Dies & Das: Ausgezwitschert

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Vogelsterben

20.09.2019

Alexandra Grass

Ausgezwitschert

Das Vogelsterben ist Realität: Auch in Österreich verkleinern sich die Populationen vieler Arten rapide.

Ihr trillernder Gesang ist unverkennbar. Zu hören ist er heute allerdings kaum noch. Der Himmel über den Ackerflächen scheint nach und nach zu verstummen. Während die Feldlerche über lange Zeit die Klangkulisse im ländlichen Raum mitgeprägt hat, ist sie heute wesentlich seltener anzutreffen. Auch die Bestände anderer Vogelarten sind in den letzten 20 bis 50 Jahren unterschiedlich stark – manche gar um 90 Prozent – geschrumpft. Eine Studie aus den USA und Kanada zeigt, dass die Zahl der Vögel seit 1970 um mehr als ein Viertel zurückgegangen ist. Ornithologen sprechen im Fachmagazin „Science“ von einer ökologischen Katastrophe. In Österreich ist die Situation aber ebenso besorgniserregend. Am schwersten betroffen sind in Feld- und Wiesenlandschaften lebende Vogelarten – wie die besagte Feldlerche mit ihren auffälligen Stakkatofolgen.

„In Österreich sind in den vergangenen 20 Jahren 42 Prozent der Feldvögel verloren gegangen“, beschreibt Gabor Wichmann, Geschäftsführer von Birdlife Österreich, im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“ die Lage. Der Bestand der Rebhühner ist gar um 85 Prozent geschrumpft. Die Intensivierung der Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden und die Zerstörung und Ausräumung von Lebensräumen sind die Hauptursachen für diese Entwicklung.

Brutplätze werden zerstört

Während die Felder immer größer geworden sind, sind Büsche, Haine und Brachflächen – die bevorzugten Lebensräume dieser Tiere – zunehmend verloren gegangen. Die Wiesenflächen werden heute wesentlich häufiger gemäht. All diese Eingriffe entziehen den Tieren die Nahrung. Zudem gehen Brutplätze verloren oder sie werden regelrecht zerstört. Wo durch Störungen des Lebensraums der notwendige Bruterfolg über Jahre hinweg fehlt, erlöschen die Populationen.

Auch die Abnahme der Artenvielfalt im Bereich der Landwirtschaft fördert diese unerfreuliche Entwicklung. „Wo es früher zum Beispiel auf einem Feld verschiedene Kulturen gab, besteht jetzt nur mehr ein Maisfeld“, betont Wichmann.

Sogar im Hinterhof

„Wir hatten einen weiteren Rückgang von bedrohten Arten erwartet. Doch erstmals zeigen die Ergebnisse der Studie einen um sich greifenden Verlust auch von verbreiteten Vögeln über alle Lebensräume hinweg – sogar im Hinterhof“, betont Studienautor Ken Rosenberg vom Cornell Lab of Ornithology and American Bird Conservancy in Ithaca in der „Science“-Publikation. Dem Forscher zufolge hat Nordamerika nahezu drei Milliarden Vögel verloren. Davon gehören 90 Prozent lediglich zehn Arten an – darunter Spatzen, Finken, Drosseln und Grasmücken.

Diese Daten decken sich mit Entwicklungen, wie sie auch bei Insekten oder Amphibien aufgezeigt werden und stellen eine Bedrohung dar, erklärt Koautor Peter Marra vom Smithsonian Migratory Bird Center. Ein Dominoeffekt könnte in einen Verfall des Ökosystems münden.

Auch Gabor Wichmann sieht die Entwicklung als Zeichen, dass das Ökosystem immer instabiler wird. „Ich vergleiche es mit einem großen Haus aus Bauklötzen. Zieht man einen heraus, bleibt alles noch stabil. Auch beim Zweiten. Doch irgendwann bricht das Ganze zusammen“, schildert er bildhaft. Man könne nicht sagen, ob es zum Problem wird, wenn etwa die Feldlerche nur noch zu zehn Prozent vorhanden ist. Doch sei dies jedenfalls als Alarmsignal zu werten.

In den USA ist es heute schon Tatsache, dass Blüten händisch bestäubt werden müssen, so der Experte. Oder Bienenvölker werden von Feld zu Feld gefahren, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. „Dort ist das Ökosystem im landwirtschaftlichen Bereich schon zu großen Teilen zusammengebrochen. Das kann bei uns genauso passieren“, warnt er.

Zugvögel teilen ihr Schicksal mit den Feldarten – allerdings aus anderen Gründen. Der Klimawandel ist es, mit dem die Langstreckentiere zu kämpfen haben. Temperaturveränderungen in Brutgebieten machen ihnen schwer zu schaffen. Diese führen nämlich zum Beispiel dazu, dass Insekten zu anderen Zeiten ihre höchste Dichte haben, als sie benötigt werden. Kommt der Zugvogel zu spät an, ist das Nahrungsangebot schon reduziert. Auch in ihren Winterquartieren verändert sich die Lage zunehmend. So habe sich die Sahel-Zone ausgedehnt und Feuchtgebiete verschwinden, erklärt Wichmann. „Die Migration der Menschen, die vor Trockenheiten und Dürren fliehen, ist in aller Munde. Den Vögeln ergeht es genauso.“

In vielen Gebieten zieht die Raumplanung den Tieren einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Durch die starke Verbauung geht viel Lebensraum verloren. Und: „Auf der restlichen Fläche matchen sich dann Landwirtschaft mit Naturschutz oder Wald mit Naturschutz.“

Vor dem Aussterben

Die Blauracke – einer der farbenprächtigsten Vögel Europas – droht in Österreich auszusterben. Das letzte verbliebene heimische Brutgebiet liegt in der südöstlichen Steiermark. Dort werden nur noch ganz wenige Exemplare gesichtet, so Wichmann. Hier stellt sich die Frage, wie sich das überhaupt bestimmen lässt. „Viele interessierte Ornithologen und Mitglieder sind unterwegs und liefern uns die Daten“, erklärt der Experte. Bei der Blauracke etwa wird jedes einzelne Individuum gemeldet. Rebhühner werden regelmäßig zur Brutzeit durchgezählt. Viele solcher Programme laufen, um die Bestände überwachen zu können. Seit einiger Zeit arbeitet Birdlife Österreich an einem Brutvogelatlas, der die Verbreitung der Tiere im Land aufzeigen und innerhalb der nächsten zwei Jahre aufgelegt werden soll.

Unter anderem könnte mit einem veränderten EU-Agrarfördersystem gegengesteuert werden, so Wichmann. Derzeit basiere die Auszahlung immer noch darauf, wie viel Fläche jemand besitzt. Gelder sollten aber dort fließen, wo im Sinne des Naturschutzes und der Nachhaltigkeit gearbeitet werde. In Österreich gebe es entsprechende ökologische Fördermaßnahmen. Diese und viele Schutzprogramme würden und könnten – wenn intensiviert – zu einer positiven Entwicklung beitragen.