Dies & Das: Die Sommer in der Schweiz werden mediterraner

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Christian Speicher

02.06.2017

Die Sommer in der Schweiz werden mediterraner

Der Klimawandel wird die Schweiz bis zum Jahr 2050 spürbar verändern. Das birgt Risiken. Doch es gibt Möglichkeiten, sich zu wappnen.

Das Schmelzen der Gletscher – im Bild der Rhone-Gletscher – wird zu einer saisonalen Verschiebung der Abflüsse beitragen. (Bild: Matthias Huss / ETH Zürich)

Das Klima ändert sich – und die Schweiz ist besonders davon betroffen. Seit dem Beginn der Industrialisierung hat die global gemittelte Temperatur um 0,85 Grad Celsius zugenommen. Im gleichen Zeitraum ist es in der Schweiz 1,8 Grad wärmer geworden. Einige Folgen davon sind schon heute klar ersichtlich, etwa das Schmelzen der Gletscher. Andere werden noch von der natürlichen Variabilität des Klimas überlagert. Bis zum Jahr 2050 dürften sich die Auswirkungen aber akzentuieren. Worauf müssen wir uns also einstellen? Wie gravierend sind die Folgen des Klimawandels für die Schweiz? Und wie können wir uns dagegen wappnen?

Ziemlich verlässliche Prognosen

Wer einen Blick in die Kristallkugel wirft, muss damit rechnen, ein trübes Bild zu Gesicht zu bekommen. In vielen Bereichen ist es so gut wie unmöglich, vorherzusagen, was in dreissig Jahren sein wird. Nicht so beim Klima. Das Klimasystem mit all seinen Rückkopplungen mag zwar kompliziert sein, im Grossen und Ganzen reagiert es aber ziemlich vorhersehbar auf die steigenden Treibhausgasemissionen. Indem globale und regionale Klimamodelle miteinander kombiniert werden, lässt sich deshalb recht zuverlässig vorhersagen, wie sich das Klima in der Schweiz bis zur Mitte des Jahrhunderts entwickeln wird.

Laut einem (inzwischen erweiterten) Bericht aus dem Jahr 2011, in dem verschiedene Szenarien zur Klimaänderung untersucht wurden, dürfte die Temperatur in der Nordostschweiz im Jahr 2060 um 1,6 bis 2,9 Grad über derjenigen des Vergleichszeitraums 1980–2009 liegen. Ähnlich sieht es in den anderen Landesteilen aus. Generell dürften die Temperaturen im Sommer etwas stärker ansteigen als in den übrigen Jahreszeiten. Auch eine weniger dramatische Erwärmung um 0,9 bis 1,8 Grad liegt laut dem Bericht noch im Bereich des Möglichen, falls es gelingt, die globalen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 um 50 Prozent zu reduzieren. Wegen der Trägheit des Klimasystems kommen die Unterschiede zwischen verschiedenen Emissionsszenarien allerdings erst gegen Ende des Jahrhunderts voll zum Tragen.

Eine unmittelbare Folge der steigenden Temperaturen ist, dass es in der Schweiz in Zukunft mehr Sommertage geben wird, an denen das Thermometer auf über 25 Grad steigt. Und auch die Zahl der Tropennächte wird zunehmen. Umgekehrt wird es im Winter weniger Frosttage geben. Das bekommt vor allem der Wintertourismus zu spüren. Schneesicher dürften in Zukunft nur noch Skigebiete oberhalb von 2000 Metern sein. In den mittleren Lagen verkürzt sich hingegen die Skisaison, was viele Skigebiete an den Rand des Ruins zu treiben droht.

Der Klimawandel birgt allerdings auch Chancen für den Tourismus. Durch die steigenden Temperaturen verlängert sich die Sommersaison in den Bergen. Das könnte den Bergregionen zusätzliche Touristen bescheren – vorausgesetzt, sie stellen sich auf die neue Situation ein. Insbesondere seien neue und erweiterte Angebote gefragt, die vom Schnee unabhängig seien, heisst es in einem 2016 erschienenen Bericht der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

Die steigenden Temperaturen wirken sich auch auf den Wasserkreislauf aus. Erwärmt sich die Erde, kann die Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen, was global gesehen zu mehr Niederschlägen führt. Je nach regionalen Gegebenheiten sind die Niederschläge aber ungleich verteilt. So rechnet man damit, dass Nordeuropa nasser und Südeuropa trockener wird. Die Schweiz liegt in einer Übergangszone, die sich mit der Jahreszeit verschiebt. Im Sommer dürfte die Schweiz deshalb mediterraner werden. Vorausgesagt werden weniger Niederschläge, längere Trockenperioden und eine Zunahme von Hitze-Extremen. Das schliesst allerdings nicht aus, dass es im Sommer gehäuft zu Starkniederschlägen kommen wird. Eine mögliche Folge davon sind Murgänge und Hangrutschungen im Alpenraum.

Im Winter rechnet man damit, dass es zumindest in gewissen Teilen der Schweiz mehr Niederschläge geben wird. Der Trend ist allerdings weniger eindeutig als derjenige für den Sommer. Auch für diese Jahreszeit sagen regionale Klimamodelle eine Zunahme von Starkniederschlägen voraus. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass Flüsse im Winter über die Ufer treten.

Im Sommer wird das Wasser knapper

Obwohl es bis jetzt keine Anzeichen dafür gibt, dass die Niederschläge in der Schweiz, übers ganze Jahr gemittelt, abnehmen werden, wird man in Zukunft haushälterischer mit dem Wasser umgehen müssen. Wegen der steigenden Temperaturen wird in den Alpen im Winter weniger Wasser als Schnee oder Eis gespeichert. Das führt dazu, dass sich die Abflüsse von den Sommermonaten in die Frühlings- oder Wintermonate verlagern. Betroffen davon sind vor allem die Land- und die Stromwirtschaft. Sie müssen damit rechnen, dass in Zukunft im Sommer weniger Wasser zum Bewässern der Felder und zum Nachfüllen von Stauseen zur Verfügung steht.

Um möglichen Konflikten vorzubeugen, muss man sich bereits heute Gedanken um das zukünftige Wassermanagement machen. Eine der vorgeschlagenen Massnahmen ist der Bau zusätzlicher Speicherseen, in denen das Schmelzwasser gewissermassen bis in den Sommer konserviert werden kann. Damit Politik und Wirtschaft angemessen auf die zukünftigen Herausforderungen reagieren können, berechnen Forscher gegenwärtig neue Klimaszenarien für die Schweiz, die 2018 publiziert werden. Dem Thema Wasserressourcen soll dabei ein eigener Bericht gewidmet werden.