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Dies & Das: Wie sich die Erde in einen bewohnbaren Planeten verwandelte

Lebensfreundliche Welt David Rennert 1. November 2021 Wie sich die Erde in einen bewohnbaren Planeten verwandelte Betrachtet man unseren Planeten aus einiger Entfernung, könnte man auf die Idee kommen, hier liege ein Irrtum vor. „Erde“ nennen wir unsere Welt, dabei wäre die Bezeichnung „Wasser“ eigentlich passender: Mehr als zwei Drittel der Oberfläche sind damit bedeckt. Auch wenn Weltkarten etwas anderes suggerieren, ist es tatsächlich ein überwiegend blauer Planet, den wir bewohnen. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Ozeane einst sogar fast doppelt so viel Wasser enthalten haben könnten wie heute – und noch viel größere Landmassen bedeckten. Eine von Wasser geprägte Welt war die Erde zwar nicht von Anfang an, aber die allerlängste Zeit. Was genau sich in den turbulenten ersten Jahrmillionen nach der Entstehung unseres Heimatplaneten vor rund 4,6 Milliarden Jahren abgespielt hat, beschäftigt Wissenschafter vieler Disziplinen. Etliche Details liegen im Dunkeln, wichtige Eckdaten lassen sich aber rekonstruieren. Etwa, dass schon früh eine Gashülle um den noch kleinen Brocken entstand, der durch Kollisionen mit anderen Protoplaneten zunehmend anwuchs. Diese Uratmosphäre, die größtenteils aus Wasserstoff und Helium bestand, ging schon bald wieder verloren. Noch deutete nichts darauf hin, dass auf diesem Himmelskörper einmal Leben entstehen würde. Wasserbomben aus dem All Nach heutigem Wissensstand ist davon auszugehen, dass nach etwa 200 Millionen Jahren die Verwandlung in einen nassen Planeten ihren Ausgang nahm. Wie genau es dazu kam, ist umstritten. Die meisten Forscher nehmen an, dass ein großer Teil des Wassers durch Asteroiden auf die Erde gelangte, genauer gesagt durch ein regelrechtes Bombardement wasserreicher Brocken. Chemische und mineralogische Untersuchungen untermauern dieses Szenario und sprechen eher dagegen, dass auch Kometen bedeutsame Wasserbringer gewesen sein könnten. Ein besonders dramatisches Ereignis steht hingegen weiterhin im Verdacht, an der Entwicklung einer frühen Wasserwelt beteiligt gewesen zu sein: die kataklysmische Kollision mit einem etwa marsgroßen Himmelskörper, genannt Theia, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Aus Bruchstücken, die dieser kosmische Frontalcrash hinterließ, entstand unser Mond. Möglicherweise brachte Theia auch große Mengen an Wasser aus dem äußeren Sonnensystem mit auf die Erde. Meer aus Magma Ein Teil des irdischen Wassers könnte aber auch von Anfang an vorhanden gewesen sein – eingeschlossen in dem Material, aus dem der Planet entstanden ist. „Dieses Wasser konnte sich aber vermutlich nicht lange halten“, sagt Luca Fossati vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz. Denn der junge Planet war so heiß, dass sein erster Ozean nicht aus Wasser bestand, sondern aus Magma – noch war die Erde eine brodelnde Vulkanwelt, die vielleicht sogar vollständig von flüssiger Gesteinsschmelze bedeckt war. In dieser Suppe wurde alles Material eingekocht, das durch Meteoriteneinschläge und Kollisionen mit anderen Objekten die junge Erde erreichte. Als der Dauerbeschuss mit kosmischen Brocken seltener wurde, die Erde allmählich abkühlte und ihre Oberfläche erstarrte, bildete sich durch Ausgasungen wieder eine Gashülle, erklärt Fossati, der die Evolution von Planetenatmosphären erforscht. Die neue Erdatmosphäre bestand hauptsächlich aus Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid und Stickstoff. Als die Temperatur so weit abgesunken war, dass Wasser kondensieren