Dies & Das: Reaktionen aus der Kulturbranche auf Lunacek-Rücktritt

Reaktionen aus der Kulturbranche auf Lunacek-Rücktritt

Die Kritik aus der Szene war laut, die Einschätzungen divergierten. Wie reagieren Kulturschaffende auf den plötzlichen Rücktritt der Staatssekretärin?

„Ich habe nie ihre Person kritisiert, sondern ihre Funktion“, kommentiert Lukas Resetarits den Rücktritt von Ulrike Lunacek.
Foto: ERNESTO GELLES

Schon vor dem tatsächlich vollzogenen Rücktritt von Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) gab es zu dieser Frage unterschiedliche Einschätzungen aus der Kulturbranche. Die Ansicht, dass mit einem Rücktritt an sich niemandem geholfen sei, schien dabei tonangebend zu sein. Im Folgenden gesammelte Stimmen:

Lukas Resetarits, Kabarettist

„Ich habe nie ihre Person kritisiert, sondern ihre Funktion. Habe Frau Lunacek als EU Politikerin hoch geschätzt. Leider hat sie als Kulturpolitikerin versagt. Als Person tut es mir leid, aber in der Funktion hat sie versagt. Der wesentliche Kritikpunkt ist aber, dass Frau Lunacek von der Regierung im Stich gelassen wurde. Es stimmt ja nicht, dass die Kulturbranche nicht genügsam, folgsam und brav gewesen wäre. Als Staatsbürger sind wir dem alle gefolgt. Aber die unnötige Pressekonferenz, bei der es nichts Konkretes zu vermelden gab, hat aufgestachelt. Es ging bei meiner Kritik auch nie um meine Wehleidigkeit, sondern um mein Engagement für die Szene. Wenn ich da oder dort übers Ziel geschossen bin, entschuldige ich mich aber auch“, sagte Resetarits zum STANDARD.

Stella Rollig, Belvedere

Als „wohl unausweichlich“ bezeichnete Belvedere-Generaldirektorin Stella Rollig den Rücktritt Lunaceks am Freitag. „Sie ist allerdings das Opfer einer Reihe von Fehl- und Nichtentscheidungen von männlichen Politikern. Dass nun eine Frau den persönlichen Schaden davonträgt, ist höchst bedauerlich, aber leider wohl strukturell signifikant in einer Zeit wieder dieser.“ Die Zusammenarbeit mit Lunacek habe mit positiven Signalen begonnen und sei vor Corona „noch sehr gut“ gewesen, es habe persönlichen Austausch gegeben. In der Krise seien dann „zu viele Problemfelder aufgegangen. Dass die Wiedereröffnung der Museen nicht abgesprochen war, war allerdings wirklich ungeschickt und hat große Probleme für uns verursacht.“ Von der Nachfolgerin wünscht sich Rollig, „sich alle Zeit der Welt zu nehmen, 20 Stunden am Tag zu arbeiten, um mit Vertretern aller Kunstsparten zu sprechen. Wir haben die Fantasie und die Erfahrung, wie es funktionieren könnte.“

Hannes Tschürtz, Ink Music

„Das war’s also. Hat der Mob mal wieder gewonnen“, kommentierte Musikmanager Hannes Tschürtz den Rücktritt der Staatssekretärin via Twitter. Dabei helfe ein Personalwechsel überhaupt nicht, „er verzögert nur die Entscheidungsfindung weiter“. Weiter äußerte der Gründer des Plattenlabels Ink Music seinen Unmut: „Lunacek hat etwas, was sie eh nicht ändern kann, schlecht kommuniziert. Kurz hat etwas, was fahrlässig bis gemeingefährdend war, mit geschicktem Geschwurbel und dreisten Lügen überdeckt. Ich persönlich finde, die falsche Person bleibt im Amt.“ Im Ö1-„Mittagsjournal“ hatte Tschürtz am Dienstag auf die finanzielle Misere der Musikwirtschaft hingewiesen, die durch die Hilfspakete der Regierung nicht abgefangen werde. In einem Twitter-Post lud er Lunacek zum nächstbesten Konzert der Ink Music ein, das stattfinden darf. „Danke für die Größe, danke für den Einsatz, danke fürs Versuchen.“

Mirjam Unger, Filmregisseurin

„Lunacek hat leider die Kritik nicht konstruktiv verwendet. Stattdessen hat sie Parodien von Grissemann oder Paroli von Lukas Resetarits persönlich genommen sowie Aufforderungen, zu recherchieren und zu handeln, unterlassen“, sagt die Filmregisseurin und Drehbuchautorin Mirjam Unger zum STANDARD. „Sie und ihr Umfeld haben 1,2 Millionen Kulturschaffende fallengelassen. Dennoch: Kultur ist eigentlich Chefsache! Macron hat gezeigt, wie es geht! Österreichische Kultur braucht Schadensbegrenzung, jetzt.“

