Dies & Das: Rätselhafte Klimaabweichung vor 14.600 Jahren hängt mit Meereslebewesen zusammen

Rätselhafte Klimaabweichung vor 14.600 Jahren hängt mit Meereslebewesen zusammen

Untersuchung zeigt, dass die sogenannte antarktische Kaltumkehr mit einer erhöhten biologische Produktivität verbunden ist

Neue Forschungsergebnisse unterstreichen die entscheidende Rolle, die das Meereis im gesamten Südpolarmeer für das atmosphärische CO2 in Zeiten des raschen Klimawandels in der Vergangenheit spielte. Foto: EPA/FELIPE TRUEBA

Der Südozean rund um die Antarktis gilt als eine der wichtigsten Komponenten des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Die genauen Mechanismen sind allerdings erst wenig verstandenen. Man geht davon aus, dass dieser Ozean etwa 50 Prozent des gesamten bis heute in die Meere gelangten anthropogenen Kohlenstoffs eingefangen hat. Daher ist der Südliche Ozean für die Regulierung des vom Menschen verursachten CO2 von entscheidender Bedeutung. Entsprechend ist auch das Verständnis der Prozesse, die seine Wirksamkeit als Kohlenstoffsenke im Laufe der Zeit bestimmen, von wesentlicher Bedeutung für künftige Klimaprojektionen.

Nun haben neue Forschungsergebnisse die entscheidende Rolle untermauert, die das Meereis im Südpolarmeer für das atmosphärische CO2 in Zeiten des raschen Klimawandels in der Vergangenheit spielte. Ein internationales Wissenschafterteam hat gezeigt, dass das saisonale Wachstum und die Zerstörung des Meereises in einer sich erwärmenden Welt die biologische Produktivität der Meere rund um die Antarktis erhöht, indem es Kohlenstoff aus der Atmosphäre abzieht und im tiefen Ozean speichert.

Merkwürdige antarktische Kaltumkehr

Nach der letzten Eiszeit, vor etwa 18.000 Jahren, ging die Welt auf natürliche Weise in die warme interglaziale Welt über, in der wir heute leben. In diesem Zeitraum stieg der CO2-Gehalt in der Atmosphäre innerhalb von etwa 7.000 Jahren von etwa 190 ppm auf 280 ppm an. Dieser Anstieg war nicht stetig und wurde durch steile Anstiege und zwischenzeitliche Plateaus unterbrochen, die verschiedene Prozesse innerhalb des globalen Kohlenstoffkreislaufs widerspiegeln.

Eine Periode fällt dabei besonders auf: ein 1.900 Jahre altes Plateau in der Kurve mit nahezu konstanten CO2-Konzentrationen von 240 ppm, das vor etwa 14.600 Jahren begann und als antarktische Kaltumkehr bezeichnet wird. Die Ursache dieses Plateaus ist nach wie vor unbekannt, aber das Verständnis der Prozesse kann für die Verbesserung der Prognosen über die Rückkopplung von Klima und Kohlenstoff entscheidend sein. „Wir haben festgestellt, dass in Sedimentkernen, die sich in der Meereiszone des Südlichen Ozeans befinden, die biologische Produktivität während dieser kritischen Periode zunahm, während sie weiter nördlich, außerhalb der Meereiszone, abnahm“, sagt Michael Weber, Koautor der Studie vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn. „Es war nun wichtig herauszufinden, wie die Klimaaufzeichnungen auf dem antarktischen Kontinent diese kritische Zeitperiode darstellen.“

Der Wind hat die Oberfläche des Blaueisfeldes im Horseshoe Valley freigelegt. Die aufgestellten Schichten zeigen jüngeres Eis rechts und älteres links.
Foto: Chris Turney

Reise in die Blaueisgebiete

Um diese Frage zu klären, reisten Forscher der Keele University, Großbritannien, und der University of New South Wales (UNSW) in Sydney, Australien, in die Patriot Hills Blue Ice Area im Westen der Antarktis, um neue Aufzeichnungen über marine Biomarker zu erhalten, die in Eisbohrkernen eingefangen wurden. „Die Ursache dieses langen Plateaus in der globalen atmosphärischen CO2-Konzentration könnte für das Verständnis des Potenzials des Südlichen Ozeans, atmosphärisches CO2 zu mindern, von grundlegender Bedeutung sein“, sagt Chris Fogwill, Hauptautor der Studie von der Keele University.

Blaueisgebiete entstehen durch heftige, ablandige Winde hoher Dichte, die die oberste Schneeschicht wirksam erodieren und das Eis darunter freilegen. Infolgedessen strömt das Eis an die Oberfläche und ermöglicht den Zugang zum darunter liegenden alten Eis. Während die meisten Antarktisforscher in das Eis bohren, um Proben mit einem herkömmlichen Eiskern zu entnehmen, verwendete dieses Team eine andere Methode: die horizontale Eiskernanalyse. „Anstatt kilometerweit ins Eis zu bohren, können wir einfach über eine blaue Eisfläche gehen, um durch die Zeit zurückzureisen. Dies bietet die Möglichkeit, große Mengen Eis zu beproben, die für die Untersuchung neuer organischer Biomarker und DNA notwendig sind, die aus dem Südpolarmeer in die Antarktis geblasen und im blauen Eis konserviert wurden,“ sagt Chris Turney (UNSW, Sydney).

Erhöhte biologische Produktivität

Die im Fachjournal „Nature Geoscience“ präsentierten Ergebnisse zeigten eine deutliche Zunahme der Anzahl und Vielfalt mariner Organismen über den Zeitraum von 1.900 Jahren auf dem CO2-Plateau, eine Beobachtung, die noch nie zuvor gemacht wurde. Das Team führte auch Klimamodellierungen durch, die zeigten, dass dieser Zeitraum mit den größten jahreszeitlichen Veränderungen der Meereisausdehnung von Sommer zu Winter zusammenfiel. Zusammen mit den Meereskernen liefern diese Ergebnisse den ersten Beweis für eine erhöhte biologische Produktivität und deuten darauf hin, dass Prozesse in der antarktischen Zone des Südlichen Ozeans das CO2-Plateau verursacht haben könnten. (red, 28.6.2020)

Abstract
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