Thema Gesellschaft & Politik…#4.0

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Der Blick von außen: Des Kanzlers Kampf mit der Justiz

  • Österreichs Kanzler Sebastian Kurz liegt im Clinch mit der eigenen Justiz.
  • Sein Vorwurf: Parteilichkeit zu Lasten der ÖVP. Ein Runder Tisch soll Klarheit bringen.
  • Kurz‘ Herangehensweise irritiert derweil auch den Koalitionspartner.
Foto: Georges Schneider/imago

Vorladung oder Einladung? Über „Defizite und Verbesserungspotenziale“ wollte Sebastian Kurz (Mitte) im Kanzleramt mit Vertretern der Justiz sprechen.

Sebastian Kurz lässt nicht locker. Österreichs Kanzler hat sich auf einen zähen Streit mit der Justiz eingelassen. Parteilichkeit sieht er dort am Werk – vor allem zulasten seiner ÖVP und zuvörderst betrieben von vermeintlich linken Ermittlern bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Seit Tagen gibt es ein Trommelfeuer von Vorwürfen, und selbst nach einem am Montag zur Streitschlichtung angesetzten Gespräch im Kanzleramt lässt Kurz mit neuen Details aufhorchen. Standesvertreter und die Opposition fragen laut, was der Kanzler mit diesem Kurs bezweckt: Will er den Ermittlungselan gegen Parteifreunde eindämmen? Oder will er gar die unabhängige Justiz an die Kandare nehmen? Auslöser der Affäre ist ein Hintergrundgespräch mit österreichische Journalisten, bei dem Kurz seiner Wut über die WKStA offenbar freien Lauf ließ.

Wie bei solchen Zusammenkünften üblich, war Vertraulichkeit vereinbart, doch das linksalternative Magazin Falter , von dem niemand bei dem Gespräch anwesend war, veröffentlichte hinterher unter Berufung auf Teilnehmer ein paar Sequenzen mit Sprengkraft. Gerechtfertigt wurde dies damit, dass Kurz „demokratiehygienische Grenzen“ überschritten habe. Demnach schimpfte er dort über ein Netzwerk roter Staatsanwälte, die mit Vorliebe ÖVP-Politiker aufgrund anonymer Anzeigen verfolgten und die Akten dazu an die Öffentlichkeit spielen würden. Unschwer zu erkennen ist, dass sich diese Philippika wohl unter anderem auf den Fall des früheren ÖVP-Finanzministers und Kurz-Freundes Hartwig Löger bezog, gegen den die Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen eines mutmaßlichen Postenschachers bei der Casinos Austria AG ermittelt.

Nach Veröffentlichung durch den Falter bestritt Kurz zwar die Wortwahl, aber nicht die Stoßrichtung seiner Kritik. Auf Proteste reagierte er damit, dass er zu einem „runden Tisch“ ins Kanzleramt einlud, um mit Standesvertretern über „Defizite und Verbesserungspotenziale“ bei der Justiz und speziell der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu sprechen.

Von den Eingeladenen wurde dies allerdings eher als Vorladung empfunden, und überrollt von diesen Attacken aus dem Kanzleramt wurde auch die grüne Justizministerin Alma Zadić. Sie hat das zuvor zwölf Jahre von der ÖVP geführte Ministerium gerade erst übernommen und erklärte, sie habe in der Justiz noch „keine Netzwerke“ gesehen. Zum Flankenschutz stellte auch der grüne Vizekanzler Werner Kogler klar, dass es aus seiner Sicht dort keine politische Schlagseite gebe. Kurz hatte mit seinen Attacken also nicht nur in der Justiz, sondern auch beim Koalitionspartner für Irritationen gesorgt. Um die Gemüter zu beruhigen, wurde der von ihm angesetzte „runde Tisch“ schließlich von Zadić heruntergestuft zu einer „Aussprache“ darüber, wie man die WKStA „stärken“ könne.

Von diesem Treffen, zu dem sich Kurz, Zadić, die Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler sowie Vertreter der Richter und der Staatsanwaltschaft schließlich an einem eckigen Tisch versammelten, ging dann am Montag tatsächlich zunächst ein Signal der Entspannung aus. Drei Vorschläge wurden präsentiert als „Startschuss für Reformen“. Einigkeit herrschte darüber, dass die Justiz mehr Geld bekommen soll, um Verfahren schneller abwickeln zu können. Zudem soll – als Konsequenz aus einer später für rechtswidrig erklärten Hausdurchsuchung der WKStA beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung – der Rechtsschutz verstärkt werden. Außerdem soll mit digitalen Schutzmaßnahmen die von Kurz angeprangerte Herausgabe vertraulicher Akten an die Medien erschwert werden. Im Gespräch ist dazu zum Beispiel ein digitales Wasserzeichen, mit dem man die Quelle der Akte identifizieren könnte.

Zadić sprach hinterher von einem „konstruktiven Gespräch“. Kurz versicherte, „wir wollen eine gut ausgestattete Justiz“ – und dann ging er wieder zum Angriff über. Von zwei namentlich nicht genannten „hochrangigen Journalisten“ berichtete er, die ihm gegenüber versichert hätten, sie hätten Akten direkt aus der Justiz erhalten. Damit trat er gleich eine neue Lawine los. Denn die Oppositionsparteien FPÖ und Neos sehen in den Aussagen des Kanzlers einen Hinweis auf Amtsmissbrauch in der Justiz und kündigten Anzeigen an. Die Staatsanwaltschaft Wien nahm sogleich Ermittlungen gegen unbekannt auf. Wenn es nach FPÖ und Neos geht, soll Kurz nun dazu unter Wahrheitspflicht als Zeuge aussagen.