Dies & Das: Wie Mikroplastik den Weg zum Meeresboden findet

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Schädliches Schneetreiben

18.Oktober 2020

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Wie Mikroplastik den Weg zum Meeresboden findet

Forscher modellieren, wie und wo biologische Prozesse Kunststoffteilchen von der Oberfläche in tiefere Schichten des Wassers transportieren

Wenn es im Meer „schneit“, rieselt es auch Mikroplastik in die tieferen Wasserschichten hinab.
Foto: Henk-Jan Hoving/GEOMAR

Rund drei Viertel der Abfälle, die ins Meer gelangen, bestehen aus Kunststoffen. Man schätzt, dass mittlerweile über 150 Millionen Tonnen Plastik in den Ozeanen schwimmen, jährlich kommen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen dazu. Nach Angaben des Umweltprogramms der vereinten Nationen (UNEP) treiben auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche bis zu 18.000 Kunststoffteile verschiedenster Größe – und doch ist dies nur die Spitze des Eisbergs: Vermutlich ein großer Teil des Mülls könnten zum Meeresgrund hinabsinken, doch das genaue Schicksal des Mikroplastiks im Meer gibt der Wissenschaft noch immer einige Rätsel auf. Deutsche Forscher konnten jetzt erstmals modellieren, wie und wo biologische Prozesse Mikroplastik von der Oberfläche in tiefere Schichten des Wassers transportieren. Diese Vorgänge könnten für den Großteil des Mikroplastiktransports verantwortlich sein.

Vermeintlich verschwundener Müll

Um das Verschmutzungsproblem der Ozeane durch Plastikmüll lösen zu können, ist es wichtig, genau nachzuverfolgen, wie viel Plastik sich in den Ozeanen befindet und wie es sich bewegt. Doch bei bisherigen Untersuchungen dazu fiel Wissenschaftern auf, dass ein Teil des Plastiks zu verschwinden schien: Die Menge an Kunststoff, die tatsächlich an der Meeresoberfläche gefunden wurde, war deutlich geringer als erwartet. Das gilt vor allem für Mikroplastik. Es hat maximal einen Durchmesser von fünf Millimetern, manchmal sind es aber auch nur einige Mikrometer. Es gelangt entweder durch direkten Eintrag ins Meer, zum Beispiel über den Wind, Flüsse oder Schiffe, oder es entsteht, wenn größere Plastikteile im Wasser durch Umwelteinflüsse zerfallen.

Während sich an der Meeresoberfläche weniger Mikroplastik als erwartet findet, konnte es schon in der Arktis und im Marianengraben, dem tiefsten bekannten Punkt der Erde, nachgewiesen werden. Es bleibt allerdings die Frage, wie es dort hingelangt. Nun haben Forscher vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel erstmals modelliert, wie biologische Prozesse, Mikroplastik in die Tiefe tragen, zum Beispiel über den sogenannten Meeresschnee. Die Forschungsgruppe simulierte dafür die Bewegungen von Mikroplastik in den Ozeanen innerhalb eines Erdsystemmodells. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Biologischer Transport in die Tiefe

Es gibt verschiedenen Wege, wie Mikroplastik in die tieferen Schichten des Ozeans gelangen kann. Der wohl offensichtlichste Grund ist der fehlende Auftrieb: Hat das Plastik keinen Auftrieb, sinkt es zum Meeresboden. Die Wissenschafter fanden nun aber heraus, dass eine große Menge des Mikroplastiks auch aufgrund biologischer Prozesse von der Oberfläche nach unten befördert wird.

Dafür verantwortlich ist vor allem das Plankton, das nah an der Oberfläche lebt. Seine Ausscheidungen, abgestorbene Zellen oder ganze Organismen und anderes organisches Material verbinden sich mit dem Mikroplastik und sinken wie Schneeflocken langsam in die Tiefe. Dort dienen sie Bakterien als Futter. So wird das Plastik von seinem Transportmittel befreit und treibt entweder in der Tiefe weiter oder steigt wieder zur Oberfläche auf.

Marines Schneetreiben

„Auf den ersten Blick scheint dieser Transportweg also ziemlich ineffektiv zu sein. Unsere Studie zeigt, dass von zwei, in manchen Regionen sogar von drei auf diesem Weg gebundenen Plastikteilen nur eines wirklich in die Tiefe sinkt, der Rest verbleibt an der Oberfläche“, sagt Karin Kvale vom GEOMAR, Hauptautorin der Studie. Der Prozess ist jedoch so weit verbreitet, dass er genug Plastik aus den oberen Schichten des Wassers entfernt, um das fehlende Plastik dort zu erklären. „Der sogenannte ‚Marine Schnee‘ hat so also einen großen Einfluss auf die globale Mikroplastikverteilung“, erklärt die Modelliererin weiter.

Genaue Modellierungen der biologischen Prozesse mit Mikroplastik in einem Erdsystemmodell bieten außerdem die Möglichkeit, Prognosen darüber zu treffen, wie sich diese Zusammenhänge in Zukunft ändern könnten, wenn der Klimawandel Ozeanzirkulation und Ökosysteme beeinflusst. „Zu verstehen, wie Plastik sich durch unsere Ozeane bewegt, ist grundlegend wichtig, um mit der zunehmenden Verschmutzung der Meere umzugehen und die Auswirkungen von Mikroplastik auf marine Ökosysteme auf einer globalen Ebene zu begreifen“, so Kvale. (red, 18.10.2020)

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