Dies & Das: Gute und schlechte Muttersprachen

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Kolumne

Barbara Coudenhove-Kalergi

20. August 2020

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Gute und schlechte Muttersprachen

Sprecher „kleinerer“ Sprachen haben oft Sorge, dass diese verschwinden könnten, wenn man sie nicht verteidigt

Die Kunstaktion ist bis Ende Oktober zu sehen.
Foto: ORF

Eine Kunstaktion in St. Jakob im Rosental, einer der Kärntner Gemeinden mit zweisprachigen Ortstafeln, sorgt laut einem „Profil“-Bericht für Aufregung. Ein einheimischer Künstler hat ein rotes Band durch den Ort gelegt, das symbolisch eine Grenze zwischen slowenisch- und deutschsprachigen Einwohnern markiert. Einige Bürger sind dagegen. Und andere fragen: Hört dieser Konflikt denn nie auf?

Heimat. Identität. Muttersprache. Ein unendliches Thema, das nicht nur Migranten und nationale Minderheiten beschäftigt, sondern zusätzliche Probleme bringt, wenn es um „kleine“ Sprachen wie das Slowenische geht.

Ihre Sprecher haben oft Sorge, dass diese Sprachen verschwinden könnten, wenn man sie nicht verteidigt. Und es gibt auch so etwas wie eine Hierarchie der Sprachen: solche, die als „höhere“, und solche, die als „mindere“ gelten.

Englisch ist eine Weltsprache, es gilt als ausgemacht, dass möglichst jeder sie lernen sollte. Aber Slowenisch?

Ein Freund, von der väterlichen wie der mütterlichen Seite her Kärntner Slowene, gab im Einklang mit seiner Frau seiner Tochter, um die Familientradition zu wahren, den südslawischen Namen Vesna (Frühling). „Habts kan schenen deitschn Namen gfunden“, fragte Vesnas Großmutter missbilligend. Der Sohn, der von seinen ursprünglich slowenischsprachigen Eltern diese Sprache nie gelernt hatte, sondern deutschsprachig aufgewachsen war, machte seiner Mutter deshalb Vorwürfe. Und bekam zu hören: „Des is ka Sprach.“

Auch viele – nicht alle – aus Tschechien nach Österreich Eingewanderte legten keinen Wert darauf, ihre Muttersprache an ihre Kinder weiterzugeben. Sowohl diejenigen, die noch in der Monarchie, als auch diejenigen, die in der Kommunistenzeit ins Land gekommen waren, vermieden es oft, mit ihren Kindern und Enkeln Tschechisch zu sprechen. Vorurteile gegen die „Dienstbotensprache“ spielten hier eine Rolle. Und die heutigen Migranten? Türkisch lernt man nicht, Türkisch verlernt man, sagt ein Studienautor.

Anders die Erben sogenannter „höherer“ Sprachen.

Die Adelsfamilie Razumovsky, seit der Beethovenzeit in Wien ansässig, pflegt bis heute die russische Sprache und die Zugehörigkeit zur russisch-orthodoxen Kirche. Andere Familien, vor der Französischen Revolution nach Österreich geflüchtet, sind nach wie vor stolz auf ihre französischen Wurzeln und schicken die Kinder ins Lycée français.

Einen praktischen Aspekt gibt es dabei freilich auch: Mit Russisch und Französisch kann man später mehr anfangen als mit Slowenisch und Tschechisch.

Mit der Zuwandererwelle der letzten Jahre sind auch neue Sprachen nach Österreich gekommen: Türkisch, Arabisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch. Für sie wie für die Muttersprachen früherer Einwanderer gilt: Je weniger die Ideologie dabei eine Rolle spielt und je größer der praktische Nutzen, desto besser.

Fremde Sprachen sprechen ist immer gut. Wer zwei Sprachen gut spricht, tut sich leichter beim Erlernen einer dritten. Und dass Österreich ein Land der Vielsprachigkeit ist, hat ihm noch nie geschadet.

Das zeigt sich in St. Jakob im Rosental so gut wie in der Hauptstadt Wien, mit oder ohne rotes Grenzband. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 19.8.2020)

Das sagen die Anderen…