26. Dezember 2018, 09:00
Die Standard-Wissenschaftsredaktion bietet auch heuer wieder einen Überblick über ihre Lektüre der vergangenen zwölf Monate
Carlo Rovelli, „Die Ordnung der Zeit“
foto: rowohlt 190 Seiten. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2018
Seine ganz persönliche Suche nach der Struktur von Raum und Zeit erzählt der italienische Physiker Carlo Rovelli in seinem aktuellen Buch. Wie nebenbei erfährt man dabei auch, wie wir uns ein Universum ohne Zeit vorstellen können und welche Theorie Quantenphysik und Relativitätstheorie vereinen könnte.
Patricia Fara, „A Lab of One’s Own“
foto: oxford university press 334 Seiten. Oxford University Press, Oxford 2018
Wie der Erste Weltkrieg Forscherinnen, Medizinerinnen oder Ingenieurinnen die Möglichkeit eröffnet hat, ihre Arbeit selbstständig voranzutreiben und in Positionen aufzusteigen, die zuvor Männern vorbehalten gewesen waren, beleuchtet die britische Wissenschaftshistorikerin Patricia Fara (Cambridge Universität).
Hannah Arendt, „Der Liebesbegriff bei Augustin“
foto: meiner 174 Seiten. Meiner, Hamburg 2018
Die Dissertation einer Meisterdenkerin ist mit Hannah Arendts 1928 verfasstem Text „Der Liebesbegriff bei Augustin“ neu aufgelegt worden – mit einer Übersetzung aller Originalzitate und einem einführenden Essay der Herausgeberin Frauke Kurbacher. Damit liegt die existenzphilosophische Abhandlung über die Liebe in neuer Form vor.
Stephen Hawking, „Kurze Antworten auf große Fragen“
foto: klett-cotta
256 Seiten. Klett-Cotta, Stuttgart 2018
Gibt es einen Gott? Gibt es außer uns intelligentes Leben im Universum? Werden wir auf der Erde überleben? Derlei große Fragen behandelt der im März dieses Jahres verstorbene Stephen Hawking in seinem posthum erschienenen Buch – es sind anregende, letzte Denkanstöße des genialen Physikers für seine Nachwelt.
Hans Rosling, „Factfulness“
foto: ullstein 400 Seiten. Ullstein, Berlin 2018
Warum wollen viele Menschen gerade den Fake-News glauben? Auf Fragen wie diese versuchte der mittlerweile verstorbene Arzt und Statistiker Hans Rosling zuletzt eine Antwort zu geben. Dieses Buch ist sein Vermächtnis, das brillant erzählte Werk eines großen Aufklärers, eine Handreichung für Zeiten, in denen Wirklichkeit auswechselbar scheint.
Michael Ruetz, „Pogrom 1938. Das Gesicht in der Menge“
foto: nimbus 144 Seiten. Nimbus-Verlag, Zürich 2018
Der Berliner Fotograf Michael Ruetz hat für diesen Band fotografische und textliche Zeitdokumente vom Pogrom 1938 gesammelt und sie mit Kommentaren versehen. Der Schwerpunkt liegt auf lachenden, entspannten Gesichtern von Schaulustigen: ein erschreckender Blick in die Abgründe der Niedertracht.
Mickaël Launay, „Der große Roman der Mathematik“
foto: c. h. beck 256 Seiten. Beck, München 2018
Wahrscheinlich gehen Sie davon aus, dass Mathematik eine recht mühselige Angelegenheit ist. Dann werden Sie so wie ich von diesem Buch überrascht sein, das von einem französischen Youtube-Star geschrieben wurde. Er eröffnet hier allen Lesern eine spannende Welt des Denkens, die vielleicht niemals so leicht begreifbar erschien.
Florence Guiraud, „Wie siehst du denn aus?“
foto: knesebeck 96 Seiten. Knesebeck, München 2018
Vögel, Insekten, Schmetterlinge und Fische sind die Akteure in diesem Buch. Die Autorin hat sich Enzyklopädien zum Vorbild genommen, die Wissenschafter dereinst mit Zeichnern produziert haben. Dazu gibt es jede Menge Kuriositäten. Dass manch ein Vogel einen Blick wie eine Comicfigur hat, wird der Leserschaft gefallen.
Adam Rutherford, „Eine kurze Geschichte von jedem, der jemals gelebt hat“
foto: rowohlt 464 Seiten. Rowohlt, Reinbek 2018
Wer sind wir eigentlich, und woher kommen wir? Der britische Genetiker und Journalist Adam Rutherford geht dieser großen Frage aus molekularbiologischer Perspektive nach und unternimmt eine fesselnde Reise durch das menschliche Genom. Dabei werden mitunter kuriose Erkenntnisse serviert und Mythen entkräftet.
