Dies & Das: Streiflichter III vom 22.8.2020

Angriffe österreichischer Rechtsextremer auf Greta ThunbergZwei Jahre „Fridays for Future“: Von der „Klima-Hysterie“ zur „Zöpferl-Diktatur“

Angriffe österreichischer Rechtsextremer auf Greta Thunberg

Seit ihrer Gründung am 20. August 2018 steht die „Fridays for Future“Bewegung im Fokus rechtsextremer Angriffe. Die verbalen Attacken gegen Greta Thunberg zeigen, dass sich aktuell auch ein sozialer Klimawandel abzeichnet, der beispielsweise nicht davor zurückschreckt, eine junge engagierte Frau zu diffamieren und zu beleidigen.

„Klimahysterie“ von der FPÖ bis zu den Identitären

Im Einklang mit anderen rechten Parteien macht auch die stärkste parlamentarische, rechtsextreme Kraft in Österreich, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) seit geraumer Zeit mittels fragwürdiger Positionen zum Klimawandel auf sich aufmerksam. Die dabei zum Einsatz gebrachten diskursiven Umgangsstrategien reichen von Bagatellisierung, Teilleugnungen bis zur gänzlichen Weigerung, menschengemachte Veränderungen des Klimas anzuerkennen. Durch neue Wortschöpfungen wie „Klima-Hysterie“ (Bildungssprecher der Wiener FPÖ, Maximilian Krauss, 2019) oder „Klima-Populismus“ sowie „Klima-Polemik“ (Umweltsprecher der FPÖ, NAbg. Walter Rauch, 2019) versuchen einzelne FPÖ-Politikerinnen und -Politiker nicht nur die Relevanz des Themas in aktuellen politischen Debatten herunter zu spielen, sondern auch das damit verbundene Engagement als „übertrieben“ und daher unnötig abzuwerten.

„Fridays for Future“-Demo in Wien
Judith Goetz

Auch Identitären-Kader Martin Sellner setzte sich im Vlog „7 Fragen & Antworten zu Klima, Umweltschutz & Rezo“ mit Fragen rund um die Bewertung der „Fridays for Future“ und anderen möglichen ,patriotischen‘ beziehungsweise rechtsextremen Positionen zu Umweltpolitik und Klimaschutz auseinander. Darin betont er zwar, dass es zu ökologischen Themen innerhalb der Gruppe verschiedene Meinungen gebe, gleichzeitig konstruiert er aber auch einen Zusammenhang zwischen der „Kritik der Masseneinwanderung und des Bevölkerungsaustauschs mit der Überwindung der Klimakrise“. Gerade deswegen machen sich die Identitären auch für Grenzen stark: „Wir sind für die Grenzen der Völker, wir sind für die Grenzen des Anstands, die Grenzen der Geschlechter, die Grenzen der Familie und auch die Grenzen des Wachstums.“ Ihm zufolge wären nicht nur die Gründe des Klimawandels im „menschengemachte[n] Bevölkerungswandel“, über den niemand sprechen würde, zu suchen, sondern ausschließlich über dessen Beendigung zu lösen.

Gleichzeitig echauffiert er sich im besagten Vlog darüber, dass die Presse, die durch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg in Gang gesetzte Kritik am Klimawandel stets bejubelte, wohingegen seinem Alarmismus in Bezug auf den „Bevölkerungswandel“ keine vergleichbare Zustimmung entgegengebracht würde. Er bleibt nicht dabei stehen, sich mit ihr in Konkurrenz zu setzen, sondern beklagt sich in einem Podcast, bei dem er als Gast eingeladen ist auch darüber, dass sie nicht kritisiert werden könne, weil sie ein Kind sei. So findet er Umwege, um Thunbergs Engagement zu ,kritisieren‘ indem er ausführt, dass ,Kinder‘ nicht in der Politik eingesetzt werden sollten. Damit er bedient er gleich mehrere Delegitimierungsnarrative, dass Thunberg zu jung wäre, um zu wissen, was sie da eigentlich tut und, dass sie eigentlich im Interesse Anderer handeln und von selbigen instrumentalisiert und gesteuert werde.

