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Dies & Das: Sind wir bereit für die Kreislaufwirtschaft?

anfang: Neuer Dreh Sonja Bettel 16. Juni 2021 Sind wir bereit für die Kreislaufwirtschaft? Die EU möchte mit einem Aktionsplan bis 2050 einen nachhaltigen, zirkulären Umgang mit Ressourcen erreichen. Was die Forschung dazu beitragen kann und was nicht Minimaler Müll: Das ist das Ziel von Kreislaufwirtschaft. Jedes in einem Produkt verwendete Material soll so lange wie möglich seine Kreise ziehen und herkömmlicher Müll zu einer neuen Ressource werden. Das dämpft nicht nur Umweltverschmutzung und Klimawandel, sondern führt auch zu neuen Innovationen und einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem, so die Verheißungen. Doch wie da hinkommen? Im März hat die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG erstmals eine vom Klimaschutzministerium finanzierte FTI-Initiative für Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Heuer stehen rund zehn Millionen Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung, die eine Intensivierung der Produktnutzung, einen optimierten Ressourceneinsatz und das Schließen von Stoffkreisläufen zum Ziel haben. Die Kreislaufwirtschaft in Österreich soll damit einen ordentlichen Schub bekommen – ein Jahr nachdem die Europäische Kommission einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft angenommen hat, der einer der wichtigsten Bausteine des europäischen Green Deal sein soll. Umfassende Veränderung Es geht jetzt nicht mehr nur um richtige Mülltrennung und Recycling von Glas, Metall und Plastik, es geht um eine umfassende Veränderung von Produktentwicklung, Herstellung, Handel, Dienstleistung, Konsum und Wiederverwertung, wird betont. „Viele denken noch immer, dass Kreislaufwirtschaft nur ein Thema der Abfallwirtschaft ist“, sagt Rupert Baumgartner, Nachhaltigkeitsforscher an der Universität Graz. Die ökologische und soziale Nachhaltigkeit eines Produkts beginne allerdings beim Design und reiche über dessen gesamten Lebenszyklus. Dafür müsse man Umwelt und Nachhaltigkeit viel früher im Prozess und über die gesamte Wertschöpfungskette mitdenken. Baumgartner leitet seit November 2018 das Christian-Doppler-Labor (CD-Labor) für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft. Eine Delphi-Studie zu Kunststoffverpackungen, die im Rahmen des CD-Labors durchgeführt wurde, hat gezeigt, wo die Herausforderungen liegen: Zwischen Verpackungsherstellern, Abfüllern, Konsumenten und Recyclern gibt es keine Abstimmung. Die Hersteller wissen etwa zum Teil nicht, dass eine Abfallsortiermaschine schwarzen Kunststoff schlecht erkennen kann. Eine Barbecue-Sauce in einer schwarzen Plastikflasche verkauft sich also vielleicht gut bei grillenden Männern, die leere Flasche landet dann aber in der Müllverbrennung statt in der Wiederverwertung, weil die Sortieranlage nicht erkennt, welche Art von Kunststoff das ist. Ein K. o. für die Nachhaltigkeitsabteilung des Saucenherstellers, die sich vielleicht intensiv um Biozutaten aus fairem Handel bemüht hat. Das CD-Labor schaut sich deshalb an, wie Entscheidungsprozesse in Unternehmen und in der Wertschöpfungskette ablaufen, welche Informationen und Daten zwischen den Akteuren geteilt werden und welche nicht. „Ökobilanzen“, sagt Baumgartner, „haben wenig Einfluss auf Entscheidungen des Managements, weil sie sehr komplex sind und ihre Ergebnisse sich nicht so einfach transportieren lassen.“ Digitale Produktpässe Ist das Papiersackerl umweltfreundlicher als das Plastiksackerl? Ist es besser, die Milch in Einwegglasflasche, Mehrwegflasche, PET-Flasche oder Tetrapack zu füllen? Was heißt das für die Herstellung der Verpackung, den Transport, die Hygiene, das Marketing, den Preis, die Logistik? Wo kommen die Rohstoffe her, und wie sind die Produktions- und Arbeitsbedingungen dort? Eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse hat mehr Fragen als Antworten, oder jedenfalls keine einfachen Antworten. Unternehmen werden solche Antworten in Zukunft aber mehr und mehr brauchen, weshalb der Nachhaltigkeitsforscher auf digitale Werkzeuge setzt: „Informationen über ein Produkt könnten in digitalen Produktpässen über den gesamten Lebenszyklus gesammelt werden.