Dies & Das: Bald kein Feld mehr im Donaufeld?

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Stadtplanung

Michael Schmid

25.05.2021

Bald kein Feld mehr im Donaufeld?

Im 22. Bezirk wird verstärkt gebaut – auf Kosten guter landwirtschaftlicher Böden, beklagen Kritiker.

Ackerflächen am Fuße von UNO-City und Donauturm. Der Boden im Donaufeld gilt als besonders fruchtbar. © Michael Schmid

Gackernde Hühner scharren in der Erde hinter einem alten Bretterzaun. Ein paar Enten quaken. Sattes Grün auf den Feldern ringsum. Radelnde Familien teilen sich die schmalen Wege mit Joggern und Sonntagsspaziergängern. Vogelgezwitscher ist zu hören. Braunkehlchen, Neuntöter, Mehl- und Rauchschwalbe sind hier zu Hause. Die seltene und streng geschützte Wechselkröte hat hier eines ihrer größten Habitate. Im Donaufeld scheint die Welt noch in Ordnung. Doch dieser Schein trügt. Die Idylle ist bedroht.

Die Kräne im Osten und Norden der Naturenklave wirken wie die Vorboten der Zukunft. Die Aussicht auf schnelles Betongold lockt Baufirmen, Immobilienentwickler und Wohnbaugesellschaften. Ein Teil der noch grünen Flächen ist bereits in Bauland umgewidmet. Die Pläne für die Gestaltung des künftigen „Quartiers An der Schanze“ im Südostteil des Donaufeldes sind fertig.

Auf der Website der Internationalen Bauausstellung Wien (IBA) findet man Kurzbeschreibungen und Ansichten der einzelnen Wohnblocks sowie einen Lageplan. Kreative Köpfe haben sich fantasievolle Namen für die verschiedenen Projekte einfallen lassen. „Gut gerüstet“ beispielsweise oder „Fünf Freunde“, „Donaufelder Freundschaften“ und „Treibhaus Donaufeld“ gibt es da. Die dazugehörige Architektur sieht großteils so aus, wie sich wohl strenge Kostenrechner einen ertragsoptimalen Wohnbau vorstellen. Doch darüber zu diskutieren ist müßig. Im Donaufeld geht es um eine viel wichtigere Frage. Nämlich: Wie viel Grünland und Ackerboden soll und darf in Wien noch verbaut werden?

„Europameister im Verlieren natürlicher Bodenfläche“

„Österreich ist trauriger Europameister im Verlieren natürlicher Bodenfläche“, sagt das EU-Umweltbüro. 20 Hektar natürlicher Böden werden hierzulande täglich zugebaut. Dieses Schicksal könnte nun auch dem Donaufeld bevorstehen. Dabei gibt es gerade hier allerbestes Ackerland, mit tiefgründig humosen Böden, die wegen „des Feinsediments, auf dem sie entstanden sind, über gute Wasserspeicherfähigkeit verfügen und dank des Mineralbestands gut mit Nährstoffen versorgt sind“, wie Walter Wenzel vom Institut für Bodenforschung an der Universität für Bodenkultur (Boku) erklärt. Die Digitale Österreichische Bodenkarte mit allen wesentlichen Informationen ist zwar frei im Internet zugänglich, „doch leider sieht sich die Politik diese Unterlagen nicht an, bevor Entscheidungen getroffen werden“, konstatiert Bodenexperte Wenzel.

Die Politik hat mehrheitlich einen anderen Fokus. Jedenfalls im Gemeinderat, wo die Baulandwidmungen beschlossen wurden und in Floridsdorf. Eine Umfrage der „Wiener Zeitung“ bei den Bezirksparteien ergibt eine deutliche Tendenz. SPÖ, ÖVP, FPÖ und Neos wollen, dass gebaut wird. Während Neos und ÖVP sich bei der Anzahl der künftigen Wohnungen nicht festlegen, will die FPÖ maximal 3.000 und die SPÖ, die im Leitbild Donaufeld definierten 6.000 Wohnungen.

