Dies & Das: Domestizierung machte den Menschen für Hunde interessant

Domestizierung machte den Menschen für Hunde interessant

Studie zeigte: Der Hund fühlt sich mehr als der Wolf zum Menschen hingezogen – und zwar unabhängig von der Sozialisierung

Dass der Haushund – im Bild ein Collie – heute der „beste Freund des Menschen“ ist, ist der Domestizierung zu verdanken. Eine aktuelle Studie des Domestikation Labs der Vetmeduni Vienna erbrachte dafür nun den Nachweis. Foto: REUTERS/Amr Alfiky

Wann und wo der Mensch den Wolf zähmte, ist immer noch Gegenstand von Diskussionen. Fakt ist immerhin, dass der Wolf das erste Tier war, das der Mensch domestiziert hat – noch vor der Entstehung der Landwirtschaft und Nutztierhaltung: Die ältesten bekannten archäologischen Funde aus dem westlichen Eurasien, die eindeutig als Hunde gelten, sind rund 15.000 Jahre alt. Mit 12.500 Jahren etwas jünger sind archäologische Belege für den Hund in Ostasien. Geht man nach den Befunden mehrere DNA-Analysen, könnte sich der Wolf dem Menschen aber schon vor bis zu 30.000 Jahren erstmals angeschlossen haben.

Dass der moderne Haushund (Canis lupus familiaris) heute als „bester Freund des Menschen“ gilt, ihm also besonders zugetan ist, ist tatsächlich auch eine unmittelbare Folge der Domestizierung. Das geht aus einer Studie der Vetmeduni Vienna hervor. Hunde scheinen sich demnach mehr als Wölfe zum Menschen hingezogen zu fühlen und zwar ganz unabhängig von ihrer Sozialisierung.

Dank Domestizierung geselliger

Aktuelle Vergleichsstudien zu auf Menschen gerichtetem Verhalten von Hunden und Wölfen deuten darauf hin, dass die Domestizierung die allgemeinen Einstellungen von Hunden und nicht spezifische soziokognitive Fähigkeiten beeinflusst hat. Vor diesem Hintergrund legt eine aktuelle Hypothese – die sogenannte Hypersozialitätshypothese – nahe, dass die Domestizierung die allgemeine Geselligkeit von Hunden erhöht haben könnte.

In der nun im Fachjournal „Frontiers in Psychology“ präsentierte Studie gingen Forscher des Domestikation Labs der Vetmeduni Vienna diesem Ansatz genauer nach und testeten einen Aspekt der Hypersozialitätshypothese – und zwar, was Hunde im Vergleich zu Wölfen zur Interaktion mit Menschen motiviert: Futter oder Streicheleinheiten. Und weiters, wie Erfahrungen mit Menschen die Motivation mit Menschen zu interagieren beeinflusst. Das zentrale Ergebnis der Arbeit: Die Domestizierung der Hunde hat ihr allgemeines Interesse an Menschen erhöht. Im Vergleich zu Wölfen haben Hunde ein deutliches höheres Interesse, in der Nähe des Menschen zu sein.

Was ist die treibende Motivation?

„Unsere Studie stützt die Idee, dass die Domestizierung das Interesse von Hunden an der Nähe zu einem menschlichen Partner, der Futter oder Streicheleinheiten anbietet, beeinflusst hat. Dies scheint auch bei Hunden mit einer eher spärlichen Sozialisationserfahrung der Fall zu sein“, sagt Martina Lazzaroni von der Vetmeduni Vienna. Derzeit ist laut den Wissenschaftern jedoch nicht klar, was genau die treibende Motivation für die Interaktion mit dem Menschen ist. „Zukünftige Studien, die Hunde mit unterschiedlichen Erfahrungen in unterschiedlichen Kontexten testen, und detailliertere Analysen der gezeigten Verhaltensweisen könnten helfen, diese spannende Frage zu beantworten“, so Lazzaroni.

Straßenhunde in Marokko in der Testphase 1. Foto: Giulia Cimarelli

m Rahmen ihrer Studie verglichen die Forscher Wölfe und Hunde, die im Wolf Science Center (WSC) der Vetmeduni Vienna leben, mit Haushunden und mit Straßenhunden in Marokko, die freilebend sind. Getestet wurde das Verhalten der Tiere mit einer zweistufigen Versuchsanordnung: In Phase 1 – dem Vortest – wurden die Tiere nacheinander mit zwei Personen konfrontiert. Eine Person lud das Tier zum Streicheln ein (Kontaktanbieter), die andere fütterte das Tier (Futteranbieter).

Sozialisation ohne großen Einfluss

In der daran anschließenden Phase 2 – der Testphase – konnten die Tiere wählen, welcher der beiden Personen sie sich nähern wollten, wobei sich beide in einer neutralen Haltung präsentierten. Überraschenderweise verbrachten die Straßenhunde in Phase 1 mehr Zeit mit dem Kontaktanbieter als Haushunde. Daher führten die Wissenschafter einen Folgetest für Hunde in einem vertrauten, ablenkungsfreien Bereich durch. Straßenhunde und Haushunde zeigten hier keine Unterschiede beim Ausmaß der Kuschelzeit.

In der Testphase (Phase 2) trafen die am WSC gehaltenen Hunde eher als Wölfe eine Entscheidung zwischen den beiden Experimentatoren. Allerdings konnten die Forscher weder beim Vergleich der im WSC gehaltenen Hunde und Wölfe noch beim Vergleich zwischen Haushunden und den Straßenhunden eine klare Präferenz für eine Person feststellen. Damit stützen die Ergebnisse der Studie die Hypothese, dass die Domestizierung das Verhalten von Hunden im Hinblick auf ihr allgemeines Interesse an der Nähe zu einem menschlichen Partner beeinflusst hat – und zwar auch bei Hunden mit einer eher spärlichen Sozialisationserfahrung, wie bei den Straßenhunden. (red, 28.6.2020)

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