten. AT-Verlag, 2019

bei heyn.at

Angela Schuh, Gisela Immich, „Waldtherapie“. 143 Seiten. Springer, 2019

bei heyn.at

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