Gender Pay Gap
Kommentar
Selina Thaler
25. Oktober 2021
Equal Pay Day: Keine Geheimnisse ums Gehalt
Die nächsten 68 Tage arbeiten Frauen in Österreich gratis. Lohntransparenz ist ein wichtiger Hebel, um die Einkommenslücke zu schließen
Ab heute, Montag, bis Jahresende arbeiten Frauen in Österreich unbezahlt. Sie verdienen im Schnitt um 18,5 Prozent weniger als Männer. So viel beträgt der Gender-Pay-Gap 2021. Rund 10.000 Euro macht das pro Jahr aus, berechneten Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund. Auch wenn man rausrechnet, dass Frauen häufiger Teilzeit arbeiten, länger in Karenz sind, seltener befördert werden und eher in schlechter bezahlten Jobs tätig sind, blieb 2019 laut Statistik Austria immer noch eine Lohnlücke von 14 Prozent zwischen den Geschlechtern.
Vielen Mitarbeiterinnen ist diese lange gar nicht bewusst. Zu selten wird über Geld gesprochen, der Gender-Pay-Gap wirkt abstrakt. Oft erfährt eine Kollegin nur zufällig, dass ihr Kollege mit gleichem Aufgabenprofil und gleichen Wochenstunden mehr verdient als sie. Das Gehalt sollte kein Geheimnis mehr sein: Weiß eine Mitarbeiterin, dass ihr Kollege am Monatsende mehr am Konto hat, trifft sie das persönlich. Und lässt sie wohl eher dagegen handeln. Den Wert der anderen zu kennen, hilft, den eigenen zu verteidigen.
Gehaltstransparenz
In diesem Sinne ist die Richtlinie zur Gehaltstransparenz, die die EU-Kommission im Frühjahr vorgelegt hat, ein wichtiger Schritt. Es wird aber nicht reichen, Unternehmen zu verpflichten, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen öffentlich zu machen und sie intern auch nach Gruppen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit leisten, bekannt zu geben. Denn Lohntransparenz kann auch dazu führen, dass der Gender-Gap größer wird, legt Harvard-Ökonomin Zoe Cullen nahe. Demnach verhandeln Männer durch die gewonnenen Gehaltsinformationen der anderen ihre Gehälter häufiger als Frauen.
Geschlechterstereotype
Es sollte sich auch am Klima, wie über Geld gesprochen wird, etwas ändern, um die Gleichstellung voranzutreiben. Auch vorherrschende Geschlechterstereotype sollten bei Gehaltsverhandlungen keinen Platz haben. Nicht nur wird Frauen nachgesagt, sie würden schlicht zu schüchtern oder konfliktscheu verhandeln, und ihnen damit eine Teilschuld an der Lücke gegeben. Sondern Studien zufolge machen sie sich auch beim Chef unbeliebt, wenn sie mehr Geld fordern, Männer aber nicht – weil es nicht ins typische Rollenbild einer Frau passt. Letztlich müssen auch die Rollenbilder der Männer aufgebrochen werden: Die Mutterschaft und damit verbundenen Karenzzeiten machen einen großen Anteil am ungleichen Gehalt aus.
Es müssen viele Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit sich die Einkommenslücke schließt – und sich nicht auch noch in einem Gender-Pension-Gap fortsetzt. Geht es weiter, wie im vergangenen Jahrzehnt, müssen Frauen noch lange warten: Erst 2054 würden sie endlich gleich viel verdienen wie ihre Kollegen. (Selina Thaler, 25.10.2021)
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