konnte, brach ein geologisches Kapitel an, dem wir letztlich alles verdanken: Wolken entstanden, und es begann zu regnen – für eine halbe Ewigkeit. Die Verwandlung in einen blauen Planeten hatte begonnen. Weiße Welt Vorübergehend dürfte die Erde aber auch eine weiße Welt gewesen sein, ein riesiger gefrorener Schneeball: „Das ist ein etwas spekulativer Teil der Geschichte, aber wir sind ziemlich sicher, dass die Erde mindestens einmal komplett einfror – vielleicht sogar öfter“, sagt Fossati. Denn der Dauerregen ließ nicht nur einen Urozean entstehen, sondern hatte auch einen anderen Effekt: Er „spülte“ große CO2-Mengen aus der Atmosphäre. Die sinkende Konzentration des Treibhausgases und die immer dünnere Gashülle führten zu einer Abkühlung, wie sie der Planet bis dahin noch nicht erlebt hatte. Den Wiederauftauprozess leiteten Vulkane ein, die durch ihre Ausgasungen erneut eine CO2-reiche Atmosphäre aufbauten, bis das Eis wieder schmolz und abermals Regen einsetzen konnte. Als die Erde etwa 800 Millionen Jahre alt war, tauchte dann ein anderer Faktor auf, der alles verändern sollte: Leben. Die Stoffwechselvorgänge sogenannter chemolithotropher Mikroben, die zu den ältesten Erdenbewohnern zählen, erhöhten den Gehalt von Stickstoff und Methan in der Atmosphäre zunehmend. Sauerstoff, der heute ein Fünftel der Erdatmosphäre ausmacht, hatte seinen großen atmosphärischen Auftritt erst später. Leben unter Extremen Unter welchen Bedingungen die chemolithotrophen Urlebewesen vor mutmaßlich schon 3,8 Milliarden gedeihen konnten, wie sie selbst die Welt um sich veränderten und wo ähnliches Leben fern der Erde entstanden sein könnte, sind zentrale Forschungsfragen für Tetyana Milojevic. Die Astrobiologin von der Universität Wien erforscht das extreme Leben solcher Mikroben im Labor. „Diese frühen Lebensformen mussten die damals vorhandenen Ressourcen des Planeten nutzen – und das waren in erster Linie Wasser, Gesteine und Kohlenstoffdioxid. Sie mussten ihre Energie aus anorganischen Mineralquellen gewinnen“, sagt Milojevic. So soll die „Fahndungsliste“ für die Suche nach außerirdischem Leben um verdächtige Hinweise ergänzt werden. Denn vieles spricht dafür, dass zum Beispiel in unserer unmittelbaren Nachbarschaft einmal sehr ähnliche Bedingungen geherrscht haben wie auf der Erde: Der Mars war nicht immer jener unwirtliche Planet, den wir heute kennen. Lebensfreundliche Nachbarwelt Vor etwa 3,5 Milliarden Jahren schützte eine dichte Atmosphäre den Mars vor der lebensfeindlichen UV-Strahlung der Sonne, die Temperaturen waren deutlich milder als heute – und es gab flüssiges Wasser. Mit anderen Worten: Die Gegebenheiten auf unserem Nachbarplaneten ähnelten damals jenen auf der Erde. „Die Bedingungen des jungen Mars passen gut zu chemolithotrophen Lebensformen“, sagt Milojevic. Stabil war die Lage auf unserer Nachbarwelt nicht, allzu lange konnte der Mars die Voraussetzungen für Leben, wie wir es kennen, nicht halten: Er verlor erst große Teile seiner Atmosphäre und nach und nach auch sein Wasser – heute gibt es nur noch unterirdische Reservoirs von unklarer Größe. Manche Forscher schätzen, dass sich das Zeitfenster für Oberflächenwasser schon nach einigen Hunderttausend Jahren wieder schloss, während die Erde ihr System aus Ozean und Atmosphäre über Jahrmilliarden stabilisieren konnte. Die Voraussetzungen für die Entstehung von Leben auf dem Mars waren aber wahrscheinlich zeitweise günstig – die große Frage ist, ob auch etwas in Gang gekommen ist. Die Suche nach einer Antwort beschäftigt nicht nur Forscher auf der Erde, sondern

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