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Netzpolitik
Muzayen Al-Youssef
5. Mai 2020
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Keine verpflichtende Corona-App für Einreisende: Regierung widerspricht Kurz-Beraterin

Antonella Mei-Pochtler: „Jeder wird eine App haben“ – Regierung dementiert allerdings vehement

Antonella Mei-Pochtler ist eine enge Beraterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Foto: Gruber/Expa/Picturedesk

Freiwillig, verpflichtend, doch nicht verpflichtend: In den vergangenen Wochen kommunizierte die Regierung gespalten in Bezug auf einen möglichen Zwang für sogenannte Tracing-Apps, die ermöglichen, Kontakte zu verfolgen und so die Ausbreitung des Coronavirus nachzuweisen. Schließlich schien man sich einig, man wolle einen freiwilligen Weg, wie es auch die EU-Kommission empfiehlt, gehen.

Nun meldet sich Antonella Mei-Pochtler, eine enge Beraterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), zu Wort: Aus ihrer Sicht würden solche Apps künftig ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Lebens sein, sagt sie der britischen „Financial Times“. „Jeder wird eine App haben.“ Und: In Österreich werde eine verpflichtende App angedacht, und zwar für jene, die in das Land einreisen.

Vonseiten der Regierung hagelt es allerdings auf STANDARD-Anfragen Dementi: Aus dem Bundeskanzleramt heißt, dass „zur App bereits alles gesagt“ sei und diese auf dem „Prinzip der Freiwilligkeit“ beruhe. Es handle sich um eine gesundheitspolitische Maßnahme, für die das Gesundheitsministerium zuständig sei. Dort wird wiederum verlautbart: „Die angeführten Vorschläge von Frau Mei-Pochtler wurden innerhalb der Regierung nicht diskutiert.“ Derlei Pläne seien dem Gesundheitsministerium nicht bekannt. Man setze bei dem Einsatz von Tracing-Apps auf Freiwilligkeit, Anonymität bei der Datenverarbeitung und eine dezentrale und zeitlich begrenzte Speicherung.

Keine politische Position

Aus ÖVP-Kreisen heißt es im STANDARD-Gespräch weiter, dass Mei-Pochtler ihre eigene Meinung als Leiterin der dem Kanzleramt angegliederten Denkfabrik Think Austria ausspreche, dies aber nicht die endgültige politische Position darstelle. Es sei überhaupt noch viel zu früh, um über Reisebeschränkungen nachzudenken, da die Öffnung der Grenzen nicht geklärt ist.

Aus Mei-Pochtlers Sicht müssten Europas Länder womöglich Werkzeuge akzeptieren, die sich „am Rande des demokratischen Modells“ befänden. Auch werde hitzig innerhalb der Regierung diskutiert, ob es für jene, die an dem Coronavirus erkrankt und später genesen sind, künftig einen Immunitätsnachweis geben soll. Das Gesundheitsministerium hält dazu fest, dass die Thematik überhaupt noch nicht abschließend medizinisch geklärt sei. „Wir betrachten solche Pläne also als verfrüht“, sagt eine Sprecherin zum STANDARD.

Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer sagte, dass es keine derartigen Pläne gebe. Auch die Weltgesundheitsorganisation rät davon ab, da Antikörpertests aktuell nicht als zuverlässig gelten.

Die Opposition zeigte sich irritiert: „Was soll die Bevölkerung glauben“, fragte zum Beispiel der stellvertretende Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak – und verlangt Aufklärung durch die Regierung. Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried sieht einen Widerspruch: „Man muss leider sehen, dass die Regierungsparteien die Freiwilligkeit beteuern, während im Hintergrund an Zwangsmaßnahmen gearbeitet wird.“ FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer sieht die Demokratie hinterfragt: „Jetzt ist der Bundespräsident gefordert, größenwahnsinnigen Allmachtsfantasien einen Riegel vorzuschieben.“ Der wollte sich allerdings vorerst nicht äußern.

Enge Vertraute

Mei-Pochtler gilt als eine von Kurz‘ engsten Vertrauten. Die in Rom geborene Betriebswirtin leitet den Thinktank Think Austria und moderiert gemeinsam mit Ex-Verteidigungsminister Thomas Starlinger, der Bundespräsident Alexander Van der Bellen nahesteht, das Future Operations Clearing Board, eine von der Regierung eingeführte inoffizielle Plattform, die Expertisen für künftige Schritte im Umgang mit der Corona-Krise liefern soll.

Dezentral

Europaweit haben sich in den vergangenen Tagen mehrere Staaten, darunter Österreich als eines der ersten, entschieden, auf Corona-Apps zu setzen, bei denen Daten dezentral gespeichert werden. Das hierfür entstandene Framework DP-3T wird auch von Google und Apple unterstützt. Die US-Konzerne entwickeln gemeinsam eine Schnittstelle für ihre Betriebssysteme iOS und Android. Hierzulande zum Einsatz kommt die App „Stopp Corona“ des Roten Kreuzes, der Entwickler Accenture bestätigt, seit vergangener Woche Zugriff auf die Betaversion der Schnittstelle zu haben und bereits an einer Implementierung zu arbeiten. (Muzayen Al-Youssef, APA, 4.5.2020)

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