Überblick
Wie Daten helfen sollen, die Klimakrise besser zu verstehen
Ein dreiköpfiges Team aus Wien will Klimadaten möglichst detailliert und einfach verständlich präsentieren. Doch gerade international mangelt es vielerorts noch an Transparenz
Wie viel Treibhausgase emittieren Menschen in Österreich durchschnittlich pro Kopf? Wie stark hat sich das Land bereits erhitzt? Wie viele Ölheizungen müssen täglich getauscht werden, damit es bis 2035 keine mehr in heimischen Haushalten gibt?
Wer Antworten auf diese Fragen sucht, musste sich die Infos bisher mühsam zusammentragen. Erst seit wenigen Wochen sind Daten zur Klimakrise in Österreich zentral abrufbar – im sogenannten Klimadashboard.
Hinter der Website stehen zwei Studenten und ein Web-Designer, die sich zum Ziel gesetzt haben, ein besseres Verständnis für die Klimakrise zu schaffen. Die Idee hatte das Trio, das sich von dem gemeinsamen Engagement bei Fridays for Future kennt, schon im April 2020. Damals sind erste Corona-Dashboards entstanden, bisher unbekannte Begriffe wie Sieben-Tage-Inzidenz prägten auf einmal die Alltagssprache. Eine ähnliche gemeinsame Basis würde im Klimabereich fehlen, erklärt Mitgründer und Ph.D.-Student Johannes Stangl (27) die Motivation für das Projekt.
Ziel war es, Klimafakten in gewisser Weise auch zu übersetzen, sagt David Jablonski, der als selbstständiger Designer und Web-Entwickler tätig ist. Um ein besseres Verständnis für die Folgen der Klimakrise zu erlangen, sei es wichtig, ein gemeinsames Vokabular zu entwickeln, meint der 23-Jährige. Auf der Plattform werden daher auch Begriffe wie der europäische Emissionshandel erklärt. Ziel war es, die Fakten „so zugänglich wie möglich und trotzdem wissenschaftlich fundiert“ abzubilden. Das Dashboard solle eine Antithese zu gängigen Online-Statistik-Seiten sein, die mit vielen Details und einer komplizierten Handhabe oft überfordern, sagt Jablonski.
Wissen, wo wir stehen
Die Daten stammen aus zahlreichen Quellen – vom Umweltbundesamt über die Statistik Austria bis hin zum Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Die Institutionen hätten durchaus Bereitschaft gezeigt, die Daten zu teilen, heißt es vonseiten der drei Gründer. Dennoch gebe es erhebliche Datenlücken im Klimabereich, kritisiert Jablonski. Wie viele Emissionen Österreich pro Jahr ausstößt, wird beispielsweise nur sehr zeitverzögert veröffentlicht. „Wenn wir erst ein bis zwei Jahre im Nachhinein wissen, wie viel wir in einem Jahr ausgestoßen haben, ist es enorm schwer zu beurteilen, wo man gerade steht.“
Deshalb beinhaltet das Dashboard sogenannte Nowcasts, also wissenschaftliche Prognosen, wie sich die Emissionen entwickeln werden. Insgesamt würden in Österreich zwar viele Klimadaten erhoben werden, zahlreiche davon aber in PDFs versinken oder nur schwer zugänglich sein, kritisieren die Klimaschützer.
Unterschiedliche Datenlage
Auch international ist die Datenbasis löchrig. Das beginnt schon bei den offiziellen Zahlen, welche Staaten an die Uno melden sollen. Nicht alle Länder berichten ihre Emissionen und Klimaschutzbemühungen regelmäßig, auch bei der Qualität der Daten gibt es enorme Unterschiede. Die UN-Klimarahmenkonvention macht etwa einen Unterschied zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern – wobei Erstere ihre Daten öfter und genauer melden müssen.
Die letzten offiziell von China gemeldeten Daten stammen etwa aus dem Jahr 2014, das Ölförderland Katar hat schon seit 2007 keine neuen Emissionen bei der UN gemeldet, die Daten des ebenfalls nicht unbedeutenden Ölexporteurs Algerien sind aus dem Jahr 2000.
Selbst wenn Daten gemeldet werden, sind diese oft unvollständig, wie die Washington Post vergangenen November herausgefunden hat. Denn Staaten dürfen die Treibhausgase, die von sogenannten Kohlenstoffsenken, wie etwa Wäldern, aufgesogen werden, in ihrer Bilanz abziehen. Vergleicht man die offiziellen Berichte, stößt man auf Widersprüche: So berichtet etwa Malaysia, dass seine Regenwälder pro Hektar viermal so schnell CO2 aus der Luft ziehen wie jene im nahen Indonesien.
Diese ungenaue Datenlage verkompliziert einerseits die Verhandlungen auf den Klimakonferenzen, bei denen um jene Tonne gefeilscht wird. Andererseits machen es die Datenlücken schwierig, Klimaschutzmaßnahmen zu planen und zu evaluieren.
Auf eigene Faust erfassen
Immer mehr Projekte versuchen daher, die CO2-Emissionen auf eigene Faust möglichst granular zu messen und zu präsentieren. Die britische NGO Carbon Disclosure Project (CDP) fordert etwa Städte und Provinzen dazu auf, ihre Umweltauswirkungen zu melden. Diese Daten können etwa Kunden und Anlegerinnen bei Kauf- oder Investmententscheidungen helfen. Bereits 1000 Städte melden ihre Werte bereits an das CDP, auf Landesebene sind Oberösterreich und Niederösterreich dabei. Es geht dabei nicht nur um Emissionen, sondern auch um Grundwasserstände, Biodiversität oder Entwaldung – je genauer man Bescheid weiß, desto einfacher gelingen zielgerichtete Maßnahmen.
Auch Wien stehe mit dem CDP, das „inhaltlich sehr gute Arbeit leistet“, bereits in Kontakt, heißt es von der Stadt. Die Entscheidung zur Teilnahme sei aber noch nicht endgültig gefallen, da eine solche auch ziemlich ressourcenintensiv wäre.
Mehr Klimadaten zu Österreich wären durchaus wünschenswert, meinen die Gründer des Klimadashboards. Deren Erhebung und Aufbereitung habe mitunter für Überraschungen gesorgt: Das Trio hat unter anderem ein Tool programmiert, mit dem Benutzerinnen und Benutzer errechnen können, wie stark die Temperatur in Österreich durchschnittlich seit dem eigenen Geburtsjahr gestiegen ist. „Es ist sehr erschreckend zu sehen, dass in unserer Lebensdauer schon ein Grad Erhitzung angefallen ist“, sagt Jablonski. Überraschend sei auch gewesen, wie wenig Daten zu den Auswirkungen der Klimakrise verfügbar sind, erzählt der Dritte im Bunde, der Neurobiologie-Student Adrian Hiss (27). Auf der Website sollen daher nicht nur Herausforderungen und Folgen dargestellt werden, sondern auch Lösungsvorschläge.
Seit rund einem Jahr basteln die drei – allesamt ehrenamtlich – nun an dem Dashboard. Das Ende der Fahnenstange sei noch nicht erreicht, erzählen sie. Sie wollen die Seite tagesaktuell anpassen, derzeit seien Datensammlungen zum Thema Öl und Gas in Arbeit. Zudem sei das Interesse an Kooperationen im In- wie auch im Ausland groß. (Nora Laufer, Philip Pramer, 8.3.2022)