Dies & Das: Aber grün ist er nicht…Streiflichter vom 27.11.2020

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Franz Klug

27. November 2020

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Drei Thesen zum grünen Rathausklub

Birgit Hebeins Demontage wäre nicht notwendig gewesen, findet Franz Klug, Gründungsmitglied der Grünen und ehemaliger Tiroler Landtagsabgeordneter, im Gastkommentar. Lesen Sie dazu auch den Gastkommentar von Judith Pühringer und die Replik von Helmut Brandstätter.

Wichtige Grundwerte für die Grünen sind Basisdemokratie und Solidarität. Diese Grundwerte existieren leider im Wiener Rathausklub schon lange nicht mehr, und das Nichtleben dieser Grundwerte verhindert einen schon lange überfälligen starken grünen Aufbruch in Wien.

Grüner „Substanzdualismus“

1. Die Basisdemokratie wurde mit dem Beschluss des Wiener Rathausklubs, das Ergebnis der eigenen grünen Urabstimmung zu ignorieren, verraten. Die grüne Basis in Wien votierte ja mit knapper Mehrheit gegen den Heumarktturm. Verkauft wurde die Ablehnung des Ergebnisses dieser Urabstimmung gegenüber der Öffentlichkeit und der eigenen Basis mit der Erfindung eines Substanzdualismus. Die grüne Partei sei eine eigene Substanz und der grüne Rathausklub in Wien ebenfalls, daher brauche sich der grüne Rathausklub nicht an Parteibeschlüsse zu halten. Mit dieser Position wird unterschlagen, dass es den grünen Rathausklub nur gibt, weil es eine grüne Partei gibt!

Mit der Haltung, der Rathausklub sei völlig unabhängig von der Partei, wird die Partei zu einem reinen Wahlunterstützungsverein des Rathausklubs degradiert. Aufgrund dieser Ignoranz gegenüber der eigenen Basis wählten viele Menschen bei der darauffolgenden Nationalratswahl die Liste Pilz – und die Grünen flogen aus dem Nationalrat. Da in Wien nur ein paar tausend Stimmen für das Nationalratsmandat fehlten, war der grüne Rathausklub mitverantwortlich für das Rausfliegen der Grünen aus dem Parlament.

Keine Solidaritätskultur

2. Solidarität ist einer der Grundwerte der Grünen. Hochgehalten wird die Solidarität vor allem im Rahmen der internationalen Solidarität, wo gerne der berühmte Che-Guevara-Satz „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“ zitiert wird. Bei den Grünen ist sicher die Anzahl von Menschen am höchsten, die in internationalen Solidaritätsprojekten mitgearbeitet haben – angefangen mit der Nicaragua-Bewegung bis Cuba Sí –, doch trotzdem ist es ihnen nicht gelungen, eine umfassende innerparteiliche Solidaritätskultur zu etablieren.

Die von der Basis als Listenerste gewählte Birgit Hebein hat im Rathausklub keine Funktion mehr. Ihre Demontage soll ein parteiinterner Ausschuss aufarbeiten.
Foto: APA / Helmut Fohringer

Überfälliger großer Aufbruch

3. Solange der Wiener grüne Rathausklub die grünen Grundwerte wie Basisdemokratie und Solidarität ignoriert und die eigene Basis eher als Belästigung empfindet, die man nur bei den Wahlen braucht, wird es auch keinen schon lange überfälligen großen Aufbruch der Wiener Grünen geben. Die Wiener Grünen müssen ja nicht gleich 29 Prozent der Stimmen machen wie die Münchner Grünen oder einen grünen Bürgermeister, wie Georg Willi in Innsbruck, anstreben, aber das seit Jahrzehnten selbstverschuldete Verharren in der Zone von zehn bis 15 Prozent schwächt die Grünen österreichweit unnötig. Vielleicht merkt auch der selbstgenügsame und solidaritätsverweigernde grüne Rathausklub im Hegel-Jahr 2020: „An diesem, woran dem Geiste genügt, ist die Größe seines Verlustes zu ermessen.“ (Franz Klug, 27.11.2020)

Franz Klug ist Gründungsmitglied der Grünen, war zwei Jahre Gemeinderat in Innsbruck und zehn Jahre Abgeordneter im Tiroler Landtag. Er lebt in München.

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