Dies & Das: Plastikverschmutzung des Atlantiks dürfte Befürchtungen übertreffen

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Massenhaft Mikroplastik

David Rennert

19. August 2020

Plastikverschmutzung des Atlantiks dürfte Befürchtungen übertreffen

Bis zu 21 Millionen Tonnen Mikroplastik schwimmen allein in den oberen Wasserschichten des Ozeans, zeigt eine neue Untersuchung

Der Plastikeintrag in die Meere ist gigantisch – und wurde womöglich sogar noch unterschätzt.
Foto: APA/AFP/JOSEPH EID

In Gebirgsgletschern und der Tiefsee, in arktischen Schneeflocken, in Bodensedimenten oder tierischen und menschlichen Körpern: Mikroplastik ist inzwischen überall zu finden. Besonders betroffen von der Plastikverschmutzung sind die Ozeane – und das wahre Ausmaß kommt mithilfe neuer Untersuchungsmethoden immer genauer ans Licht. Eine aktuelle Analyse im Atlantik bringt ein ernüchterndes Ergebnis: Allein in den oberen Wasserschichten des zweitgrößten Ozeans der Erde befinden sich zwölf bis 21 Millionen Tonnen Plastikpartikel, und das nur von den drei am häufigsten produzierten Kunststoffen.

Wie Katsiaryna Pabortsava und Richard Lampitt vom britischen National Oceanography Centre in „Nature Communications“ berichten, bestehe der größte Teil des Mikroplastiks im Atlantik aus winzigen und nahezu unsichtbaren Partikeln, die sich mit den Meeresströmungen immer weiter ausbreiten. Ihre Wasserprobenanalysen deuten darauf hin, dass die Verschmutzung des Meeres noch viel größer sein dürfte als bisher angenommen.

Die üblichen Hauptverdächtigen

Für ihre Studie durchquerten Pabortsava und Lampitt im Rahmen einer mehrmonatigen Expedition den Atlantik und sammelten in zwölf Regionen Wasserproben aus je drei unterschiedlichen Tiefen: zehn Meter unter der Wasseroberfläche, bis zu 30 Meter unter der Oberfläche und in etwa hundert Metern Tiefe. In diesen Proben suchten sie dann im Labor nach den drei verbreitetsten Plastiksorten, Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polysterol (PS). Mithilfe spektroskopischer Methoden wurden winzige Partikel bis zu einer Größe von nur 25 Mikrometern berücksichtigt. Zum Vergleich: Der Durchmesser eines menschlichen Haars liegt bei etwa 60 bis 120 Mikrometern.

Wie das Forscherduo berichtet, war in sämtlichen Proben Mikroplastik zu finden. Bis zu 7.000 Partikel pro Kubikmeter Wasser konnten nachgewiesen werden, das übersteigt die Werte bisheriger Studien. Wie sich herausstellte, war die Plastikkonzentration in den oberen Wasserschichten am höchsten und nahm nach unten hin ab. In der Umgebung größerer Strudel war die Konzentration zur Überraschung der Forscher nicht höher als anderswo. Wie erwartet machte Polyethylen den größten Anteil aus – mit einem Anteil von fast 38 Prozent ist dies der am meisten verwendete Kunststoff der Welt.

Unsichtbare Kleinstpartikel

Eine wichtige Erkenntnis der Studie ist den Autoren zufolge die geringe Größe der allermeisten Mikroplastikteilchen. Am häufigsten fanden sich Partikel, die kleiner als 80 Mikrometer waren – sie könnten den Großteil des Mikroplastiks im Meer ausmachen, so die Wissenschafter. Gerade diese winzigsten Teilchen seien in bisherigen Studien nicht ausreichend berücksichtigt worden, schreiben die Wissenschafter. „Unsere Ergebnisse lassen befürchten, dass das Ausmaß der marinen Plastikverschmutzung stark unterschätzt wurde“, sagt Lampitt.

Plastik auch in menschlichen Organen

Forscher warnen seit langem vor den negativen Folgen von Mikroplastik für die Umwelt und möglicherweise auch die menschliche Gesundheit. Im menschlichen Verdauungstrakt ließen sich Plastikteilchen schon länger nachweisen, Wissenschafter der Arizona State University gaben auf einer Konferenz vor wenigen Tagen nun auch den ersten Fund in menschlichen Organen bekannt: In Gewebeproben aus Lungen, Nieren, Milzen und Lebern ließen sich Rückstände mehrerer Kunststoffe feststellen, auch der Kunststoffzusatzstoff Bisphenol A wurde nachgewiesen.

Überraschend kommt das nicht, sagte der Biotechnologe Rolf Halden bei der Konferenz der American Chemical Society. „Es wäre naiv zu glauben, dass Plastik überall ist, nur nicht in uns.“ Ob und welche Auswirkungen Mikroplastik auf unseren Körper hat, ist indes noch völlig unklar. (David Rennert, 19.8.2020)

Studie



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