„Hässliches Mäderl mit fettigen Zöpfen“

Sellners Angriffe auf Greta Thunberg sind jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der Identitären. Im Gegenteil werden unterschiedliche rechtsextreme Akteurinnen und Akteure in Österreich und darüber hinaus nicht müde, das Engagement wie auch das Aussehen der jungen Aktivistin auf verbal-gewaltvolle Art und Weise abzuwerten. Die Heftigkeit der Reaktionen sowie der Hass, der ihre öffentlichen Auftritte begleitet, lassen aufhorchen und verlangen ein genaues Hinsehen – nicht nur weil sie ihresgleichen suchen, sondern auch weil sie als Symptom eines veränderten gesellschaftlichen Diskurses gesehen werden müssen, der nicht davor Halt macht, eine engagierte junge Frau zu attackieren, diffamieren und zu beleidigen. Vor allem in den Kommentarspalten unterschiedlichster Onlineforen treffen sich in den Angriffen auf Thunberg Paternalismus, Lookismus mit Sexismus und Behindertenfeindlichkeit. Beschimpfungen und Beleidigungen, die von „Klima-Deppen“ (Zur Zeit) über „schwedische Göre mit dem sauertöpfischen Gesicht“ (Zur Zeit) bis hin zu „hässliches Mäderl mit fettigen Zöpfen“ (Chefredakteur des rechten Magazins Alles Roger, Roland Hofbauer) reichen, stellen in rechten Kreisen eher die Regel als eine Ausnahme. In den wenigsten Fällen wird auf Thunbergs Argumente Bezug genommen.

Nicht selten stehen Thunbergs Asperger-Diagnose sowie ihr Alter im Mittelpunkt der diskursiven Abwertungen, die vor allem auf Pathologisierungen und/oder Infantilisierungen abzielen. So wird Thunberg immer wieder als naiv, unwissend, kindlich oder gutgläubig sowie als „Mäderl“, „Mädchen“, „Göre“, „Kind“ oder sogar „Marionette“ (Pete‘s Podcast) dargestellt. Die rechtsextreme österreichische Wochenzeitung Zur Zeit wiederum bezeichnete die Aktivistin sogar als „psychisch krank“. Die Diagnose wird gemeinsam mit dem Alter in den entsprechenden Äußerungen herangezogen um sie als ,hypersensibel‘ oder ,labil‘ darzustellen und so nahe zu legen, dass ihre politischen Anliegen ,übertrieben‘ seien.

Andererseits dient die paternalistische Betonung der kindlichen Unschuld, aber auch Naivität dazu, dem Vorwurf der Instrumentalisierung Nachdruck zu verleihen, weil es besonders unverantwortlich sei, ein labiles Mädchen für politische Interessen zu benutzen. Von Beginn an wurde Thunberg nämlich eigene politische Willenskraft abgesprochen und in antisemitischer Verschwörungsmarnier geheime Drahtzieherinnen und Drahtzieher wie „die Globalisten“ (Pete‘s Podcast) oder „die Eliten“ (Zur Zeit) hinter ihrem Engagement vermutet oder gar ausgemacht. Hinzu kommen außerdem antikommunistische Narrative, die versuchen, Thunbergs Einsatz für Klimagerechtigkeit als autoritäre, politische Indoktrination eines Kindes durch Erwachsene abzutun, beispielsweise wenn Sellner Vergleiche zur Freien deutschen Jugend (FDJ) der DDR zieht. Andererseits lassen sich sogar Postings im Internet finden, die Heinrich Himmlers Instrumentalisierung seiner Tochter und dem Umgang mit Thunberg vergleichen. Anknüpfend an derartige Diskurse kommt es nicht selten zu einer Darstellung der ganzen Bewegung als autoritär oder auch als Religion, wenn von einer „minderjährige[n] Heilige[n]“ (AfD Heidelberg) die Rede ist oder von einer „Klimareligion“. Während im ersteren Fall im Vordergrund steht, die Anliegen der Klimagerechtigkeitsbewegungen als auferzwungen zu charakterisieren, geht es im zweiten Fall darum, die Anhängerinnen und Anhänger als verblendet einzuordnen oder Klimaagenden als „Glaubensfragen“ (Gudenus) zu verkaufen.

#hatespeechisfreespeech – Hatespeech als freie Meinungsäußerung?

