Dies & Das: Schwindende Spezies

Vielen Insektenarten geht das Futter aus

Weltweit schrumpft der Insektenbestand. Forscher haben nun in der Schweiz untersucht, wie es um die Nahrungsgrundlage heimischer Arten bestellt ist

In den vergangenen Jahrzehnten haben Zahl und Vielfalt von Insekten weltweit abgenommen. Zuletzt bezifferte eine Untersuchung die Entwicklung auch in Österreich: Demnach hat sich der heimische Insektenbestand seit 1990 um drei Viertel verringert. Ein internationales Forscherteam hat nun einen anderen Aspekt dieser Krise untersucht und kommt zum Schluss: In den vergangenen hundert Jahren sind auch die Futterpflanzen für Insekten immer rarer geworden.

Foto: Beat Wermelinger

Wie die Forscher im Fachblatt „Ecological Applications“ schreiben, fehle vielen Arten zunehmend die Nahrungsgrundlage. Die Ergebnisse der Studie, die die Entwicklung im Kanton Zürich in der Schweiz untersuchte, seien mit kleinen regionalen Einschränkungen auf ganz Mitteleuropa übertragbar.

Monotone Landschaften

Die ursprünglich vielfältige Landschaft sei eintöniger geworden, vor allem Feuchtgebiete seien verschwunden, berichten die Forscher. Siedlungen hätten sich auf Kosten der Kulturlandflächen ausgebreitet. Intensivierung von Futter- und Ackerbau hätten zu einer Verarmung der Wiesen- und Ackerhabitate geführt, insgesamt seien alle Pflanzengemeinschaften deutlich monotoner geworden.

„Wie die Vegetation vor hundert Jahren aussah, ist für uns kaum mehr vorstellbar“, sagt Studienleiter Michael Kessler von der Universität Zürich. Die Daten zeigten, dass etwa die Hälfte aller Arten deutlich abgenommen habe. Nur zehn Prozent der Arten hätten dagegen zugenommen.

Foto: Armin Heitzer

Besonders dramatisch sei der Rückgang bei Pflanzenarten, die nur von einer einzigen Insektengruppe bestäubt werden können. Als Beispiel nennen die Forscher den Blauen Eisenhut, der nur von Hummeln bestäubt wird, weil ihnen offenbar das Gift dieser Pflanze nichts anhaben kann.

Die Wissenschafter verglichen in ihrer Untersuchung die Häufigkeiten von Futterpflanzen verschiedener Insektengruppen, die auf aktuellen Kartierungen der Jahre 2012 bis 2017 basieren, mit datenbasierten Einschätzungen aus den Jahren 1900 bis 1930 im Kanton Zürich.

Botanische Aufzeichnungen

Bei der aktuellen Kartierung und bei der Aufarbeitung der historischen Sammlungen halfen 250 Bürgerinnen und Bürger mit entsprechenden botanischen Kenntnissen. Ohne diese Citizen Scientists wäre ein Projekt dieses Umfangs nicht möglich gewesen, wie Thomas Wohlgemuth von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft sagt. Er hat das Kartierungsprojekt vor zehn Jahren mit der Zürcherischen Botanischen Gesellschaft ins Leben gerufen.

Die wichtigste Quelle zur früheren Flora im Kanton Zürich war das unveröffentlichte, handschriftliche Manuskript von Eugen Baumann, eine Sammlung aus rund 1.200 Seiten. Darin sind exakte und detaillierte Informationen zum Vorkommen und zur Verbreitung von Pflanzenarten vor dem Jahr 1930 enthalten. (red, APA, 1.5.2020)

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