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Dies & Das: Zu wenig Bäume auf Österreichs Äckern

Laura Anninger 19. September 2021 Zu wenig Bäume auf Österreichs Äckern: Eine vertane Chance fürs Klima? In Agroforsten werden Land- und Forstwirtschaft kombiniert – oder um es verkürzt zu sagen: Man pflanzt Bäume auf Feldern. So simpel das klingt, so viele Vorteile bringt das. 20 Millionen Hektar Europas werden als Agroforst bewirtschaftet. Meist stehen Bäume und Sträucher auf Nutzkulturflächen. Ein kleinerer Anteil sind sogenannte silvopastorale Systeme, in denen Nutztiere zwischen Bäumen weiden. Ein größerer die traditionellen Agroforste, die sich über den gesamten Kontinent verteilen – von Portugal, wo Schafe zwischen Korkeichen grasen, über Streuobstwiesen in Österreich und Hutewälder in Deutschland bis zu borealen Nadelwäldern in Nordeuropa, in denen Rentiere gehalten werden. Modernen Agroforsten geht eine detaillierte Planung voraus. Das übernehmen Menschen wie Johanna Schoop. Die Umweltingenieurin begleitet für die Schweizer landwirtschaftliche Beratungsstelle Agridea seit Jahren Landwirte bei der Etablierung von Agroforsten. „Wenn der Boden tiefgründig genug ist und die Pflanzabstände richtig geplant sind, gibt es wenige Kombinationen aus Bäumen und Nutzkulturen, die nicht funktionieren“, sagt sie. Ein modernes Beispiel sei das Alley-Cropping. Dabei stehen Reihen von Bäumen oder Büschen auf dem Acker, etwa Walnussbäume im Weizenfeld. So hat man doppelt Ertrag, kann Weizen, Walnüsse und nach einigen Jahrzehnten auch Walnussholz vermarkten. Abgesehen davon bieten Agroforste Vorteile, deren Wert schwer in Zahlen zu gießen ist. Vor allem in Bezug auf Klimaveränderungen, die die Landwirtschaft schon heute bedrängen. Denn Dürreereignisse werden sich in Europa intensivieren, Überschwemmungen häufiger und heftiger auftreten. Das beeinflusst Vegetationsperioden und erhöht den Druck auf landwirtschaftliche Flächen. Was das für Österreich bedeutet, zeigte nicht zuletzt diesen Sommer. Unwetter setzten Äcker unter Wasser, zerstörten in Wolfsberg oder Deutschlandsberg ganze Mais- und Kartoffelernten. Die Erträge von Weizen in Ostösterreich sind ob der Dürre sogar auf historisch niedrigem Stand. Wohin das führt? Eine Studie von Ages, Boku, dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Wasserwirtschaft zeigt: Bei einer Abnahme des Jahresniederschlags von 20 Prozent und einem Temperaturanstieg von 3,5 Grad würde sich Österreich 2050 nicht mehr selbst mit essenziellen Lebensmitteln wie Weizen oder Kartoffeln versorgen können. Bessere Böden für Österreich Ein Lösungsansatz heißt Bodenverbesserung. Kaum verdichteter Boden mit großen Poren kann Wasser aufnehmen, halten und auch in Dürrephasen an Pflanzen abgeben. Agroforst kann dabei helfen, solche Böden aufzubauen. „Die zusätzliche Biomasse – also Blätter oder Feinwurzeln, die im Boden absterben – führen zu Humusbildung“, wodurch der Boden Wasser besser speichern könne, erklärt Umweltingenieurin Schoop. Ein Nachteil von Bäumen ist, dass sie mit Feldfrüchten um Wasser und Nährstoffe konkurrieren. Deshalb erzieht man die Bäume, indem man ihre feinen Seitenwurzeln beschneidet, dazu, tiefe Wurzeln zu bilden und sich so Wasser und Nährstoffe aus der Tiefe zu holen. Entlang dieser Tiefwurzeln kann wiederum Wasser versickern, was auch gegen Erosion hilft. Zudem schützen Hecken und Bäume Feldfrüchte vor Hitze und Wind. Weiterer Vorteil: gesteigerte Biodiversität. Unter der Erde leben mehr Regenwürmer, auf dem Feld dienen Bäume als Korridore und Aufenthaltsräume für Insekten und Säugetiere. Frankreich ist Vor- und Spitzenreiter im Bereich Agroforst. 