Es seien bereits „zigtausende Menschen für die Wohnungen im neuen Stadtteil ‚An der Schanze‘ angemeldet“, behauptet Bernhard Herzog von den Sozialdemokraten. Für Mensch und Natur sieht Herzog in der Verbauung nur Vorteile. Denn „heute gibt es kaum Bäume vor Ort, aber im neu entwickelten Donaufeld werden viele neue Bäume wachsen“. Auch dem Klima soll geholfen werden. Es würden „Grünbereiche als ‚Stadtwildnis‘ angelegt, in denen geschützte Tiere wie die Wechselkröte ein besseres Lebensumfeld vorfinden, als dies bisher der Fall war.“

In dieselbe Kerbe schlägt Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ). „Das Donaufeld wurde bisher zwar gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzt, aber ohne Erholungs- und Nutzungswert durch die Bevölkerung.“ Im Falle der kompletten Bebauung sollen zwei sogenannte Grünzüge – Querungsachsen zum Spazierengehen und Radfahren – das „Donaufeld im Endausbau von Ost nach West und von Nord nach Süd begeh- und erlebbar“ machen.

Klar anders positioniert sind die Grünen und Hans Jörg Schimanek von der Initiative „Wir für Floridsdorf“ (Wiff). Beide hätten am liebsten gar keine Verbauung des Donaufeldes, sondern die grüne Oase mit ihren Biobetrieben und der Artenvielfalt erhalten. Sollte das nicht möglich sein, will Schimanek höchstens 25 Prozent verbaute Fläche und nicht mehr als 1.800 Wohnungen, dazu ein Geriatriezentrum. Für die Grünen hat die Architektin und Bezirksrätin Ursula Hofbauer einen eigenen Plan entworfen, auf dem der Bereich südlich der Nordmanngasse für Biolandwirtschaft freigehalten wird.

Eben diese Biolandwirtschaft mit ihren sensationell fruchtbaren 11.000 Jahre alten Böden macht die Einzigartigkeit des Donaufeldes aus. Die Menschen aus der Umgebung stehen jede Woche Schlange, um an der Bioschanze frisches Gemüse in bester Qualität zu erhalten. Der benachbarte Brombeerbauer und Gartengestalter Martin Freimüller kann die enorme Nachfrage nach seinen Früchten gar nicht decken. Seit mehr als 200 Jahren ist seine Familie in der Gegend bäuerlich tätig. Auf seinem Grund, der eine Humustiefe von bis zu dreieinhalb Metern aufweist, wurden früher Gemüse und Getreide angebaut. Jetzt würde er gerne expandieren und zu den Brombeeren noch Himbeeren pflanzen.

Initiative setzt sich für Rückwidmung ein

Die Rückwidmung der neuerdings als Bauland deklarierten Areale und die Eingliederung des Donaufeldes ins „Wiener Immergrün“ wünscht sich die Initiative „Freies Donaufeld“. Laut dem „Leitbild Grünräume neu“ der Stadt Wien sind die Flächen des „Wiener Immergrün“, wie es heißt, „für immer als hochwertige Grünräume geschützt. Dort darf nicht gebaut werden“. Margit Spacek und Robert Alder sprechen für die Initiative „Freies Donaufeld“. Spacek ist Doktorin der Zoologie, Alder bei der Statistik Österreich für Umweltfragen zuständig und zudem für die EU tätig. Laut Alder und Spacek ist die Verbauung gar nicht notwendig.

Es gebe laut Rechnungshofbericht in Wien rund 7.000 leerstehende Gemeindewohnungen, 700 davon in Floridsdorf. Dazu kommt ein Potenzial von insgesamt 131 Hektar an überbaubaren Fach- und Supermarktarealen mitsamt Parkplätzen. Deren Nutzung sei auf lange Sicht allemal lohnender als die Vernichtung der letzten wertvollen Bodenressourcen, betonen Alder und Spacek. Schließlich sorgen genau diese für unser gesundes Wiener Frischgemüse gleich ums Eck.