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Dies & Das: Warum Klimamigration für die EU relevant ist

Ökonomieblog Blog Lisa Thalheimer, Barbora Šedová 2. November 2021 Warum Klimamigration für die EU relevant ist Jüngste geopolitische Entwicklungen wie der anhaltende Konflikt in Syrien haben große Teile der Bevölkerung des Landes vertrieben. Viele der Betroffenen flohen vor den Folgen des Bürgerkriegs. Es kam zu grenzüberschreitenden Flüchtlingsströmen nach Europa. In diesem Zusammenhang ist die Öffentlichkeit oft besorgt über die Rolle des Klimawandels als Verursacher von Extremwetterereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama erklärte im Kontext des Klimawandels, dass Dürren und Missernten sowie hohe Nahrungsmittelpreise dazu beigetragen hätten, erste Unruhen in Syrien zu schüren. Eine ähnliche Aussage kam vom damaligen US-Außenminister John Kerry. Es sei kein Zufall, dass Syrien unmittelbar vor dem Bürgerkrieg eine der schlimmsten Dürren seit Beginn der Aufzeichnungen erlebte habe. Auch die aktuelle Krise in Afghanistan hat sowohl die Öffentlichkeit als auch die Medien auf die Frage aufmerksam gemacht, wie klimatische Bedingungen zu politischen Unruhen und Bürgerkriegen führen können. Diese Bedenken haben zu einer Welle an wissenschaftlicher Forschung geführt mit dem Ziel, mögliche Verbindungen zwischen klimatischen Veränderungen und Konflikten empirisch zu erfassen. In Syrien etwa hatten vor dem Aufstand mehrere aufeinanderfolgende Dürren von beispiellosem Ausmaß die bestehende Wasser- und Nahrungsmittelunsicherheit verschärft. Infolge dessen wanderten circa 1,5 Millionen Menschen aus ländlichen Landwirtschaftsgebieten in die Peripherie der Städte ab. So wurden, wie eine Studie aus dem Jahr 2019 belegen konnte, bereits bestehende Verwundbarkeiten verschärft, einschließlich Arbeitslosigkeit und Ungleichheit, die im Wesentlichen die Unruhen ausgelöst haben. Tücken eines vereinfachten Narrativs Die Syrien-Krise zeigt, es ist nicht ganz so simpel. Der britische Umweltschützer Norman Myers prägte 2002 das bedrohliche Bild der „Klimaflüchtlinge“. In diesem Sinne wurde Migration oft als drohende internationale Sicherheitskrise durch einen Strom von Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Klimawandel dargestellt. Dieses Stigma wurde in Diskussionen über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Sicherheit angewandt, bot fruchtbaren Boden für einwanderungsfeindliche Stimmungen und führte auf diese Weise sogar zur Umsetzung von konkreten politischen Maßnahmen. Die Migrationspolitik der EU zielt beispielsweise darauf ab, ihre Grenzen zu schützen, die Migration zu reduzieren und „alle an ihrem Platz zu halten“. Darüber hinaus sieht das US-Verteidigungsministerium klimawandelbedingte inner- und zwischenstaatliche Migration als sicherheitsgefährdende Entwicklung in den Zielländern. Wie sich jedoch wetter- und klimabedingte Ereignisse, wenn sie überhaupt einen sichtbaren Effekt haben, auf Konflikte auswirken und als Folge Vertreibung und Migration mit sich bringen, ist kontextabhängig. Das Klima ist nur einer von vielen Faktoren, die Humanmobilität prägen, und dessen Auswirkung ist eher indirekt als direkt. Weitere Faktoren wie Jobsicherheit, verbesserte Ausbildungschancen durch Studium oder die Arbeit werfen eine entscheidende Frage auf: Was hat der Klimawandel mit diesen komplexen Zusammenhängen eigentlich zu tun? Vereinfachende Narrative zum Klima-Konflikt-Migration-Diskurs können leicht zu falschen Schlussfolgerungen führen, die nicht der Realität der Klimamigration entsprechen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt diese Komplexität am Beispiel afrikanischer Trockengebiete auf. Die Enthüllung des Klimamigrationsmythos Während, wie das syrische Beispiel zeigt, Auswirkungen des Klimawandels durchaus internationale Vertreibung auslösen können, ziehen Klimamigranten doch vorwiegend in nahe gelegene Städte ihrer Heimatländer, aber nicht ins weit entfernte Ausland. So ist Migration eine wichtige