Dies & Das: Akrobatik in der Tierwelt

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Wie Eichhörnchen springen

Forscher analysieren die Beweglichkeit der Baum-Akrobaten als Vorbild für geschicktere Roboter.

Wie ein Flug durch die Lüfte macht sich der Sprung des Eichhörnchens aus. Die Nager legen Punktlandungen selbst auf dünnsten Ästchen hin.
© dpa / Patrick Seeger

Sie springen in Baumkronen von Ast zu Ast und landen selbst auf fragilen Seitensprossen wie Artisten: Die akrobatisch anmutende Beweglichkeit der Eichhörnchen hat ein US-Forschungsteam analysiert, um besser zu verstehen, wie die Tiere Entscheidungen treffen, ob, wann, wie und wohin sie springen. Die Erkenntnisse sollen in den Bau neuartiger, agiler Roboter einfließen, die behände und flink selbst auf unwegsamen Landschaften unterwegs sein könnten.

Den Eichhörnchen sind ihre fast schwerelos aussehenden Sprünge keineswegs in die Wiege oder besser gesagt in den Kobel gelegt. Vielmehr müssen die Baum-Akrobaten zwischen verschiedenen Möglichkeiten abwägen und dabei die beste Sprungtechnik erlernen. Doch wie machen sie das? Der Biologe Robert Full untersucht mit seinem Team an der University of California in Berkeley, wie Geckos, Küchenschaben und Eichhörnchen ihre Glieder einsetzen, um selbst in ungemütlichen Lagen auf den Füßen zu landen.

„Dabei haben wir uns gefragt, wie die Tiere ihre eigenen, biomechanischen Fähigkeiten einschätzen, um abzuleiten, ob sie eine Landung ausführen können, und ob wir diesen Entscheidungsprozess aus der Art der Bewegung ablesen können“, wird der Professor für Integrative Biologie in einer Aussendung zu der im Fachmagazin „Science“ publizierten Bewegungsstudie zitiert: „Die Eichhörnchen müssen nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Umgebung richtig einschätzen.“

Zusammen mit Nathaniel Hunt, Assistenzprofessor für Biomechanik an der Universität Nebraska in Omaha, hat Full ein Experiment mit frei lebenden Eichhörnchen auf dem Campus seiner Universität unternommen. Die Nager mussten von unterschiedlich gearteten Start-Rampen über verschieden weite Distanzen zu variabel angebrachten Zielen springen, um Nüsschen zu erreichen. Manche Rampen waren lang, manche kurz. Andere gaben Bewegungsdruck nach und andere wiederum waren rigide.

Wie die Forscher in einem Video zu ihrer Studie demonstrieren, kapierten die Tiere bereits nach wenigen Versuchen, wie sie sich quasi mitten im Flug, also während des Sprungs, drehen und wenden müssen, um sicher aufzukommen, egal, wie die Ausgangslage sich darstellte. Sie verhielten sich dabei ein bisschen wie in einem Parkour, bei dem man nur mit den Fähigkeiten des eigenen Körpers möglichst effizient von A nach B gelangt. Wo notwendig, stießen sie sich mit den Füßen von senkrechten Wänden ab, um Schwung zu holen.

Eichhörnchen adjustieren ihr Manöver, je nachdem, wie stabil ihnen das Ziel erscheint. Sie sind vorsichtiger, wenn sie von nachgiebigen, schwachen Ästchen abspringen, doch auch hier gewöhnen sie sich nach wenigen Versuchen an die Umstände und führen den Sprung mit der bestmöglichen Technik aus. „Wenn sie über einen Abgrund springen, wägen sie ab zwischen der Stabilität des Astes und der Distanz, die es zu überwinden gilt, und passen die Technik im Tun an“, erklärt Hunt. „Dieses flexible Verhalten ist entscheidend, um Punktlandungen auf kleinräumigen Zielorten hinzulegen.“

Nicht alle Aufgaben fallen den Tieren gleich leicht. Die Nachgiebigkeit der Startrampe stellte ein sechs Mal so großes Hindernis dar wie die zu überwindende Distanz. Laut den Forschern könnte das daran liegen, dass Eichhörnchen Fehlberechnungen mit ihren scharfen Krallen kompensieren, die sich als gegen Bruchlandungen ausfallsicher erwiesen. Zwar lieferten die Tiere nicht in allen Fällen die eleganteste Performance, doch immer erwischten sie das Landeziel wenigstens gerade noch. „Sie müssen bloß gut genug sein, um sich festzuhalten und nicht herunterzufallen. Und das können sie ausgezeichnet gut“, sagt Hunt.

Modelle für Körperkontrolle

Eichhörnchen schwingen unter dem Ast, rollen sich über ihn oder drehen sich um ihn herum, um sich zu stabilisieren, aber sie fallen nicht. Wenn sie zu schnell oder zu langsam ansetzen, kompensieren sie die verfehlte Peilung mit anderen Techniken. Die Kombination aus adaptivem Planungsverhalten, zunehmender Kontrolle und reaktiven, stabilisierenden Manövern helfe ihnen, ihre Umwelt in Windeseile zu durchqueren, so die Forscher.

„Aus dem besseren Verständnis dieser Körperkontrolle können wir Modelle erstellen, mit denen sich smarte Roboter bauen lassen, die weitaus agiler sind als bisher“, sagt Full. Eine Anwendung könnten Geräte sein, die nach Katastrophen nach Überlebenden suchen, die unter Schutt und Asche liegen.