Klaus Albrecht Schröder, Albertina

„Ulrike Lunacek hat sich persönlich ganz außerordentlich engagiert. Ihr Scheitern hat meines Erachtens damit zu tun, dass die komplexen Anforderungen in einer schweren Krise das machtlose Amt eines Staatssekretariats überfordern: selbst wenn man viel Erfahrung und eine stärkere Persönlichkeit als die letzte Amtsinhaberin mitbringt“, zeigt Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder Verständnis. „Die Kunst und Kultur muss in dieser Phase durch das Ministeramt vertreten werden: nach außen, in der Bundesregierung, im Ministerrat, gegenüber dem Finanzminister. Lunacek war Kunst und Kultur ganz offensichtlich ein echtes Anliegen. Sie hat mitgefühlt mit uns, hat aber politisch nicht die nötige Unterstützung erhalten, von keinen Seiten“, so Schröder zum STANDARD. Weiters fordert er nun vom Kulturminister, sich einzubringen. Wer auch immer Lunacek nachfolge, müsse „Lösungen für die sehr verschiedene Situation von hunderten großen und kleinen Theatern, Kinos, Veranstaltungen, Museen, Festivals oder Konzerte aller Art“ finden. „Da kann eine Nachbesetzung mit einer Persönlichkeit, die das Ressort und die Aufgaben bestens kennt, helfen.“ Glücklicherweise sei die Kultursektion im Übrigen selbst professionell besetzt.

Yvonne Gimpel, IG Kultur

Yvonne Gimpel von der IG Kultur lässt wissen, ein Personalwechsel allein löse keine der drängenden Probleme, sondern drohe vielmehr zu weiteren Verzögerungen zu führen, „da sich jede Nachfolgerin erst einarbeiten müssen wird“. Die IG Kultur appelliert folglich „an die gesamte Bundesregierung, Verantwortung zu übernehmen“. Die Forderungen umfassen eine unbürokratische und verlässliche monatliche Unterstützung, eine sofortige Planungsperspektive und verlässliche Vorgaben, dazu Sicherheiten „für den Fall, dass wieder Einschränkungen umgesetzt werden müssen“. Ebenso seien ein Konjunkturpaket, Investitionen in erforderliche Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen in den Kultureinrichtungen, der Ausbau von Arbeitsstipendien sowie die Schaffung der Absetzbarkeit von Spenden für alle Kultureinrichtungen nötig. Dazu ein kontinuierlicher Dialog der Politik mit den Betroffenen.

Herbert Föttinger, Theater in der Josefstadt

Der Direktor des Theaters in der Josefstadt, in der letzten Zeit einer der prominentesten Kritiker Lunaceks, gibt gegenüber dem STANDARD an, er wisse nicht, ob er ein scharfer Kritiker Lunaceks gewesen sein, jedenfalls aber ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Kultur im Allgemeinen. Dass der Rettungsschirm nicht funktioniere, tue ihm weh. Ohne Perspektiven sei es schwierig, und das mache ihm Sorgen. Die Bundesregierung vernachlässige die „Kulturnation“ im Moment sehr. Den Rücktritt Lunaceks als persönliche Entscheidung gelte es zu akzeptieren, sie sei eine großartige Politikerin, als Kulturpolitikerin aber von Anfang an überfordert gewesen. Die in ihrer Rücktrittsrede geäußerten Wünsche seien zum Teil sehr gut gewesen, hätte sie diese früher eingefordert, hätte sie vielleicht zu einer „Heldin der Kulturszene“ werden können. Am wichtigsten sei nun, dass ihre Nachfolgerin „mit viel Leidenschaft und Kulturkenntnis in dieser sehr schwierigen Situation für die Kulturschaffenden kämpft und sich nicht in Grabenkämpfe mit dem Koalitionspartner oder der eigenen Partei verstrickt“. Man müsse auch manchmal in Widerspruch zum Kanzler, Gesundheitsminister oder Finanzminister treten. Ob dafür die Kompetenz eines Staatssekretariats ausreicht, zweifelt Föttinger aber an. Es brauche etwa wegen des Budgets ein eigenes Kulturministerium.

Bettina Leidl, Kunst Haus Wien & Icom Österreich

„Ihre Kompetenz als versierte und kompetente Europapolitikerin konnte Ulrike Lunacek während der Corona-Krise für die Kunst und Kultur leider nicht einsetzen“, findet Bettina Leidl, Kunst-Haus-Wien-Direktorin und Präsidentin von Icom Österreich. Die nachhaltige finanzielle Unterstützung von Kulturschaffenden und -institutionen sei von zentraler Bedeutung, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Veranstaltungsverbots abzufedern, sagt sie zum STANDARD.

Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren

Für Gerhard Ruiss, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren, bietet Lunaceks Rücktritt die „einzigartige Chance einer Korrektur der verunglückten Staatssekretariatslösung“. „Dem Stellenwert der Kunst und Kultur im öffentlichen und gesellschaftlichen Leben entsprechend muss eine Regierungsumbildung mit dem Ergebnis eines Kunst- und Kulturministers / einer Kunst- und Kulturministerin die Folge sein“, forderte Ruiss.

Ruth Beckermann, Filmschaffende

„Die Krise erhellt die systemimmanente Misere – seit 2014 gibt es keine Kulturministerin mehr“, so die Reaktion von Dokumentarfilmemacherin und Autorin Ruth Beckermann. Kunst und Kultur würden immer nur jemandem „umgehängt“, dessen Hauptfach eigentlich ein anderes sei. „Diesem Kanzler und seiner Entourage ist Kultur sichtlich wurscht bzw. allein aus touristischer Sicht wichtig“, empört sie sich gegenüber dem STANDARD. „Detto seit jeher den Grünen. Für sie bedeutet Kulturpolitik Sozialpolitik oder zu Zinggls Zeiten Wadlbeißerei.“ (APA, red, 15.5.2020)

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