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Der Blick von außen: Freunderlwirtschaft

Es ist etwas faul im Staate Österreich. Nun steht nicht nur die FPÖ durch die Ibiza-Affäre als korruptionsanfällig da, sondern auch die ÖVP.

Foto: imago

Sebastian Kurz will die Justiz umbauen, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zerschlagen und recherchierenden Journalisten einen Maulkorb umhängen.

Es geht Schlag auf Schlag in diesen Tagen in Österreich: zuerst Hausdurchsuchungen beim Finanzminister, dann beim ehemaligen Justizminister, am Freitag wurde der bis dahin mächtigste Beamte im Justizministerium suspendiert. Handys und Laptops wurden auf Geheiß der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.

Es ist etwas faul im Staate Österreich. Es geht um verschiedene Fälle, die eint, dass sie mit Korruption beschrieben werden können – in anderen Ländern, nicht unbedingt in Österreich, wo man sich schon immer darauf verstanden hat, Unangenehmes sprachlich zu umschreiben: Freunderlwirtschaft heißt das, was anderswo Bestechung oder Amtsmissbrauch genannt wird. Dieser Austriazismus enthält die wesentlichen Komponenten: Es geht um Beziehungen und um Geld. Oder die wienerische Form: Verhaberung – ein Haberer ist ein Freund, ein guter Freund. Nicht zwingend jemand, den man privat mag, aber einer, auf den man bauen kann, wenn man ihn braucht. Vor allem in der Not. Das kann eine Steuerprüfung sein, eine fürs Geschäft wichtige Information oder ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue.

Besonders ergiebig war das Handy eines „sehr guten“ Freundes des Bundeskanzlers

Man kennt sich, man trifft sich, man tut was füreinander: die Wirtschaft für die Politik, die Politik für die Justiz, die Justiz für die Politik… Und auch manche Medien machen mit. Man kennt sich und hilft sich manchmal wechselseitig, Karrieren zu befördern. Auch das fällt unter Verhaberung.

Aber plötzlich scheint das nicht mehr zu funktionieren. Denn zumindest die Justiz macht das, was eigentlich das in einer Demokratie zwingend vorgeschriebene System der Gewaltenteilung, auch Checks and Balances genannt, vorsieht: arbeiten, wie es eigentlich ihr Auftrag ist. Konkret: ermitteln, wie es die Justiz tun muss, wenn ihr Material in die Hände fällt, das den Verdacht einer Straftat begründet. Das führt dann zu Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen von elektronischen Geräten, die wiederum weitere Aktivitäten nach sich ziehen.

Besonders ergiebig war das Handy von Thomas Schmid, dem „sehr guten“ Freund von Kanzler Sebastian Kurz und früheren Kabinettschef im Finanzministerium, der eine Schlüsselfigur in den jüngsten Skandalen ist. Obwohl er sein Handy vor der Beschlagnahme auf Werkseinstellungen zurückgesetzt hat, konnten die Ermittler 323 000 SMS rekonstruieren. Sie finden darin allerlei, was Anlass für Ermittlungen und eben Hausdurchsuchungen wie jene beim amtierenden Finanzminister ist. Nun fragen sich vom Bundeskanzler abwärts Politiker der Regierungspartei ÖVP: Wer ist als Nächstes dran?

Kurz agiert nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung

Jetzt steht nicht mehr nur die FPÖ durch die Ibiza-Affäre als korruptionsanfällig da, sondern auch die ÖVP. Und die Reaktion der Kanzlerpartei? Sie will die Justiz umbauen, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zerschlagen und recherchierenden Journalisten einen Maulkorb umhängen. Kanzler Kurz agiert nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung und wirft der Justiz öffentlich vor, sich von „fehlerhaften Fakten“ leiten zu lassen. Sein Rundumschlag gegen die Justiz hat nicht nur Einschüchterung zum Ziel, sondern untergräbt auch das Vertrauen in den Rechtsstaat und damit in die Demokratie – es wird schon irgendetwas hängen bleiben. Dieses Verhalten ist bekannt aus Ungarn und Polen, wo Richter unter Druck gesetzt oder gar entfernt werden.

Die Kanzlerpartei in Österreich macht auch vor dem Verfassungsgerichtshof nicht halt, der sich in den vergangenen Monaten als Kontrollinstanz erwiesen und mehrere Entscheidungen der von Kurz geführten Regierung aufgehoben hat. Die ÖVP will den Verfassungsgerichtshof zwingen, künftig mitzuteilen, welche Richter bei Entscheidungen eine andere Ansicht vertreten haben – bei Kritik geht es dann nicht nur um die Institution, sondern um die Person.

Wie persönlich es werden kann, diese Erfahrung machte auch ein Jurist, der sich immer die Frage stellte: weitermachen oder aufhören? Er kann davon berichten, wie seine Ermittlungen gegen den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser blockiert wurden. Er erzählt von Einschüchterungen – häufige Vorladungen, Fragen seiner Vorgesetzten, die irgendwann in Drohungen mündeten. Aber er machte weiter: Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. So wurden sieben Jahre daraus, ehe doch Anklage erhoben wurde. Nach drei weiteren Jahren gab es ein – nicht rechtskräftiges – Urteil gegen den ehemaligen Politiker: acht Jahre Haft. Ja, es tut sich was im Staate Österreich, und es bleibt spannend – nicht nur in den nächsten Tagen.