Kolumne
Hans Rauscher
25. Jänner 2022
Wenn die Institutionen beschädigt werden
Parteipolitische Verlotterung in Justiz und Polizei
Ein Staat funktioniert durch seine Institutionen – Bundesregierung, Regionalregierungen, Parlament, Justiz, Sicherheitskräfte, allgemeine Verwaltung, Sozialversicherungen, Management der staatsnahen oder staatlichen Unternehmungen und so weiter.
Wenn das Vertrauen in diese Institutionen erschüttert wird, ist auch bis zu einem gewissen Grad das Vertrauen in diesen Staat und seine demokratischen Institutionen unterminiert. Das trägt im Normalfall zu einer gewissen Verlotterung der politischen und institutionellen Kultur bei – „Die da oben machen das ja auch so, warum darf ich nicht?“ –, unter gewissen äußeren Umständen kann das staats- und demokratiegefährdend sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen das berechtigte Gefühl haben, dass sie halbwegs gut, fair, korruptionsfrei und kompetent regiert werden, sonst gerät zu viel ins Rutschen.
Wir erleben derzeit – konkret seit den letzten paar Jahren –, dass es mit dem guten Regieren nicht sehr weit her ist. Es gibt zwei Hauptprobleme: Je länger die Pandemie dauert, desto mehr stellt sich heraus, dass es an Kompetenz mangelt. Corona war für alle ein Lernprozess, auch für die Politik. Da mussten notgedrungen Fehler gemacht werden. Aber dass es im dritten Jahr der Pandemie kein verlässliches statistisches System gibt, wie viele Neuinfektionen wir überhaupt haben – das allein schädigt das Vertrauen.
Missachtung aller Prinzipien
Das zweite große Thema sind die Korruption, Postenschacherei und die schlichte Missachtung aller Prinzipien guten Regierens, die in immer neuen Chats auftauchen. Betroffen sind davon Kernbereiche des Staates, nämlich die Justiz und die Sicherheitsstruktur (Innenministerium). Die jüngsten Entwicklungen und Enthüllungen sind niederschmetternd. Die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Elisabeth Lovrek, hat soeben eine Vizepräsidentin dieses Höchstgerichts, Eva Marek, de facto degradiert. Ein völlig ungewöhnlicher Vorgang. Marek hat sich von der ÖVP für eine abenteuerliche Intrige einspannen lassen, um den Aufstieg zweier nicht genehmer Staatsanwältinnen zu verhindern. Als der dafür erwartete oder zugesagte Lohn in Form eines eigenen Wunschpostens ausblieb, schrieb sie wütende SMS an den damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter, in denen sie sich sarkastisch für die „Vorführung vor der Personalkommission“ bedankt.
Wenig später kamen über das Onlinemagazin Zackzack Chats des ehemaligen mächtigen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, ans Licht, in denen es um Einfärben und Postenschacher in krudester Weise geht.
War doch immer so! Auch unter anderen Parteien! Das ist die Reaktion der meisten „gelernten Österreicher“ auf diese Enthüllungen. Mag sein, aber das ist irrelevant. Wir leben im Hier und Heute, und da eröffnet sich ein Sittenbild, auf das reagiert werden muss.
Um es klar zu sagen: Der Aufräumprozess ist noch lange nicht abgeschlossen, das (türkise) System, aus dem das alles kommt, existiert in diversen personellen Konstellationen noch weiter und belastet schlicht und einfach die Kanzlerschaft Karl Nehammers. Zu viele inkompetente und fragwürdige Personen haben noch etwas zu reden. Nehammer muss sich davon lösen, wenn er eine Chance haben will. (Hans Rauscher, 25.1.2022)