Dies & Das: Wie hängen Atmosphäre und Umweltverschmutzung zusammen?

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Wie hängen Atmosphäre und Umweltverschmutzung zusammen?

In Sachen Umweltverschmutzung ist es notwendig, global zu denken und nicht nur auf regionale Maßnahmen zu setzen, weiß Meteorologe Andreas Stohl zu berichten

Andreas Stohl ist Meteorologe an der Universität Wien.
Foto: Barbara Mair

Während in der Natur weggeworfener Müll zunächst an seinem Ort verbleibt, kennt Luftverschmutzung keine Grenzen. Abgase oder Partikel, die wir Menschen in die Atmosphäre freisetzen, können mit dem Wind über sehr große Entfernungen transportiert werden und auch entlegenste Gegenden erreichen. Dabei bleibt es oft nicht bei einer Verschmutzung der Luft, denn viele Schadstoffe können sich am Boden absetzen oder vom Regen aus der Atmosphäre ausgewaschen werden und so Böden, Seen und Meere weltweit belasten.

Schon die Römer verschmutzten die Luft

Beim Abbau von Silber in Bergwerken in Europa wurde schon vor mehr als 2000 Jahren Bleistaub freigesetzt. Die Verwendung von Trinkgefäßen und anderen Gegenständen aus Blei führte zu chronischen Vergiftungen. Der Bleistaub wurde in der Atmosphäre auch über weite Strecken transportiert, unter anderem bis nach Grönland, wo sich das Blei im Eis wie in einem Archiv ablagerte. Analysen von Eisbohrkernen zeigen sehr schön, dass man am zeitlichen Verlauf der Bleiablagerungen die wirtschaftliche Lage im Römischen Reich, Kriege und Seuchen ablesen kann, die alle den Silberabbau – und damit die Bleiemissionen – beeinflussten

Saurer Regen

Die Bleiemissionen der Römerzeit waren noch relativ gering und die Bleikonzentrationen im Grönlandeis zwar gut nachweisbar, aber nicht bedenklich. Der Gebrauch von verbleitem Benzin sorgte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings für noch viel größere Emissionen, und dementsprechend erreichten die Bleiablagerungen im Grönlandeis eine völlig neue Größenordnung. Damit wurde Blei in der Luft zu einem Problem der gesamten Nordhemisphäre. Inzwischen wurden die Emissionen u.a. durch das Verbot von verbleitem Benzin wieder stark reduziert, und damit auch die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Allerdings werden bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe auch viele andere Schadstoffe freigesetzt. In den 1950er und 1960er Jahren hielt man das noch für ein Problem der Städte, das lokal gelöst werden kann. In den darauffolgenden Jahrzehnten stellte sich aber heraus, dass die Atmosphäre die Schadstoffe über den gesamten Kontinent verteilt. Man entdeckte zum Beispiel, dass Fische in den norwegischen Seen durch Versauerung der Gewässer starben. Die Schwefel-Emissionen, die für die Versauerung sorgten, wurden über die Atmosphäre aus West- und Mitteleuropa herantransportiert. Auch diesem „Sauren Regen“ ließ sich durch Reduktion der Schwefel-Emissionen gegensteuern und inzwischen sind auch die norwegischen Seen wieder deutlich weniger sauer.

Ozon und andere Luftschadstoffe

Immer mehr zeigte sich aber, dass über Mitteleuropa und an der West- und Ostküste Nordamerikas riesige Schadstoffglocken hängen. Es handelt sich dabei um einen komplizierten Mix aus Stickoxiden und anderen Gasen, Partikeln und sekundär gebildeten Luftschadstoffen wie das Ozon. Diese Schadstoffglocken hängen immer noch über Europa und Nordamerika, sind aber mittlerweile über Asien noch um einiges schlimmer.

