Dies & Das: Die Gletscher der Erde schwinden immer schneller

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Die Gletscher der Erde schwinden immer schneller

Der Eisverlust wurde zuletzt vor allem in Nordamerika stärker. Das ist eines der Resultate einer grossen Auswertung von Satellitenbildern, an der auch Forschende in der Schweiz mitwirkten.

Die Gletscher des Himalajas und Karakorums sind eine wichtige Trinkwasserquelle für Pakistan, doch sie schwinden rasant aufgrund der globalen Erderwärmung. Im Bild zu sehen ist der Gletscher am Fusse von Rakaposhi, einem 7788 m hohen Berg im Karakorum-Gebirge.
Paula Bronstein / Getty

Die Gletscher der Erde schrumpfen – nicht nur in den Alpen, sondern weltweit: Von 2000 bis 2019 verloren sie pro Jahr 267 Milliarden Tonnen Eis. Mit dem Volumen des Schmelzwassers könnte man die Schweiz sechs Meter unter Wasser setzen. Die Menge entspricht einem jährlichen Meeresspiegelanstieg von 0,74 Millimetern, das ist ein Fünftel des gesamten Anstiegs. Diese aktuellen Daten gehen aus einer Studie hervor, die von Forschern in Zürich und Toulouse geleitet wurde. Sie ist jetzt im Wissenschaftsmagazin «Nature» nachzulesen.

Das Schrumpfen der Gletscher hat sich auch beschleunigt: Von 2000 bis 2004 verloren sie allesamt 227 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr, von 2015 bis 2019 hingegen 298 Milliarden Tonnen, also 31 Prozent mehr. Knapp die Hälfte der Beschleunigung geht auf das Konto von Gletschern im Westen von Nordamerika, wo die Niederschläge teilweise markant zurückgingen.

Auch die Karakorum-Gletscher schrumpfen

Einer der Studienautoren, Matthias Huss von der ETH Zürich, hebt hervor, dass die Karakorum-Anomalie zu Ende zu gehen scheint. In dem asiatischen Gebirge, das sich westlich an den Himalaja anschliesst, stagnierten die Gletscher zuvor. Jetzt beginnen sie aber auch dort zu schwinden. Kleiner wurde der Eisverlust gemäss der Studie nur an der Südostküste von Grönland und auf Island, bedingt durch grössere Kälte und höheren Niederschlag in der Region.

Jährlicher Eisverlust

Weltweit schrumpfen die Gletscher immer mehr. Der Gesamtverlust wird in Milliarden Tonnen Eis pro Jahr angegeben.

Der ermittelte globale Eisschwund ist zwar ähnlich gross wie in früheren Studien, aber die Detailliertheit und Genauigkeit der Auswertung sind neu. Weltweit werden nur wenige hundert Gletscher kontinuierlich vermessen, viele grosse Eiszungen in entlegenen Regionen entgehen einer direkten Beobachtung. Dank Bildern von Satelliten und Flugzeugen konnte die Studie mehr als 217 000 Gletscher erfassen. Das sind so viele wie noch nie – und fast alle, die es auf der Erde gibt. Ausgenommen von der Untersuchung waren nur die grossen Eisschilde von Grönland und Antarktis.

Stereoaufnahmen vom Satelliten

Die Wissenschafter um Romain Hugonnet, der ebenfalls an der ETH Zürich arbeitet, analysierten für die Studie zunächst Aufnahmen vom 1999 gestarteten Nasa-Satelliten «Terra». Ein Messinstrument an Bord empfängt Lichtsignale in mehreren Wellenlängenbereichen. Die Stereoaufnahmen erlaubten es, Höhenveränderungen von Gletschern zu errechnen und daraus Veränderungen der Eismassen abzuleiten. Anschliessend überprüften die Forscher ihre Resultate mittels Aufnahmen von «Icesat», einem weiteren Nasa-Satelliten, sowie mittels Bildern, die beim Überfliegen von Gletschern gemacht wurden. Dieses Vorgehen verbesserte die Genauigkeit gegenüber früheren Studien ungefähr um den Faktor zehn.

Gemäss dem letzten grossen Bericht des Uno-Klimarats setzte der weltweite Gletscherschwund Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Der Schwund hat sich seitdem immer weiter fortgesetzt. Er wird hauptsächlich auf die globale Erwärmung zurückgeführt. Laut den Autoren der neuen Studie dienen genaue Messdaten wie die von ihnen vorgelegten auch dazu, sich auf eine mögliche Wasserknappheit in Gebieten einzustellen, deren Flüsse von Gletschern gespeist werden. Dies könnte beispielsweise in einigen Jahrzehnten in weiten Teilen Zentralasiens und in Südamerika der Fall sein.