Simon Ings, „Stalin und die Wissenschaftler“
foto: hoffmann und campe 592 Seiten. Hoffmann und Campe, Hamburg 2018
„Sozialismus ist Wissenschaft“, erklärte einst der sowjetische Diktator Josef Stalin. Der Autor Simon Ings legt in seinem Buch eine erschreckende wie faszinierende Wissenschaftsgeschichte der Sowjetunion bis in die 1950er-Jahre vor, die aufzeigt, was passiert, wenn Ideologie die Forschung für sich vereinnahmt.
Timothy Snyder, „Der Weg in die Unfreiheit“
foto: c. h. beck 376 Seiten. C. H. Beck, München 2018
Fake-News, Cyberangriffe und die Aushöhlung der westlichen Demokratie: Der renommierte US-Historiker Timothy Snyder stellt die Politik Wladimir Putins in einen globalen Zusammenhang und untersucht die krisenhafte politische Gegenwart als eine Chronologie der gezielten Destabilisierung Europas und der USA.
Floris Heyne et al., „Apollo VII-XVII“
foto: teneues 320 Seiten. teNeues, Berlin 2018
Im Juli 2019 jährt sich die erste bemannte Mondlandung zum 50. Mal. Ein neuer Bildband gibt anhand von 225 Originalaufnahmen der Apollo-Missionen und teilweise bisher unveröffentlichtem Archivmaterial der NASA einen wunderbaren Einblick in diesen Meilenstein der Raumfahrt- und Menschheitsgeschichte.
David Reich, „Who We Are and How We Got Here: Ancient DNA and the New Science of the Human Past“
foto: oxford university press 335 Seiten. Oxford University Press, Oxford 2018
Die Erkenntnisse, die im Labor des Harvard-Genetikers David Reich anhand der Analysen alter DNA gewonnen wurden, haben die Menschheitsgeschichte umgeschrieben. Reichs eigene Darstellung dieser Umwälzungen bietet erhellende Einblicke in ein aufregendes Forschungsfeld.
Eva F. Dahlgren, „Großvater war Rassenbiologe. Eine Geschichte über Menschenwürde“
foto: wallstein 335 Seiten. Wallstein, Göttingen 2018
Rassenbiologie gilt als „Nazi-Wissenschaft“. Doch bereits zuvor war sie in Schweden etabliert, wie die Journalistin Eva Dahlgren anhand ihres Großvaters zeigt, eines der führenden skandinavischen Rassenbiologen. Eine berührende und lehrreiche Aufarbeitung einer schwierigen Familiengeschichte.
Johanna Romberg, „Federnlesen. Vom Glück, Vögel zu beobachten“
foto: lübbe 304 Seiten. Lübbe, Köln 2018
Ein echter „Birder“ zu werden wird sich in meinem Leben zwar wahrscheinlich nicht mehr ausgehen. Die preisgekrönte deutsche Journalistin Johanna Romberg hat mir die Faszination des Vogelbeobachtens aber immerhin so gut erschlossen, dass ich zumindest zu einem Vogel(buch)freund und Meisenfütterer wurde.
Mathieu Vidard, „Science to go. Merkwürdiges aus der Welt der Wissenschaft“
foto: dtv 319 Seiten. dtv, München 2018
Ein wunderbares Büchlein für Zeiten der reduzierten Aufmerksamkeitsspanne: Der französische Wissenschaftsjournalist Mathieu Vidard hat auf gut 300 Seiten 226 Texte, Listen und Grafiken kompiliert, die erstaunliche Antworten der Wissenschaft auf Fragen liefern, die Sie sich vermutlich eher noch nicht gestellt haben.
Mary Robinette Kowal, „The Calculating Stars“
foto: tor books 432 Seiten. St Martin’s Press, New York 2018
Margot Lee Shetterlys Sachbuch „Hidden Figures“ holte die Mathematikerinnen der NASA aus der Vergessenheit zurück. US-Autorin Mary Robinette Kowal lässt darauf diesen Roman folgen, der formal zwar in einer Parallelwelt angesiedelt ist. Doch ist auch er ein Hymnus auf die (weiblichen) Pioniere des Weltraumzeitalters.