Adaptionsstrategie, die die vom Klimawandel betroffene Bevölkerung bei der Anpassung an veränderte klimatische Gegebenheiten, die sich auf ihr Leben und ihren Beruf auswirken, unterstützt. Insgesamt kann eine solche Klimamobilität zu positiven Ergebnissen für alle Migranten sowie für die Entsende- und Aufnahmegemeinschaften führen. Die Abwanderung aus betroffenen Gebieten und die Verwendung von Rimessen, also Geldüberweisungen aus dem Ausland, werden als wesentliche Risikomanagement- und Überlebensstrategien im Heimatland angesehen. Dieses positive Framing impliziert, dass die Klimamigration tatsächlich zur Verringerung von existenziellen Vulnerabilitäten beitragen kann. Schon die Literatur zur Migrationsentwicklung hat den Mythos von Klimaflüchtlingen entlarvt und bietet ein differenzierteres Verständnis der menschlichen Mobilität. Sie erklärt die oft missverstandene Debatte über Migration und Entwicklung so: Weil Migration Finanzkapital erfordert, reduziert Armut die Abwanderung; im Gegensatz dazu führen wirtschaftliche Entwicklung und erhöhte finanzielle Mittel zu mehr Migration. Selbst in Ostafrika, einem Brennpunkt des Klimawandels, ist die Kurzstreckenmigration traditionell Teil der Lebensgrundlagensicherung und dient auch der Bewältigung von wetter- und klimabedingten Katastrophen. In einer sich erwärmenden Welt wird jedoch die Zahl der Menschen, die innerhalb ihres eigenen Landes vertrieben werden (Binnenvertreibung), voraussichtlich zunehmen. Macht dies nun Konflikte wahrscheinlicher? Der Zusammenhang zwischen wetter- und klimabedingten Geschehnissen und Migration ist komplex. Meist führen viele unterschiedliche Gründe und Faktoren zu einer Entscheidung, ob und wann Betroffene migrieren oder in betroffenen Gebieten bleiben. Konflikte fügen eine weitere Ebene der Komplexität hinzu. Daher lohnt es sich, näher zu betrachten, was bekannt ist und bei welchen Zusammenhängen noch zu viel Ungewissheit bleibt, um im Idealfall kausale Verbindungen ableiten zu können. Interne Mobilität Aber wer ist eigentlich von klimabedingter Migration und Konflikten betroffen? Es sind vorwiegend arme Gemeinden, die von Dürre und Wasserstress sowie von politischer Instabilität und wachsenden Konflikten betroffen sind. Sie könnten als Reaktion auf die Klimaschwellen gezwungen sein, umzusiedeln. Teilweise erhöht bereits eine Erwärmung um 1,5 Grad und mehr das Risiko von Intergruppenkonflikten deutlich, was wiederum eine verstärkte unfreiwillige Mobilität auslösen kann. Ebenso spielt die politische Ökonomie in Regionen, die von Krieg und Konflikten betroffen sind, eine entscheidende Rolle dabei, ob und wie lange bestehende Konfliktsituationen andauern. Das kürzlich erschienene Buch „The Wealth of Refugees“ beleuchtet die Wirtschaftskraft von Flüchtlingen aus Äthiopien, Kenia, Somalia und Uganda. Somalia zum Beispiel ist ein traditionell mobiles Land, in dem ein Großteil der Bevölkerung Hirten und Viehhalter sind. Allerdings ist es auch von wiederkehrenden Wetterextremen, langwierigen Konflikten, politischer Instabilität und vielschichtiger Vertreibung betroffen. Das ist an sich ein interessantes Beispiel. Man könnte meinen, die Bevölkerung wäre an diese Krisen „gewöhnt“. Allerdings machen es die zunehmenden und extremer werdenden Wetterbedingungen schwer für die Bevölkerung und erhöhen das Risiko von Vertreibung und Rohstoffkonflikten. Somalier sind stark auf Rücküberweisungen aus Nachbarländern in Ostafrika oder international, vorrangig aus den Vereinigten Staaten, angewiesen. Je nachdem, wie sie gehandhabt wird, kann die interne Mobilität an den Zielorten entweder eine Herausforderung darstellen oder Chancen eröffnen. Das schnelle Bevölkerungswachstum, sei es als Folge des Zustroms von Migranten aufgrund sich verschlechternder klimatischer Bedingungen oder aufgrund von Konflikten, setzt die Regierungen am Zielort unter Druck, grundlegende Dienstleistungen, Arbeitsplätze und Wohnraum bereitzustellen. Wenn Migration geplant

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