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Dies & Das: Trumps Komplott

Republikaner Eric Frey 19. Dezember 2021 Trumps Komplott: Wie der Ex-US-Präsident sein Comeback plant Verschwörungstheorien sind Erklärungsmuster, die hinter zufälligen Ereignissen und Einzelentscheidungen einen großen Plan wittern – und sich meist leicht widerlegen lassen. Aber das ändert nichts daran, dass es Verschwörungen immer schon gab und weiterhin geben wird – und dass gerade jene Kreise, die hinter allem sinistre Kräfte vermuten, selbst zu solchen Komplotten neigen. In den USA könnte gerade eine solche Konspiration im Gang sein – eine, die das Ziel hat, die 230 Jahre alte Demokratie auszuhebeln und dafür zu sorgen, dass eine radikalisierte Minderheit mit einem diskreditierten Ex-Präsidenten an der Spitze in drei Jahren die Macht ergreift und diese nicht mehr abgibt. Sie läuft nicht im Geheimen ab, sondern im grellen Tageslicht, und sie kommt fast täglich ihrem Ziel näher. Sie baut selbst auf einer Verschwörungstheorie auf, auf der großen Lüge der gestohlenen Präsidentschaftswahl, aber sie ist real. In der jüngsten Ausgabe des US-Magazins The Atlantic hat der Starjournalist Barton Gellman die Ereignisse rund um den Sturm auf das Kapitol noch einmal analysiert und das Szenario detailliert beschrieben, das die USA 2024 erwartet: Donald Trump war am 6. Jänner viel näher am erfolgreichen Staatsstreich dran, als man damals ahnen konnte, und tut mithilfe seiner willfährigen Partei nun alles, damit der nächste Putsch im November 2024 nicht wieder scheitert. Barton Gellmans Warnung Gellmans erschreckende These beruht auf drei Argumentationssträngen: Der Sturm auf das Kapitol war keine spontane Gewaltaktion, sondern ein von Trump-Getreuen geplanter Akt mit dem klaren Ziel, Joe Bidens Wahlsieg zu annullieren und Trump im Amt zu belassen. In den wahrscheinlich wieder wahlentscheidenden Bundesstaaten Arizona, Pennsylvania, Georgia, Wisconsin und Michigan wird bereits der Boden dafür bereitet, dass deren Elektoren sich auch dann für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, der mit großer Wahrscheinlichkeit Trump heißen wird, entscheiden können, wenn ein Demokrat die Mehrheit der Stimmen erhalten hat. Und dahinter steht eine Massenbewegung von frustrierten Weißen, die nicht nur überzeugt sind, dass Trump der Wahlsieg gestohlen wurde, sondern die auch mit der Waffe in der Hand gegen ihre Feinde zu kämpfen bereit sind – Städter, Liberale und vor allem Minderheiten. Sie fürchten den „großen Austausch“, ein Begriff, der von europäischen Rechtsextremisten übernommen wurde, der sie verdrängen und ihre Welt zerstören würde. Und über genügend Waffen, das weiß man, verfügen diese Menschen. Unterwanderung der Demokratie Gellman hat bereits im September 2020 Trumps Strategie, um auch im Fall einer Niederlage an der Macht zu bleiben, skizziert und vieles von dem vorweggenommen, was in den Monaten nach der Präsidentenwahl geschah. Er war damals nicht der Einzige, der vor der Unterwanderung der Demokratie warnte, und auch jetzt gibt es in den Medien und an den Universitäten zahlreiche Stimmen, die sich in Schreckensszenarien gegenseitig übertreffen. Wer dies als Panikmache abtut, der folgt offenbar nicht den aktuellen Enthüllungen über die Hintergründe des 6. Jänner, in denen die engsten Trump-Berater eine Schlüsselrolle spielen. Wochenlang hatten sie versucht, über die Beamten und Politiker in den Bundesstaaten und die Gerichte, das Wahlergebnis umzudrehen. Doch das war ihnen nicht gelungen, und die Uhr tickte. Denn am 6. Jänner würde