Adrian Tchaikovsky, „Die Kinder der Zeit“
foto: heyne 670 Seiten. Heyne, München 2018
Im SF-Roman des Jahres schildert Adrian Tchaikovsky, wie aus Instinkt Intelligenz und aus Evolution Geschichte wird. Ein Gentechnik-Experiment sollte die Intelligenz von Affen steigern – doch durch einen Betriebsunfall erwischt es stattdessen Springspinnen. Klingt nach Horror, doch so sympathisch wurden die Achtbeiner noch selten beschrieben.
Bryce Zabel, „Once There Was a Way. What If the Beatles Stayed Together?“
foto: diversion books 308 Seiten. Diversion Books, New York 2017/18
Kontrafaktische Sachbücher kreisen meist um politische Ereignisse. Dieses hingegen widmet sich der Frage, was geschehen wäre, wenn sich die Beatles nie aufgelöst hätten. Basierend auf akribischer Recherche, entwirft Journalist Bryce Zabel eine alternative Musikgeschichte, die beinahe Wirklichkeit geworden wäre.
Ryan North, „How to Invent Everything: A Survival Guide for the Stranded Time Traveler“
foto: riverhead books 464 Seiten. Riverhead Books, New York 2018
Ryan North fasst die wichtigsten Grundlagen unserer Zivilisation in einem vergnüglich zu lesenden Survival-Guide zusammen. „Zielpublikum“ sind Zeitreisende, die mit ihrer Zeitmaschine in grauer Vergangenheit stranden und hiermit die Zivilisation noch einmal gründen können – „diesmal mit 96 Prozent weniger Katastrophen“.
Anhang
Die Wahl der vier Wissenschaftsbücher des Jahres ist geschlagen – und in der Kategorie „Naturwissenschaft/Technik“ haben die STANDARD-Wissenschaftsredakteure David Rennert und Tanja Traxler mit der Biografie „Lise Meitner. Pionierin des Atomzeitalters“ (Residenz Verlag) den Sieg davongetragen. In ihrem Buch beleuchten sie das Leben und Wirken der österreichischen Physikerin Lise Meitner (1878-1968), die an der folgenreichen Entdeckung der Kernspaltung beteiligt gewesen ist.
Auch in den drei anderen Kategorien siegte jeweils ein Titel mit Österreich-Bezug, wie das Bildungsministerium berichtet: So setzte sich in der Kategorie „Medizin/Biologie“ der in Wien geborene US-Medizinnobelpreisträger Eric Kandel mit seinem Buch „Was ist der Mensch? Störungen des Gehirns und was sie über die menschliche Natur verraten“ (Siedler Verlag) durch.
Das Werk „Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses“ (Molden Verlag) des Historikers Roman Sandgruber erreichte in der Kategorie „Geistes-, Sozial-, Kulturwissenschaft“ den ersten Platz. Und bei den „Junior-Wissensbüchern“ erhielt das Kinderbuch „So ein Mist. Von Müll, Abfall und Co“ (Verlag Tyrolia) der Autorin Melanie Laibl und der Illustratorin Lili Richter die meisten Stimmen. Hintergrund Die seit 2007 durchgeführte Wahl zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ ist eine Aktion des Bildungsministeriums mit dem Verlag Buchkultur. Mit der Initiative soll der Stellenwert des wissenschaftlichen Sachbuches deutlich gemacht werden. Eine Fachjury hatte in vier Kategorien jeweils fünf Bücher nominiert, aus der seit Ende Oktober das Publikum über seine Favoriten abstimmen konnte. Insgesamt wurden rund 9.000 Stimmen abgegeben. (red, APA, 16. 1. 2019)
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Das Werk „Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses“ (Molden Verlag) des Historikers Roman Sandgruber erreichte in der Kategorie „Geistes-, Sozial-, Kulturwissenschaft“ den ersten Platz. Und bei den „Junior-Wissensbüchern“ erhielt das Kinderbuch „So ein Mist. Von Müll, Abfall und Co“ (Verlag Tyrolia) der Autorin Melanie Laibl und der Illustratorin Lili Richter die meisten Stimmen. Hintergrund Die seit 2007 durchgeführte Wahl zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ ist eine Aktion des Bildungsministeriums mit dem Verlag Buchkultur. Mit der Initiative soll der Stellenwert des wissenschaftlichen Sachbuches deutlich gemacht werden. Eine Fachjury hatte in vier Kategorien jeweils fünf Bücher nominiert, aus der seit Ende Oktober das Publikum über seine Favoriten abstimmen konnte. Insgesamt wurden rund 9.000 Stimmen abgegeben. (red, APA, 16. 1. 2019)
Link:
Die verlorene Ehrung der Lise Meitner
Zum 50. Todestag der großen Physikerin Lise Meitner