Dies & Das: Wenn der Bundespräsident leise warnt

Wenn der Bundespräsident leise warnt

Alexander Van der Bellen fürchtet um den Bestand der „liberalen Demokratie“ im Westen

Interessant, dass der Bundespräsident in seiner Ansprache zum 65. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages im Wiener Belvedere einen ganz speziellen Begriff verwendete, und zwar mit leicht warnendem Unterton: „Mit diesem Leben in Freiheit, in einer liberalen Demokratie, müssen wir verantwortungsvoll umgehen.“

Warum gerade „liberale“ Demokratie. „Demokratie“ alleine genügt nicht? Alexander Van der Bellen ist ein Intellektueller, und er überlegt sich gut, was er sagt. Man hat in den letzten Jahren von der „liberalen“ Demokratie zu sprechen begonnen, um sie von anderen Erscheinungen abzugrenzen, die immer häufiger werden: der „illiberalen“, der „autoritären“, der gelenkten Demokratie.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Ansprache zum 65. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrages.
Foto: APA/PRÄSIDENTSCHAFTSKANZLEI

n den Ländern, in der diese Form der Demokratie herrscht, steht meistens ein „starker Mann“ oben, es wird zwar gewählt, aber das bedeutet nichts. Die Opposition und die kritische Öffentlichkeit haben keine Chance, die Justiz und der ganze Staatsapparat sind im Dienste des autoritären Herrschers. In der EU ist es in Ungarn so weit, in Polen fast, von den europäischen Nachbarn stehen vor allem Russland und die Türkei im Zeichen der autoritären Demokratie. Wobei diese Regime durchaus die Unterstützung einer Mehrheit der Wähler haben mögen, aber sie sind trotzdem keine echten Demokratien. Und: Wenn Donald Trump könnte, wie er wollte, richtete er ein ähnliches System ein.

Willkürherrschaft

Van der Bellen verwendete den Begriff „liberale Demokratie“, weil er leise um ihren Bestand im Westen fürchtet. Tatsächlich sind die Vorgänge in den USA bedenklicher, als wir hier registrieren. Trump ist bereits dabei, das Justizsystem auszuhebeln, indem er das Verfahren gegen seine früheren Kurzfrist-Sicherheitsberater Michael Flynn niederschlagen lässt. Das Ganze steht in Verbindung mit dem nach wie vor unaufgeklärten russischen Einfluss auf die US-Wahlen 2016.

In der EU ist es in Wahrheit eine Katastrophe, dass Ungarn bereits das Vollbild einer Willkürherrschaft zeigt, mit Ausschaltung des Parlaments und Polizeiaktionen gegen Kritiker, alles unter dem Vorwand „Corona“. Soeben hat Viktor Orbán verkünden lassen, dass man die Dekretherrschaft wieder zurücknehmen könnte. Offenbar will er keine echten EU-Sanktionen provozieren. Aber die Tatsache allein, dass die liberale Demokratie in einem EU-Mitglied ausgeschaltet und in einem anderen (Polen) bedroht ist, sollte alarmieren.

Wenn VdB meint, wir Österreicher sollten mit unserer liberalen Demokratie verantwortungsvoll umgehen, dann spricht er auch die aktuelle Situation mit den Grundrechtsbeschränkungen an: „Es ist ganz schön was verlangt worden von uns und unserer Demokratie.“

Die Aufgabe der nächsten Wochen und Monate wird daher sein, darauf zu achten, dass diese Grundrechtseinschränkungen wieder möglichst rasch beseitigt werden. Die Krise hat übrigens auch eine starke Strömung von Verschwörungstheoretikern und Extremisten hervorgebracht, die die Maßnahmen gegen die (von etlichen geleugnete) Corona-Krise ablehnen, aber dabei noch eine Hidden Agenda mitschleppen: die Ablehnung und Abschaffung des „Systems“, nämlich der liberalen Demokratie selbst. (Hans Rauscher, 15.5.2020)

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Video:Rede des Bundespräsidenten anlässlich 65 Jahre Staatsvertrag