Interkontinentale Luftverschmutzung

Zur Entdeckung, dass Luftverschmutzung nicht nur auf einzelne Kontinente beschränkt bleibt, sondern in der Atmosphäre auch von Kontinent zu Kontinent geblasen wird, durfte ich Ende der 1990er Jahre selbst viel beitragen. Heute weiß man, dass es – zum Beispiel beim Ozon – sehr schwierig sein kann, Grenzwerte nur durch regionale Maßnahmen einzuhalten. Der Import steigender Ozonkonzentrationen aus den riesigen industrialisierten Ballungsräumen in Asien bereitet etwa in Nordamerika große Probleme und ist auch bei uns nicht zu vernachlässigen. Und auch die Kernkraftwerksunfälle in Tschernobyl und Fukushima haben gezeigt, dass Luftverschmutzung – in dem Fall radioaktive Substanzen – sich sehr weit verteilen kann.

Mikroplastik überall

Aktuell wird vor allem über Mikroplastik viel diskutiert. Man hat es schon überall nachgewiesen. In Nationalparks genauso wie in der Arktis und selbst in der Antarktis. Über die Atmosphäre können kleinste Plastikpartikel, die aus Reifenabrieb, Textilien und vielen anderen Quellen stammen, praktisch überall hingelangen. Längst haben wir es mit einer Plastifizierung der Umwelt zu tun, die dafür sorgt, dass Mikroplastik nicht nur direkt von uns freigesetzt wird, sondern auch aus sekundären Quellen stammt. So wird etwa vermutet, dass der Ozean und landwirtschaftliche Nutzflächen bereits so verschmutzt sind, dass sie heutzutage selbst riesige Quellen für Mikroplastik sind, die wiederum Mikroplastik in die Atmosphäre freisetzen, das wir wiederum einatmen. So können auch größere Plastikpartikel, die in der Atmosphäre sonst eigentlich nicht so weit transportiert werden, wie Grashüpfer immer wieder durch die Atmosphäre „springen“. Damit werden eben selbst die entlegensten Regionen der Welt mit Plastik verschmutzt. Natürlich steigt damit auch die Belastung der Luft mit Mikroplastik insgesamt, auch hier bei uns. Die kleinsten dieser Plastikpartikel erreichen mit der Atemluft unsere Lungen und von dort wohl auch unsere Blutbahn. Wir können leider nur darüber spekulieren, was das für unsere Gesundheit bedeutet.

Fazit

Der Import steigender Ozonkonzentrationen aus den riesigen industrialisierten Ballungsräumen in Asien bereitet etwa in Nordamerika große Probleme.
Foto: AP/Meissner

Transport durch die Atmosphäre bewirkt, dass wir das Problem der Umweltverschmutzung nicht lokal oder regional lösen können, sondern globale Maßnahmen notwendig sind. Wir Menschen beeinflussen wahrlich den gesamten Planeten – wir befinden uns im Zeitalter des Anthropozäns.

Wie können Sie die Umweltverschmutzung reduzieren?

Können wir die Verantwortung ganz auf die Regierungen oder gar internationale Organisationen abschieben? Wenn wir hier in Österreich nicht handeln, können wir erwarten, dass ärmere Länder vor uns damit anfangen? Oder gilt hier nicht wie beim Klima auch: Global denken – lokal handeln? Sind also nicht Sie, liebe Leserin, lieber Leser, Teil der Lösung des Problems? (Andreas Stohl, 4.5.2021)

Andreas Stohl ist Meteorologe an der Universität Wien. Seine Forschung konzentriert sich auf Transportprozesse in der Atmosphäre und ihre Modellierung. Er untersucht Luftschadstoffe, Radioaktivität und Treibhausgase und verwendet die Transportmodellierung, um deren Konzentrationen in der Umwelt, aber auch ihre Quellen anhand atmosphärischer Messungen abzuschätzen.

Hinweis: Die „Semesterfrage“ ist eine entgeltliche Einschaltung in Form einer Kooperation mit der Universität Wien. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim STANDARD.

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