Die Suche nach dem Magnetsinn
Ob Zugvögel, Fledermäuse oder Ameisen – viele Tiere finden ihren Weg dank ihres Magnetsinns. Bisher wurde dieser «innere Kompass» nie gefunden. Nun stellen Forscher eine neue Hypothese auf.
Das Erdmagnetfeld ist ein mächtiges Kraftfeld in und um unseren Planeten. Im Gegensatz zu uns Menschen können viele Tiere es wahrnehmen.
Wanderdrosseln und andere Zugvögel etwa nutzen das Erdmagnetfeld zur Orientierung. Auch Ameisen, Bienen oder Fledermäuse haben einen inneren Kompass.
Schwer zu durchschauen
Doch bis heute gleicht eine scheinbar banale Frage der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen: Wo im Körper der Tiere steckt ihr magnetischer Kompass?
Bloss für manche Mikroorganismen liess er sich lokalisieren: Die in Gewässern lebenden «magnetotaktischen Bakterien» tragen Eisenkristalle in sich, die kettenförmig angeordnet sind, ähnlich einer Kompassnadel.
Im Schnabel oder im Auge?
Doch für Zugvögel und andere höher entwickelte Lebewesen gibt es nur Vermutungen. Die zwei wichtigsten: Der Magnetsinn könnte sich bei Vögeln in eisenhaltigen Nervenzellen in der oberen Schnabelhaut befinden – oder in einem Protein namens Chryptochrom in der Augennetzhaut.
Beide Annahmen liessen sich bisher nicht sicher nachweisen. Auch im Innenohr, in Teilen des Gehirns und an diversen anderen Stellen des Körpers haben Forschende schon nach dem Magnetsinn der Tiere gesucht.
Verteiltes System
Martin Wikelski ist der Direktor des deutschen Max-Planck-Instituts für Ornithologie. Der Biologe leitet das raumfahrtgestützte Tierbeobachtungsprojekt «Icarus» und befasst sich dabei auch mit dem tierischen Magnetsinn.
Er stellt nun eine ganz andere Hypothese auf: «Die Wahrnehmung des Erdmagnetfelds basiert möglicherweise nicht auf einem bestimmten Organ, sondern ist verteilt auf Zellen im ganzen Körper. Der Magnetsinn ist also eine Art Schwarmintelligenz-Phänomen im Körper.»
Paramagnetische Zellen
Was Martin Wikelski mit Kollegen nun untersucht, sind «paramagnetische Zellen», also unterschiedliche Körperzellen, die unter anderem spezielle Eisenmoleküle enthalten. Sie reagieren daher, wenn man sie durch ein Magnetfeld bewegt.
Für sich genommen reagiert jede Zelle nur sehr schwach. «Doch wenn viele kleine Zellen mit geringer Magneteigenschaft zusammen kommen, könnte sich eine Verstärkung der Magnetinformation ergeben», sagt Wikelsi, «sodass man diese Information übers Nervensystem messen kann.»
Das Prinzip, dass einzelne Partikel ein ganzes System beeinflussen, lässt sich im Tierreich bei Bienen, Ameisen oder manchen Fischarten gut beobachten.
Nun wollen die Forscher also eine Ebene tiefer gehen – statt von einzelnen Tieren, die im Schwarm funktionieren, wechseln sie auf die Ebene von einzelnen Zellen, die schwarmartig funktionieren könnten.
Nadeln im Heuhaufen
Wie genau die Forscher ihre neue Hypothese zum Magnetsinn genau analysieren und mit welchen Ergebnissen, wollen sie nicht verraten. Die Forschung sei noch am Laufen – sprich: noch nicht publiziert.
Sicher ist: Die Wissenschaftler suchen nicht mehr nur nach einer, sondern quasi nach vielen Nadeln im Heuhaufen.
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