2016 wurde ein nationaler Aktionsplan präsentiert. Auch in Deutschland und der Schweiz laufen Forschungs- und Etablierungsprojekte. Das österreichische Landwirtschaftsministerium teilt zwar mit, dass „die Wirkungen für das Kleinklima und den lokalen Wasserhaushalt, die Erhöhung der Artenvielfalt und der Schutz gegen Wassererosion positiv zu beurteilen sind“. Dennoch ist das System kaum verbreitet. „Ich kenne 50 Landwirte in Österreich, die Agroforst betreiben“, sagt Zeno Piatti. Er ist Obmann der Arge Agroforst, einer Vereinigung aus Landwirten, Ökologen und Forstwissenschaftern, die ein Ziel eint: Agroforst in Österreich zu etablieren. Das Problem liegt im Detail. Im Forstgesetz von 1975 steht sinngemäß: Pflanzt man Bäume ins Feld, kann es sein, dass die Fläche rechtlich zu Wald wird. Das hat für Landwirte zwei Nachteile: Der Wert wird vermindert und die Rodung der Bäume verunmöglicht – für unbegrenzte Zeit. Ein Risiko, das viele nicht eingehen möchten. Ausnahmen gibt es für Christbaumkulturen und Bäume, die nach höchstens 30 Jahren gerodet werden. Bekanntestes Beispiel sind Pappeln, aber auch für Wildkirschen, Robinien, Walnüsse und Edelkastanien bestehen Ausnahmen. Allerdings darf man sie nur für die Fruchtnutzung pflanzen. Einen Walnussbaum nach Jahrzehnten zu roden und das Holz zu vermarkten, wie in Agroforsten üblich? Unmöglich. „Das sind alles nur Zwischenlösungen“, sagt Piatti. „Wenn wir Agroforst in Österreich etablieren wollen, müssen wir das Forstgesetz ändern.“ Ein einfacher Satz, wonach Agroforst von der Waldwerdung ausgeschlossen sei, würde den Landwirten Sicherheit bringen. Finanzierungsfrage Aus dem Ministerium heißt es dazu, dass Regelungen im Rahmen einer etwaigen Novelle des Forstgesetzes „diskutiert“ werden, aber bereits jetzt „Bestimmungen für bestimmte Agroforstsysteme im Forstgesetz enthalten sind“. Doch nicht nur rechtlich, auch finanziell stehen Landwirte mit Agroforst anfangs schlecht da. Stehen mehr als 100 Bäume pro Hektar auf dem Feld, bekommen sie dafür keine Direktzahlungen, da die Fläche nicht länger als Acker klassifiziert wird. Anfangs sind die Investitionen für Baumpflanzungen hoch, die Erträge kommen erst später. Aus dem Österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (Öpul) bekommt ein Landwirt pro Baum oder Strauch, den er erhält, rund acht Euro jährlich. Neupflanzungen werden nicht gefördert. „Wir fordern nicht mehr Geld oder Anreize. Wir wollen nur gleichgestellt werden und Erfahrungswerte sammeln“, sagt Piatti. Seine große Hoffnung ist deshalb die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. In Brüssel ist das Thema nämlich längst angekommen. Die Kommission gibt Ziele und Indikatoren vor, die Nationalstaaten erhalten Spielraum zur Umsetzung mit positiven Folgen für das Klima. Noch Ende dieses Jahres wird Elisabeth Köstingers (ÖVP) Ministerium einen Strategieplan mit Maßnahmen an die Kommission schicken. Piatti wünscht sich darin Zugeständnisse für Agroforste und eine Flächendefinition, mit der Direktzahlungen für derartig genutzte Flächen möglich wären. CO2-Einsparungen Seine Hoffnungen könnten teils erfüllt werden: Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es, man könne sich größeren Spielraum hinsichtlich der Maximalanzahl an Bäumen vorstellen. Auch Förderungen werden diskutiert, allerdings nicht im Rahmen von Öpul. Dabei hat das System Effekte, die über die Äcker hinausgehen. „Agroforste können echte Kohlenstoffsenken sein“, weiß Mareike Jäger. Die Agraringenieurin forscht am Institut für Umwelt und natürliche Ressourcen der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. „Ist ein Weizenfeld abgereift, etwa im Juli, findet dort keine Fotosynthese mehr statt“, erklärt sie. Bäume können aber auch im Sommer Fotosynthese betreiben und CO2 in ihre

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