Dies & Das: Streiflichter -Mikroplastik

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Globale Verschmutzung
5.April 2020

Arktischer Meeresboden ist zum Endlager für Mikroplastik geworden

Kilometertief am Grund der Framstraße wurden hohe Konzentrationen von Kunststoffpartikeln gemessen

AWI-Forscher setzen in der Framstraße ein Wasserfiltrationssystem aus, um die Kunststoffbelastung zu messen.
Foto: Alfred-Wegener-Institut /Melanie Bergmann

Die Framstaße, ein 500 Kilometer breites Stück Meer zwischen Grönland und dem zu Norwegen gehörenden Archipel Spitzbergen, darf man ruhigen Gewissens als einen der abgelegeneren Teile der Erde bezeichnen. Erst recht gilt dies für den dortigen Meeresboden, der in Tiefen von bis zu fünfeinhalb Kilometern liegt. Und doch konnte sich selbst dieser Ort nicht den Folgeerscheinungen der modernen Zivilisation entziehen: Am Grund der Framstaße sammelt sich Mikroplastik, wie das Alfred-Wegener-Institut (AWI) berichtet.

Die Framstraße ist die einzige Tiefenwasserverbindung zwischen dem Arktischen und dem Atlantischen Ozean. In dieser Rinne fließen zwei gegenläufige Meeresströmungen laut AWI „wie auf einer Autobahn“ dicht aneinander vorbei“ Auf der östlichen „Spur“ transportiert der Westspitzbergenstrom warmes Atlantikwasser Richtung Norden, während auf der „Gegenspur“ der Ostgrönlandstrom Meereis und kaltes Wasser aus der Arktis Richtung Süden führt. Die aus zwei Richtungen über hunderte Kilometer hinweg mitgeschleppten Kunststoffteilchen driften dann allmählich in die Tiefe und reichern sich am Meeresboden an, berichten AWI-Forscher im Fachmagazin „Environmental Science & Technology“.

Hohe Konzentrationen

„Die höchste Konzentration im Wasser treibender Mikroplastikpartikel haben wir an unserer nördlichen Probenstation in der Nähe der Meereiskante gemessen“, berichtet die Biologin und Erstautorin Mine Tekman. In der sogenannten Eisrandzone enthielt ein Kubikmeter Oberflächenwasser mehr als 1.200 Mikroplastik-Teilchen, was die Forscher allerdings wenig überraschte: „Aus vorhergehenden Untersuchungen wussten wir, dass arktisches Meereis mitunter über 12.000 Mikroplastik-Teilchen pro Liter Schmelzwasser enthält.“ Schmilzt solches Eis, entlässt es seine „Fracht“ ins Oberflächenwasser.

Als noch wesentlich dramatischer erwies sich die Verschmutzung des Tiefseebodens in der Framstraße. Infrarotspektrometrische Untersuchungen verschiedener Bodenproben ergaben eine Belastung von bis zu 13.000 Mikroplastikpartikeln pro Kilogramm Sediment. „Diese große Partikelmenge und die hohe Anzahl verschiedener Kunststoffarten im Sediment belegen, dass sich Mikroplastik am Meeresboden der Framstraße kontinuierlich anreichert. Das heißt, die Tiefsee dieser Meeresregion ist ein Endlager für mikroskopisch kleine Kunststoffteilchen“, sagt Koautorin Melanie Bergmann.

Was gefunden wurde

39 Prozent der im Wasser treibenden Teilchen bestanden aus Polyamid, aus dem unter anderem Kunstfasern für Kleidung und Fischernetze hergestellt werden. Fast jedes vierte Kunststoffteilchen aus der Wassersäule konnte als Synthesekautschuk (Ethen-Propen-Dien-Kautschuk) identifiziert werden. Dieser elastische Kunststoff wird unter anderem im Automobil- und Gerätebau, als Teichfolie, für die Abdichtung von Dächern und Fassaden sowie als Füllstoff für Kunstrasenplätze verwendet.

In den Ablagerungen am Meeresboden wiederum fand das Team vor allem Partikel aus chloriertem Polyethylen (CPE), welches beispielsweise bei der Herstellung von Kabeln, Schläuchen, Folien und Antiblockiersystemen eingesetzt wird.

Mehr als die Hälfte aller identifizierten Kunststoffpartikel waren kleiner als 25 Mikrometer, was in etwa dem halben Durchmesser eines feinen menschlichen Haares entspricht. „Dieser hohe Anteil so kleiner Partikel gibt uns wirklich zu denken, weil sich natürlich sofort die Frage stellt, wie zum Beispiel Tiere auf diese winzigen Kunststoffreste reagieren“, sagt Bergmann. Britische Kolleginnen untersuchen deshalb nun, ob die Kleinkrebse in den arktischen Zooplankton-Proben des AWI Plastik gefressen haben. (red, 5. 4. 2020)