Dies & Das: Streiflicht 2 – Österreichs Skigebiete werden größer, breiter und weiter

WINTERSAISON

Günther Strobl 

23. November 2019

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Österreichs Skigebiete werden größer, breiter und weiter

Immer mehr Pistenkilometer werden erschlossen. Um auf Tourismusportalen sichtbar zu bleiben, investieren die Bergbahnen auf Teufel komm raus

In wenigen Tagen ist es so weit: Was einzeln betrachtet schon bisher nicht klein war, wird aus Skifahrersicht nun richtig groß. Der Skicircus Saalbach, Hinterglemm, Leogang und Fieberbrunn, die Schmittenhöhe in Zell am See sowie das Skigebiet Kitzsteinhorn Kaprun starten als gemeinsamer Skiverbund.

Mit einer einzigen Karte, der Ski Alpin, kann, wer will, frühmorgens am Kitzsteinhorn in Salzburg starten und Stunden später in Fieberbrunn, Tirol, abschwingen. Dazwischen liegen mehr als 400 Kilometer Pistenabfahrten – das größte Skigebiet Österreichs.

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Der Aufwand, jeden Tag eine perfekte Piste hinzuzaubern, steigt. Die Bergbahnen suchen ihr Heil in Größe.
Foto: Getty Images

Größer, vielfältiger, spektakulärer: Kaum ein Jahr, in dem nicht neue Superlative für den Skiwinter auftauchen. Da eine neue, superschnelle Aufstiegsanlage, der modernste Sessellift, die steilste Piste. Dort das beste Restaurant am Berg, der fantastische Skywalk, die meisten Pistenkilometer, die, ohne die Skier abschnallen zu müssen (außer in Gondel, Seilbahn und fallweise Skibus), befahren werden können.

Allein für die beginnende Wintersaison gaben Österreichs Bergbahnen 754 Millionen Euro aus, so viel wie nie. Dabei hat die Branche seit der Jahrtausendwende schon knapp zehn Milliarden Euro in neue Anlagen, künstliche Beschneiung und Angebotsoptimierung investiert, im Schnitt gut eine halbe Milliarde pro Jahr. Nicht von ungefähr ist das kleine Österreich, gemessen an den Ersteintritten in Skigebiete, die Nummer zwei weltweit, hinter den USA, aber noch vor der Skigroßmacht Frankreich, vor Italien und auch vor der Schweiz. „Von nichts kommt nichts“, sagt Seilbahnobmann Franz Hörl. Dabei geht es nur rund einem Drittel der Bergbahngesellschaften wirtschaftlich leidlich gut, wie Insider zu berichten wissen. Ein weiteres Drittel laviere sich irgendwie durch. Knapp 40 Prozent der Bergbahnen seien so stark verschuldet, dass sie längst den Banken gehörten, sagen Branchenkenner.

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Synergieeffekte

Was treibt viele Bergbahnen dennoch an, immer neue und zunehmend kostspielige Projekte anzugehen? Und warum ist bei Zusammenlegungen von Skigebieten trotz wachsender Proteste offenbar kein Ende in Sicht?

„Zusammenschlüsse können Synergien bringen und die Kosten senken helfen“, sagt Tourismusexperte Robert Steiger. „Beim Einkauf ist man in einer besseren Verhandlungsposition, wenn man groß ist.“ Das sei bei der Anschaffung von Pistengeräten so und bei der Bestellung neuer Gondelbahnen und selbst der Lebensmittel für die Bergrestaurants nicht anders.

Pulverschnee alleine reicht für Skibegeisterte lange nicht mehr aus – der Besuch in der Hütte gehört genauso dazu.
Foto: APA/BARBARA GINDL

Steiger, der am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck arbeitet, weist auf einen weiteren, möglicherweise noch wichtigeren Umstand hin: „Wer die Größenkarte spielt, erreicht Sichtbarkeit, wird auf diversen Portalen vorne gereiht, ist mit anderen großen Playern auf Augenhöhe.“ So gesehen wäre es nach Einschätzung Steigers „ein Wahnsinns-USP“, wenn der Zusammenschluss der Gletscherskigebiete Pitztal und Ötztal in Tirol gelänge. Das Projekt ist höchst umstritten, weil für den Bau einer Verbindungsbahn unter anderem ein etwa 30 Meter hoher Fels weggesprengt werden müsste. Ob zusammengelegt werden darf, wird sich im kommenden Jahr entscheiden.