“ Im Pass einer Autobatterie könnte stehen, woraus das Gehäuse besteht, welche Metalle und Chemikalien verwendet wurden, wie viele Ladezyklen sie hinter sich hat und ob sie noch fit ist für ein Elektroauto oder fortan als Speicher für die Photovoltaikanlage dienen soll. Virtuelles Modell Für die zirkuläre Produktentwicklung und -planung könnte das Konzept des digitalen Zwillings hilfreich sein, sagt Baumgartner. Das ist ein virtuelles Modell eines Produkts, eines Prozesses oder einer Dienstleistung, das die reale und die virtuelle Welt verbindet und es erleichtert, Prozesse zu überwachen, Probleme zu verstehen und Entwicklungen vorherzusagen. Mit dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft soll die Wirtschaft der EU umweltfreundlicher, wettbewerbsfähiger und konsumentenfreundlicher werden, Ressourcen sollen so lange wie möglich in der Wirtschaft verbleiben. Derzeit gehen viele Produkte zu rasch kaputt oder sind für den einmaligen Gebrauch bestimmt. Nachhaltige Produkte sollen in der EU die Norm werden. Sie sollen möglichst viele Sekundärrohstoffe enthalten, langlebiger sein und leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können. Damit Konsumentinnen und Konsumenten sich für Nachhaltigkeit entscheiden können, soll es entsprechende Informationen zu allen Produkten und Dienstleistungen geben. Einwegprodukte und Einwegverpackungen möchte die EU zurückdrängen und die getrennte Sammlung von Abfällen harmonisieren, damit es leichter wird, diese wieder in die Produktion zu bringen. Eigentlich soll es in Zukunft gar keinen Abfall mehr geben, alles soll als Rohstoff verstanden und verwendet werden. Für viele Materialien gibt es bereits mehr oder minder hochgesteckte Ziele: Bei Kunststoffverpackungen etwa muss bis 2030 eine Recyclingquote von 55 Prozent erreicht werden, in Österreich liegt sie wie berichtet derzeit bei gerade 25 Prozent. Bei Glas etwa, wo eine Quote von 75 Prozent erreicht werden soll, liegt Österreich schon jetzt mit 85 Prozent Recycling darüber, ähnlich ist es bei Papier und Metallen. Stiefkind Alttextilien Anders sieht es bei Textilien aus, die nach wie vor kaum recycelt werden. Was machen Sie, wenn Sie einen alten Pullover nicht mehr anziehen wollen, weil er fleckig ist und Löcher hat? In den Container einer Alttextilsammlung gehört er nicht, denn dort soll man nur brauchbare Kleidung einwerfen. Als Putzfetzen im Haushalt eignet er sich auch nicht. Also ab in den Restmüll. Dabei könnte man ihn als Rohstoff für Malervlies, für Industrieputzlappen, als Dämmmaterial oder recycelt als Faser für neue Bekleidung verwenden. Doch derzeit gibt es kein reguläres Sammelsystem dafür. Ab 2025 sollen daher laut EU-Vorgabe Alttextilien getrennt gesammelt werden. Problematisch ist außerdem, dass viele Textilien aus Mischfasern bestehen, die man kaum voneinander trennen kann. Ein Forschungsprojekt der Technischen Universität Wien, der Universität für Bodenkultur und der Montan-Uni Leoben gemeinsam mit Partnern aus Gewerbe und Industrie, initiiert von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus, hat in den vergangenen zwei Jahren untersucht, ob man die Baumwolle aus einem Mischgewebe mithilfe von Enzymen herauslösen und die Kunstfaser wiederverwenden kann. Prinzipiell funktioniert das schon, für die industrielle Umsetzung ist ein Folgeprojekt geplant. Mietwäsche aus PET-Flaschen In Deutschland sollen in einem Forschungsprojekt Fasern aus recycelten PET-Flaschen hergestellt und daraus Mietwäsche für Gastronomie und

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