Vizepräsident Mike Pence vor beiden Kammern des Kongresses den Wahlsieg Bidens bestätigen – ein reiner Formalakt, zu dem er laut Verfassung verpflichtet war. Mark Meadows’ Schlüsselrolle Allen voran war es Trumps Stabschef Mark Meadows, der mit einer Gruppe von rechtsextremen Abgeordneten, darunter der prominente Jim Jordan, dies zu verhindern versuchte. Als Pence sich weigerte, blieb als letzte Option, die Kongresssitzung mit Gewalt zu unterbrechen und darauf zu setzen, dass die Parlamente in mindestens drei Bundesstaaten, die Biden knapp gewonnen hatte, neue Wahlleute einsetzen, die dann für Trump stimmen würden. Zumindest in Pennsylvania war dieser kleine Putsch bereits im Laufen. Mit dem Sturm auf das Kapitol sollte die Uhr gestoppt und Zeit gewonnen werden. Der Plan ging bekanntlich schief – aber nur knapp. Die Bilder der Gewalt schockierten selbst treue Trump-Loyalisten, die den Präsidenten anflehten, die Angreifer zurückzupfeifen. Vor dem offenen Staatsstreich schreckten auch Meadows und seine Verbündeten zurück, wie tausende Dokumente zeigen, die er vor kurzem dem Untersuchungsausschuss im Kongress zur Verfügung gestellt hat. Die Vorladung vor den Ausschuss ignoriert er hingegen so wie alle Trump-Berater und riskiert damit eine strafrechtliche Verurteilung. Trumps Niederlage am 6. Jänner und in den Tagen danach schien vernichtend, aber sie war es nicht. Zwar verurteilten die führenden Republikaner sein Verhalten, aber sie bewahrten ihn im Senat vor der Amtsenthebung, die jede weitere politische Kandidatur verhindert hätte. Das republikanische Fußvolk zeigte sich von seiner Behauptung des großen Wahlbetrugs überzeugt. Es war diese fanatisierte Parteibasis, die in den folgenden Monaten den Grundstein für Trumps wahrscheinliches Comeback gelegt hat. Donald Trumps Lackmustest Denn angesichts dieser aufgebrachten Stimmung in der Partei brach der Widerstand gegen Trumps Verschwörungstheorie rasch zusammen. Das Bekenntnis zur gestohlenen Wahl wurde zum Lackmustest für alle republikanischen Politiker, die sich irgendwann einer Vorwahl stellen müssen. Aus seinem Exil in Florida begann Trump mit einer gezielten Kampagne gegen all jene Parteifreunde, die sich gegen ihn gestellt oder auch nur Biden zum Wahlsieg gratuliert haben. Von der Handvoll an Abgeordneten, die für Trumps Impeachment gestimmt hatten, wurde Liz Cheney von ihrem Führungsposten im Kongress verjagt und könnte die nächste Vorwahl verlieren. Andere verzichteten von sich aus auf eine Wiederkandidatur. Trumps größter Hass gilt den Gouverneuren und Innenministern in Georgia und Arizona, die die Mär von Wahlbetrug nicht unterstützt haben. Und wenn Trump die Präsidentschaftskandidatur 2024 anstrebt, woran derzeit fast niemand zweifelt, dann wird ihm das kein Republikaner verwehren können. Zu hoch ist seine Popularität in der Basis. Viele regionale Maßnahmen Von noch größerer Bedeutung sind die vielen regionalen Maßnahmen, mit denen die Republikaner sich gegen zukünftige Wahlniederlagen absichern wollen. Dank ihrer Erfolge bei vielen Lokalwahlen im vergangenen Jahr können ihre Abgeordneten in den meisten Schlüsselstaaten die Grenzen der Wahlbezirke bestimmen, die aufgrund der Volkszählung von 2020 neu gezeichnet werden müssen. Das seit Jahrzehnten praktizierte Gerrymandering, mit dem die Stimmen zugunsten der Mehrheitspartei verteilt werden, kann nun ausgebaut werden, was den Republikanern bei den Zwischenwahlen im November 2022 mit großer Sicherheit die Mehrheit im Abgeordnetenhaus bringen sollte. Im Senat ist

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