Dies & Das: Gegenwärtiger CO2-Anstieg übertrifft alle seine Vorgänger

Gegenwärtiger CO2-Anstieg übertrifft alle seine Vorgänger

Antarktische Eisbohrkerne zeigen, dass der atmosphärische CO2-Gehalt immer wieder sprunghaft angestiegen ist – aber nicht so schnell und so stark wie derzeit

Von der Station Concordia in der Antarktis sind Forscher zur Erkundung der Vergangenheit aufgebrochen – Eisbohrkerne lieferten die gesuchten Informationen.
Foto: Thibaut Vergoz, Institut polaire français

Im seit 2,7 Millionen Jahre andauernden Eiszeitalter haben nicht nur die globalen Temperaturen immer wieder extrem geschwankt, sondern auch der Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre. Das lässt sich aber nicht als Argument dafür verwenden, den gegenwärtigen, vom Menschen verursachten CO2-Anstieg kleinzureden, wie aus einer aktuellen Studie in „Science“ hervorgeht: Der sei nämlich erheblich größer und schneller als seine Vorgänger.

Ein Forscherteam unter Leitung der Universität Bern blickte für seine Studie einige hunderttausend Jahre in die Vergangenheit zurück – einen Zeitraum also, in dem es mehrere Kalt- und Warmzeiten gegeben hat. Eisbohrkerne aus der Antarktis lieferten Daten über die jeweiligen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre. Mit einer neu entwickelten Messtechnologie konnte so das Klima der acht aufeinanderfolgenden Kalt- und Warmzeiten der vergangenen 800.000 Jahre rekonstruiert werden.

Immer wieder gab es Sprünge …

Vor allem der detallierte Blick auf die Warm- und Kaltphasen umfassende Zeit vor 450.000 bis 330.000 Jahren zeigte, „dass schnelle CO2-Anstiege ein weitverbreitetes Merkmal unseres Klimasystems sind“, so die Forscher. Und zwar auch während der Warmzeiten, von denen man bisher immer angenommen hatte, dass in ihnen Klima und CO2-Verhältnisse stabil gewesen seien.

Blick auf einen frisch gewonnenen Bohrkern. Die winzigen Luftbläschen im Eis enthalten prähistorische Atmosphäre.
Foto: Christoph Nehrbass-Ahles, University of Cambridge

Laut dem Erstautor der Studie, Christoph Nehrbass-Ahles, kam es immer dann zu sprunghaften Anstiegen, wenn schmelzende Eismassen in Grönland oder der Antarktis die Ozeanzirkulation erheblich störten. „Schnellte das CO2 in der Atmosphäre in die Höhe, ließen sich auch gleichzeitige Änderungen in der Zirkulation des Atlantiks feststellen.“ Warum zwei Mal in Warmzeiten die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sprunghaft anstieg, müsse noch geklärt werden, sagt der Berner Klimaforscher Thomas Stocker, Nehrbass-Ahles‘ Doktorvater und Mitautor der Studie.

… aber den größten machen wir jetzt gerade

Sprunghafte CO2-Erhöhungen gab es also auch schon früher – ganz wie „Klimawandelskeptiker“ gerne ins Feld führen. Aber das Ausmaß ist ein anderes, so die Forscher: Der heutige Anstieg sei sechsmal größer und fast zehnmal schneller als diejenigen, die man im natürlichen Klimaarchiv ablesen kann.

Die stärkste Zunahme in der Vergangenheit, so Stocker, habe rund 15 ppm betragen (parts per million, die Maßeinheit für die atmosphärische CO2-Konzentration). Das entspreche etwa dem Anstieg, den die Menschheit gegenwärtig im Zeitraum von sechs Jahren verursacht.

„Das mag auf den ersten Blick als nicht sehr bedeutend erscheinen“, sagt Stocker, „mit Blick auf die Mengen von CO2, die wir noch ausstoßen dürfen, um das in Paris beschlossene 1,5-Grad-Klimaziel nicht zu verlieren, sind solche Erhöhungen aber durchaus relevant.“ Ein durch die Klimaerwärmung ausgelöster zusätzlicher Anstieg des Treibhausgases CO2, wie er in der Vergangenheit auftrat, könnte die Menschheit beim Klimaschutz noch stärker unter Zugzwang bringen. (APA, red, 21. 8. 2020)

Abstract

Science: „Abrupt CO2 release to the atmosphere under glacial and early interglacial climate conditions“

Das sagen die Anderen…