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Die neue Mobilität

Rudolf Skarics

25. Oktober 2021

Alternativen zum Elektroantrieb: Wasserstoff, Methan und Ammoniak

Mit dem Elektroauto allein wird sich eine rasche CO₂-Reduktion im Verkehr nicht erreichen lassen. Genau deshalb ist ein Ende des Verbrennungsmotors noch nicht abzusehen

Das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz veranstaltete kürzlich die Tagung „Nachhaltigkeit in Mobilität, Transport und Energieerzeugung“. Geboren aus der fokussierten Idee, den Verbrennungsmotor sauberer und sparsamer zu machen, ist aus dieser alle zwei Jahre stattfindenden Veranstaltung aufgrund neuer Herausforderungen ein Forum mit Weitblick geworden.

Bereits vor 16 Jahren wurde, als Spin-off der TU Graz, das Wasserstoff-Forschungszentrum HycentA gegründet. Seither besteht Tür an Tür ein technologieoffener Wettbewerb zwischen Brennstoffzelle und Verbrennungsmotor, denn beide kann man mit Wasserstoff betreiben. Die Sinnhaftigkeit der Forderung nach technologieoffener Entwicklung wird an diesem Beispiel offensichtlich.

BMW: Chancen für die Brennstoffzelle im Premium-Pkw-Segment. Foto: BMW

Verschiedene Formen der Elektroantriebe kamen auf dem Kongress genauso zur Sprache wie bewährte und weniger bekannte Verbrennungskonzepte. Klare Erkenntnis: Die Keimzelle der Entscheidungsfindung ist gar nicht die Apparatur, mit der die gespeicherte Energie in Bewegung umgewandelt wird, sondern der Energieträger selbst, der zum jeweiligen Zweck am jeweiligen Ort zur Verfügung steht.

War früher die Antriebstechnik eine Domäne des Maschinenbaus, bewegt sie sich jetzt in Richtung Chemie, Elektrotechnik und Elektronik, und zwar in einer Geschwindigkeit, die man durchaus als disruptiv bezeichnen kann, also die bisher eingeübten wirtschaftlichen Abläufe störend.

Wolfgang Anzengruber, ehemaliger Verbund-Chef, sieht in den neuen Energieträgern vor allem eine gigantische Herausforderung bei der Speicherung: „Der Bedarf an Speicherkapazität wird vor allem durch die Volatilität der erneuerbaren Stromerzeugung und den erforderlichen saisonalen Ausgleich massiv steigen.“

Brennstoffzelle und Wasserstoffverbrenner liegen im Lkw Kopf an Kopf.
Foto: Deutz

Zentrale Herausforderung ist es, diese enormen Mengen an fossiler Energie, die derzeit weltweit in Tanks und Erdgasleitungen spontan abrufbereit lagern, durch regenerative Energieträger zu ersetzen. Anzengruber: „In dem Zusammenhang kommt den Power-to-Gas-Anwendungen in Form von Wasserstoff und synthetischem Methan eine besondere Bedeutung zu, insbesondere bei großvolumigen und langfristigen Speicheranforderungen.“

Die Entwicklung von Apparaten, die gespeicherte Energie in Bewegung umwandeln, wird aus zwei Richtungen beeinflusst: der Verfügbarkeit des Energieträgers und den Anforderungen an die Maschine. Der technische Status quo spielt natürlich auch eine Rolle, von dem aus man die Frage stellen muss, wie komme ich am schnellsten zur größtmöglichen CO₂-Reduktion.

CO₂-Themenverlagerung

Die Diskussion dreht sich kaum mehr um das Thema Personenwagen. Hier sind die Einsatzmöglichkeiten der Batterietechnologie gut, eine Ladeinfrastruktur auch kostenseitig machbar. Das CO₂-Thema wird damit zur Stromherstellung, sowohl fürs Fahren als auch für die Batterieerzeugung, verlagert. Wasserstoff und Brennstoffzelle bleibt aber im Pkw weiterhin aktuell, immerhin haben Luxuswagenhersteller dieses Themenbuch noch offen.

Anders bei den Nutzfahrzeugen, am Transportsektor. Eisenbahn, Schiff und Flugzeug sind für eine Lebensdauer von 30 Jahren vorgesehen. Enorme Lasten, weite Strecken hohe Leistungsanforderungen. Da ist noch viel Kreativität gefordert. Und die gibt es auch.

Bei Schiffen wird über Ammoniak als Energieträger diskutiert.
Foto: MAN

Die USA haben zwar einen wesentlich höheren Transportanteil auf der Schiene, das Netz ist aber nicht elektrifiziert. Ohne Strom ist eine Defossilisierung eine echte Herausforderung. Thomas Lavertu vom US-Lokomotivhersteller Wabtec: „Es gibt über 30.000 Lokomotiven mit einer Lebenserwartung von 30 Jahren und länger. Es sind gegenwärtig keine US-Regulationen zur Treibhausgasreduktion für Lokomotiven in Kraft. Aber Kalifornien hat angekündigt, für alle Offroad-Fahrzeuge, inklusive Lokomotiven, gilt ab 2035 null Emissionen.“ Und er will das sogar schaffen. Lavertu beabsichtigt, den Wandel der Antriebe vom dieselelektrischen Status quo in Richtung intelligenter batterieelektrischer Hybridisierung voranzutreiben, dann den Dieselkraftstoff des Verbrennungsmotors durch Wasserstoff zu substituieren, und wenn es Sinn macht, auch den Verbrennungsmotor durch eine Brennstoffzelle zu ersetzen.

Ein enormer Kraftakt scheint auch in der Hochseeschifffahrt nötig. Dort werden ja jetzt schon Verbrennungsmotoren mit höchstem Wirkungsgrad eingesetzt, das aber unter teils katastrophalen Bedingungen, was die Treibstoffe und Abgase angeht. Während in kleineren Wasserfahrzeugen Batterie und Brennstoffzelle denkbar sind, reduziert sich der Freiraum in der Hochseeschifffahrt auf die Verwendung sauberer Kraftstoffe.

Der Pfad, den Dominik Schneiter von der Winterthur Gas & Diesel Ltd präsentierte, sieht so aus: Zuerst soll Schweröl durch flüssiges Erdgas ersetzt werden. Dann folgen regenerativ hergestelltes Methan und Biokraftstoffe. Ab 2025 sieht er regenerativ hergestelltes E-Methanol und E-Ammoniak. Von E-Ammoniak war bisher noch kaum die Rede, er stellt aber auch einen Energieträger im Fokus der Entwickler dar. Umweltschützer sehen das skeptisch. (Rudolf Skarics, 25.10.2021)

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