Im Zentrum rechter Angriffe steht zudem des Öfteren Thunbergs äußeres Erscheinungsbild und so lassen sich insbesondere auf Social Media Kanälen eine Fülle unvorteilhafter Fotos der Aktivistin finden, die in der Regel mit abwertenden Kommentaren versehen sind. Wie FPÖ Fails dokumentierte, waren beispielsweise in den Kommentarspalten des Facebooks Accounts von Vesna Schuster (FPÖ), unter einem Artikel, dass Thunberg zur wichtigsten Frau des Jahres in Schweden ernannt wurde, Äußerungen wie die folgende finden: „Mongoloid, hässlich, extrem schiach, eine geistige Behinderte. Diese kleine Drecksau gehört nach Afrika versandt, dort unten ist ihr IQ wenigstens Durchschnitt.“ An diesem Beispiel verdeutlicht sich nicht nur der niederträchtige Ton der Beleidigungen, sondern auch die Verbindung zwischen Sexismus und Behindertenfeindlichkeit auf der einen Seite und Sexismus, Paternalismus und Rassismus auf der anderen Seite. Zudem lassen sich daran in den Angriffen immer wiederkehrende diskursive Muster festmachen: der Wunsch nach Zurückdrängung aus dem öffentlichen Raum sowie die Delegitimierung politischer Forderungen durch den Verweis auf Dummheit und/oder Unzurechnungsfähigkeit.

Die Berechtigung der öffentlichen Präsenz und Aufmerksamkeit, die der jungen Frau aktuell zukommt, soll hier mit dem ,Vorwurf der Hässlichkeit‘ geschmälert und vermutlich dem (männlichen) Wunsch Ausdruck verliehen werden, dass ,hässliche Frauen‘ aus der öffentlichen Berichtserstattung verschwinden sollten. Durch Postings wie das oben zitierte, entsteht zudem der Eindruck als könnten insbesondere viele Männer nicht mit dem Erfolg einer jungen starken Frau umgehen. Weil sie ihre männliche Vorherrschaft in Gefahr sehen und sich selbst so sehr bedroht fühlen, scheint beinahe zu jedes Mittel zur Abwehr und Verteidigung ihrer Privilegien recht. Die Vorwürfe der ,geistigen Behinderung‘ sowie des ,niedrigen IQs‘ wiederum zielen auf die Aberkennung ihrer Zurechnungsfähigkeit und damit verbunden auch die Abwertung der Richtigkeit ihrer politischen Anliegen.

Auch Alexander Schleyer, Ex-Mitarbeiter von FPÖ-NAbg. Christian Höbart und Identitärer, der sich vor allem als Kapitän der „C-Star“ einen Namen machte, jenem Schiff, das die Identitären charterten um NGOs davon abzuhalten, Geflüchtete im Mittelmeer zu retten, scheute nicht davor zurück, verachtende Kommentare zu Thunberg im Netz zu veröffentlichen. „Körperlich unterentwickelt, geistig gestört und eine Fresse wie sechs Wochen Durchfall. Dieses Blag widert mich wirklich an. #hatespeechisfreespeech“, schrieb er auf Facebook. Gerade durch den Hashtag, mit dem er sein Posting versehen hat, macht Schleyer wie auch viele andere Hass-Posterinnen und -Poster klar, dass für ihn Diskreditierung, menschenverachtende Abwertung und Beleidigungen zur freien Rede oder gar Meinungsfreiheit gehören sollten. Sie sind nicht nur Ausdruck der beschriebenen (männlichen) Abwehr von (jungen) Frauen in machtvollen gesellschaftlichen Positionen, sondern sie zeigen vor allem auch eines: Die damit verbundene stetige Ausweitung der Grenzen des Sagbaren sowie die Verrohung der Sprache führen auch zu einem menschengemachten Wandel des sozialen Klimas, das derartige Äußerungen nicht mehr als Skandal erachtet, sondern als legitime Beiträge im gesellschaftlichen Diskurs zu normalisieren versucht. (Judith Goetz, 20.8.2020)

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschafterin, Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit sowie des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus. Bei dem Beitrag handelt es sich um einen gekürzten Vorabdruck eines Beitrags aus dem schulheft 2/20 – 178 „Unser Haus brennt! Schule und Gesellschaft in der Klimakrise“.

Zuletzt erschienen die von Goetz mitherausgebenen Sammelbände „Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identitären'“ (2017) sowie der dritte Sammelband der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit „Rechtsextremismus: Band 3: Geschlechterreflektierte Perspektiven“.

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