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Dies & Das: Gehörte Literatur – Jane Austen: Mansfield Park(Audio)

Jane Austen: Mansfield Park Jane Austen: Mansfield Park (1/3) Jane Austen: Mansfield Park (2/3) Jane Austen: Mansfield Park (3/3) Zum Buch: Mit seinem Lebensernst ist „Mansfield Park“ das „deutscheste“ von Jane Austens Werken. Eine neue Übersetzung überträgt Austens souveränen Stil und die pointierten Dialoge mit geschmeidiger Eleganz ins Deutsche. „Mansfield Park“, der dritte Roman von Jane Austen, steht vor allem in Deutschland immer noch im Schatten der beiden berühmten Frühwerke „Vernunft und Gefühl“ und „Stolz und Vorurteil“. Fanny Price ist das Aschenputtel unter Austens Heldinnen. Sie ist keine selbstbewusste junge Adelsdame, sondern entstammt einer allzu kinderreichen Familie in prekären Verhältnissen; ihr Vater neigt zum Alkohol. Fanny wird deshalb aufgenommen in die Familie ihres reichen Onkels Sir Thomas Bertram. Dort wächst sie unter ihren Cousinen und Cousins auf, verschüchtert, in sich gekehrt, früh eine leidenschaftliche Leserin und vor allem: eine aufgeweckte Beobachterin ihrer Umwelt. Sie ist nur auf den ersten Blick eine unscheinbare Heldin, die gerade in ihrer abwartenden äußerlichen Passivität, die mit einem reichen Innenleben einhergeht, moderne Züge aufweist. Auch wenn man sie nicht gleich – wie Julika Griem im Nachwort – in eine Reihe mit Oblomow, Bartleby oder Figuren Coetzees stellen muss. Jane Austen lebte in der aufgewühlten Epoche der napoleonischen Kriege, aber die südenglische Provinz ihre Romane scheint wie aus der Welt gefallen. Diese Abgeschlossenheit bricht in „Mansfield Park“ ein wenig auf. Sir Thomas ist ein Jahr abwesend, weil er seine Plantagen in der Karibik inspizieren muss – man bekommt eine Ahnung, welche kolonialen Hintergründe sein Wohlstand hat. Als die neugierige Fanny allerdings eine Frage nach der Sklavenwirtschaft stellt, herrscht am Familientisch jene „Totenstille“, die mehr sagt als viele Worte. Eine Atmosphäre wie in deutschen Bildungsromanen Anrührend wird beschrieben, wie Fanny an ihrem Bruder William hängt, der zum Leutnant in der britischen Marine befördert wird – auch dies ein Stück zeitgenössische Wirklichkeit, denn siegreiche Seeschlachten (Trafalgar!) und gewinnträchtige Kaperfahrten sorgten für das hohe Prestige der Seeleute. Einen Charles Dickens vorwegnehmenden Realismus haben jene Kapitel, in denen Fanny nach Jahren erstmals wieder zu ihren Eltern nach Portsmouth reist. Gewohnt an den rücksichtsvollen Umgangston und die distinguierten Manieren von Mansfield Park, fühlt sie sich abgestoßen von Lärm, Enge und Streitsucht in ihrem Elternhaus. Trotzdem geht der Plan von Sir Thomas nicht auf, Fanny durch die Demonstration von Armut dazu zu bringen, in die profitable Heirat mit dem wohlhabenden Henry Crawford einzuwilligen. Denn natürlich hat auch „Mansfield Park“ die austentypischen Verheiratungsintrigen und Liebesverwicklungen. Mit einiger Komik wird beschrieben, wie Fanny die Liebesschwüre des notorischen Herzensbrechers Henry Crawford mit verlegenem Trotz abwehrt. Ihre heimliche Liebe gilt ihrem Cousin Edmund Bertram, der ein Pfarramt anstrebt. „Mansfield Park“ hat die atmosphärischen Qualitäten und den – von Fanny und Edmund verkörperten – Lebensernst, wie man sie sonst eher in deutschen Bildungsromanen findet. Es ist gewissermaßen das „deutscheste“ unter Austens Werken. Sehr zu begrüßen deshalb, dass es – neben der sehr verlässlichen Grawe-Ausgabe bei Reclam – nun diese neue Übersetzung von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié gibt. Sie überträgt Austens souveränen Stil, ihre wohlstrukturierten Satzperioden und ihre pointierten Dialoge nicht nur zuverlässig, sondern auch mit geschmeidiger Eleganz ins Deutsche.

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