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Weitläufigkeit ist wichtig

„Für das Marketing wäre es höchst interessant. Man hätte etwas, das man als einzigartig bewerben könnte – das größte Gletscherskigebiet der Welt“, sagt Steiger, der den Skitourismus erforscht. Nachsatz: „Dies wird aber zu einer weiteren Verschärfung des Verdrängungswettbewerbs führen.“

Dass die Weitläufigkeit eines Skigebiets eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielt, wohin es im Winterurlaub geht, zeigen diverse Gästebefragungen, darunter auch eine von der Österreich-Werbung beauftragte. 56 Prozent der im vorigen Winter interviewten Personen gaben an, dass die Größe ein Grund für die Destinationswahl gewesen sei. Nur acht Prozent nannten den Skipasspreis.

Kleine Gebiete unter Druck

„200 Kilometer Pisten statt 100 Kilometer sind ein wichtiges Verkaufsargument“, sagt auch Urs Wagenseil, Tourismusforscher an der Hochschule Luzern. „Wenn wir Badeferien buchen, informieren wir uns ja auch, was es außer Strand und Sonne sonst noch gibt. Selbst wenn wir das Wellnessangebot oder den Tennisplatz vor Ort gar nicht nützen, sind das Argumente, die zur Buchungsentscheidung beitragen.“ So sei es auch bei den Pistenkilometern. „Im Zweifel entscheide ich mich für das weitläufigere Gebiet, auch wenn ich das nie abfahren kann.“

Kleinere Skigebiete spürten immer öfter den Druck, sich Großen anzuschließen, weil sie besonders stark unter hohen Fixkosten leiden. Bei anstehenden Lifterneuerungen stelle sich die oft Frage: Weitermachen oder zusperren?

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Skiriesen in Frankreich

Wie richtig groß geht, zeigt Frankreich. Les Trois Vallées – Val Thorens, Méribel und Courchevel – kommen auf 600 Pistenkilometer, Les Portes du Soleil bei Avoriaz gar auf 650. Auch bei den Tagespässen ist dort die 60-Euro-Grenze längst durchstoßen, von Skigebieten in Nordamerika ganz zu schweigen – Tagespreise jenseits der 100 Dollar sind dort üblich.

Val Thorens, Teil der Trois Vallées, gehört zu den größten Skigebieten Frankreichs.
Foto: APA/AFP/PHILIPPE DESMAZES

Während es in Österreich immer wieder Kritik an den Preiserhöhungen der Bergbahnen gibt, formiert sich auch zunehmend Widerstand gegen Zweitwohnbesitzer. Diese scheinen von Skigebieten magnetisch angezogen zu werden. In Mittersill haben erst Mitte der Woche rund 200 Einheimische gegen die in Bau befindlichen Luxus-Chalets beim Wasenmoos unter dem Pass Thurn protestiert. Der behördlich genehmigte Eingriff in die Natur sei ärger als manches Liftprojekt, hieß es.

Nicht gegen, sondern unter Einbindung der Bevölkerung wollten die Gletscherbahnen Kaprun ihr jüngstes Projekt, die Dreiseilumlaufbahn „3K K-onnection“ vom Ortszentrum Kaprun über den Maiskogel zum Kitzsteinhorn, umsetzen, erzählt Vorstandsdirektor Norbert Karlsböck. Weil man Widerstand spürte, habe man die ursprünglichen Pläne ad acta gelegt und auf die Erschließung zusätzlicher Pisten verzichtet.

Wenn Wolfgang Ambros zur Eröffnung der 81 Millionen Euro teuren Bahn kommenden Samstag in Kaprun Langsam wachs’ ma z’samm anstimmt, dann wohl auch mit Augenzwinkern. Liebe ist es nicht, welche die Bergbahnen enger zusammenrücken lässt. Es ist die Macht des Faktischen, die Kooperationen erzwingt. (Günther Strobl, 23.11.2019)

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Die größten Skigebiete Österreichs:

1. Saalbach, Schmitten Kitzsteinhorn
121 Anlagen
408 Pistenkilometer.
56,50 Euro/Tag*

2. Ski Arlberg
88 Anlagen
303 Pistenkilometer
56,50 Euro/Tag*

3. Wilder Kaiser – Brixental
89 Anlagen
284 Pistenkilometer
53,50 Euro/Tag*

4. Ischgl/Samnaun – Silvretta Arena
41 Anlagen
239 Pistenkilometer
56 Euro/Tag*

5. Serfaus-Fiss-Ladis
49 Anlagen
188 Pistenkilometer
58 Euro/Tag*

* Preis in der Hauptsaison

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